Die Preissteigerungsmaschine

Die Räuberpistole um die Ausstellung im New Yorker "Brooklyn Museum of Arts" geht weiter.

Von Peter Hossli

Krude Worte fielen in Amts- und Redaktionsstuben. Als “sick art”, abscheuliche Kunst, missbilligte New Yorks Bürgermeister Rudolph W. Giuliani die derzeitige “Sensation”-Ausstellung mit jungen britischen Künstlern im Brooklyn Museum of Art. Das streitbare Stadtoberhaupt stellte die Subventionen ans Museum umgehend ein (TA vom 28.September 1999). Ein “Arschloch” sei Giuliani, entgegnete der Chefredaktor der “Village Voice”. Galeristen verteilten im Künstlerviertel Chelsea mit Hakenkreuzen bedruckte Zettel.

Was der “New Yorker” als “erbitterter Kampf zwischen Kunst und Macht” bezeichnete, nahm diese Woche eine neue Wende. Zum einen entschied das Bezirksgericht von Brooklyn, der Bürgermeister hätte das Recht auf Meinungsfreiheit im “argen Masse” verletzt. Der Richter orderte die Stadt an, die Zahlungen sofort wieder aufzunehmen. New York legte umgehend Rekurs ein (TA vom 3. November 1999).

Brisanter noch: Gemäss Recherchen der “New York Times” hatte Giuliani Recht, als er den Brooklyner Museumsdirektor Arnold L.Lehman korrumpierender Machenschaften verdächtigte. Etliche Spenden an die Institution kamen tatsächlich von Leuten und Firmen, die ein direktes finanzielles Interesse an der umstrittenen Ausstellung besitzen.

Der selbstlose David Bowie

Die Aufsehen erregende Kontroverse vervielfacht zu deren Nutzen den Marktwert der Kunst. Zahlreiche exklusive Händler von “Sensation”-Künstlern überwiesen bis zu 10 000 Dollar. Ihre Klientel profitiert vom Zoff in den Medien. Direktor Lehman habe zudem versucht, die luschen Zahlungen zu vertuschen.

So zahlte Popstar David Bowie 75 000 Dollar. Den Text für die Audiotour sprach er pro bono. Bowie ging ein lukratives Gegengeschäft ein. Der Musiker durfte die “Sensation”-Bilder exklusiv auf seiner kommerziellen Website platzieren – seither verdreifachte sich die Besucherfrequenz auf davidbowie.com.

Einen Check über 50 000 Dollar stellte Christie’s aus. Aus eigennütziger Überlegung. Demnächst versteigert das Auktionshaus in Manhattan Werke zeitgenössischer Künstler. Viele davon sind derzeit in Brooklyn mit anderen Stücken präsent.

Der “Sensation”-Bestand gehört dem britischen Werber Charles Saatchi. Dieser sponserte die eigene Ausstellung verdeckt mit 160 000 Dollar. Kunststück – nach der Show, die bereits in London und Berlin gezeigt wurde, will er alles verkaufen und mit dem errungenen Mehrwert andere Kunstschaffende beauftragen, kreativ zu sein.

“Alle sind Mischler”

Die Vermischung von privater und öffentlicher Kunstförderung ist in den USA weit problematischer als in Europa. Hier zu Lande fliessen kaum staatliche Kulturgelder. Werden diese zwecks Vermehrung privater Vermögen verwendet, laufen Politiker wie Steuerzahler Sturm.

Obwohl die Stadt mitkassiert. Die erhöhten Preise bescheren Giuliani nämlich satte Steuereinnahmen. Bei diesem Konflikt, sagt der New Yorker Kunstkritiker Mark Cohen, gebe es nicht einfach Gute und Böse. “Niemand spielt hier fair. Alle sind Mischler.”