Mit System gegen Bürounkultur

Das Münsinger Möbelunternehmen USM will den Umsatz in den USA verdreifachen. Der Schweizer Möbelhersteller USM versucht in den USA den Spagat: Ein nachhaltiger und kostspieliger Klassiker soll die Büros schnelllebiger amerikanischer Firmen ausstatten.

Von Peter Hossli

Von Berner Behäbigkeit war an diesem Abend in Manhattan wenig zu spüren. Sämtliche Ingredienzen der gelungenen Downtown-Party stimmten. Das Publikum, nicht mehr ganz jung, war schwarz und teuer gekleidet, der Smalltalk war gescheit, das Mineralwasser italienisch. Das Münsinger Möbelunternehmen USM hatte zur Eröffnung seines neuen Showrooms an der Greene Street in SoHo geladen.

USM hat dort Grosses vor. Mit Hilfe eines vier Millionen Dollar teuren, geschmackvoll gestalteten Ausstellungsraumes will das Familienunternehmen den US-Umsatz mächtig steigern. USM setzte im letzten Jahr hochwertige, vornehmlich in Design- und Architekturkreisen beliebte Möbelsysteme für insgesamt 195 Millionen Franken ab. Davon wurden allerdings bloss fünf Prozent in den USA verkauft. Laut Alexander Schärer, Präsident und Delegierter des Verwaltungsrates, sollen es binnen fünf Jahren 12 bis 15 Prozent werden, jedoch nicht auf Kosten anderer Märkte.

Um das zu erreichen, schwimmt die Firma gegen den Trend und investiert am Anfang eines Zyklus und nicht in Boomzeiten. Nach den Terrorattacken vom 11. September schlossen etliche Geschäfte ihre Niederlassungen in SoHo. Nach wie vor behauptet sich das Quartier südlich der Houston Street (South of Houston) aber als zentraler Anziehungspunkt der an Design Interessierten. Die Schweizer Firma will zudem von anderen europäischen Möbelhändlern profitieren, die dort bereits ihre populären Marken vertreiben. USM hofft, ähnlich wie in Hamburg, Berlin, Zürich und Bern mit einem zugänglichen Designtempel näher an die Konsumenten zu gelangen. Bisher konnten sich die New Yorker die Möbel vornehmlich im Museum anschauen. Das Museum of Modern Art hatte letztes Jahr USM in die Architektur- und Designsammlung aufgenommen.

Neben grossen Firmen hofft USM vermehrt Anwaltskanzleien oder Zahnarztpraxen anzusprechen. Eine solche Atomisierung sei lukrativ, sagt Schärer. Kaufen europäische Kunden durchschnittlich für 6000 Franken bei USM ein, blättern in den USA Grosskunden über 100 000 Dollar pro Kauf hin. «Das ist in mageren Zeiten problematisch», sagt Schärer.

USM kam die Rezession nicht nur ungelegen. Bereits Anfang 2001, nach dem Platzen der Dotcom-Blase und nach der Amtseinsetzung von George W. Bush als Präsident, begann sich die US-Wirtschaft merklich abzukühlen. Deshalb konnte USM die Immobilie in SoHo kaufen, erklärt Schärer. Die Preise liessen sich drücken. Die Handwerker, während des Booms der späten Neunzigerjahre ständig ausgebucht, hatten hinreichend Zeit, das Haus rechtzeitig in Stand zu stellen.

Läuft der Laden in New York, will USM die Märkte in Los Angeles und an den Küsten erschliessen. Einfach wirds nicht, sagt Schärer. USM ist seit sechs Jahren in den USA präsent, doch die USM-Systeme sind vielen Amerikanern zu hochwertig und zu zeitlos. Wer Tische und Gestelle des bereits 1963 entwickelten Klassikers USM Haller kauft, kann sie jahrzehntelang brauchen. Die Möbel lassen sich leicht zerlegen und woanders wieder aufbauen. Solche Haltbarkeit ist kaum eine amerikanische Priorität. Statt auf Qualität wird in den USA auf den Preis geachtet. Kurzfristig denkenden Einkäufern ist USM oftmals zu kostspielig. Zudem, so Schärer, könne der bizarre Geschmack der Amerikaner problematisch sein. Zwar treffe man in New York viele kultivierte Kunden, auf dem Land dominiere aber nach wie vor Barockes. US-Dotcomer hatten reichlich Geld, aber wenig Stil.

Doch das Ende der Internetmanie habe bei vielen Firmen ein Umdenken eingeleitet. Nachhaltigkeit spiele schon bald eine bedeutendere Rolle, glaubt Schärer. Tatsächlich preisen US-Designmagazine vermehrt Baustoffe, die lange halten und sich rezyklieren lassen. Fast sämtliche USM-Komponenten können restlos wiederverwendet werden.

Trotz der ambitiösen Ziele in den Vereinigten Staaten denkt USM nicht daran, die Produktion vom bernischen Münsingen nach Amerika zu verlegen. «Die Produktivität ist in der Schweiz höher, weil wir hier Reibungsverluste verhindern können», sagt Schärer. Das stimmt insbesondere mit Blick auf die USA, wo Handwerker weitaus liederlicher arbeiten als in Europa. Deshalb stellt Schärer eigene Leute für die Endmontage beim Kunden. Qualität verpflichtet.

Familienfirma mit Weltruf
Das Wort Design war Ulrich Schärer kaum geläufig, als er 1885 in Münsingen eine Schlosserei mitsamt Eisenwarenhandlung eröffnete. In den Zwanzigerjahren des 20. Jahrhunderts spezialisierte sich die kleine Fabrik vornehmlich auf Fensterbeschläge. Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen Metallbau und Blechbearbeitung hinzu. Zusammen mit dem Architekten Fritz Haller krempelte der Enkel des Firmengründers, der Ingenieur Paul Schärer, die Firma zu Beginn der Sechzigerjahre um – vom Industrie- in ein Designunternehmen. 1963 entwickelten die beiden das Möbelsystem USM Haller, dessen Herzstück eine Stahlkugel bildet, um die das gesamte modulare System angelegt ist.
Nach dem ersten Grossauftrag von der Pariser Bank Rothschild errangen die klaren Büromöbel Weltruf. Zum Kundenkreis gehören Hugo Boss, Airbus, Swiss Re, Mercedes-Benz oder das holländische Architekturinstitut.

Insgesamt beschäftigt die USM Holding AG mit Tochtergesellschaften in der Schweiz, in Deutschland, Frankreich und den USA 480 Personen. Im Jahr 2001 erzielte sie einen konsolidierten Umsatz von 195 Millionen Franken.