Talk – Hollywood goes Print

Tina Brown, Chefredaktorin von «The New Yorker», wechselt zur Disney-Tochter Miramax.

Von Peter Hossli 

Der Abgang war ihr angemessen. Er überraschte, wirkte glamourös und ist doch zukunftsweisend. Mitte vergangener Woche verliess die britische Chefredaktorin Tina Brown, 44, den «New Yorker», nach wie vor das Nonplusultra des US-Journalismus. Sechs Jahre lang hatte sie das 1925 gegründete Wochenmagazin geleitet.

Jetzt geht die als «weltweit beste Chefredaktorin» gehandelte Brown nach Hollywood. Für die Disney-Tochter Miramax («Pulp Fiction») baut sie einen Verlag auf, der ein Monatsmagazin und Bücher herausgeben sowie darauf basierende Filme produzieren wird.

Synergien und Inhalt heissen dabei die Zauberworte. Miramax-Kochef Harvey Weinstein erhofft sich von Brown «Artikel, die den Zeitgeist treffen». Daraus würden dann Sachbücher, Romane, Filme und Fernsehserien entstehen. Browns Wechsel zeigt eines: Hollywood, stets hungrig nach günstigen Originalideen, hat den Magazinjournalismus wieder entdeckt. Weil traditionellen Drehbuchautoren in den letzten Jahren kaum Eigenständiges einfiel, hoffen Produzenten, in Heften wie «The New Republic» oder «Vanity Fair» unverbrauchte, wahre Geschichten zu finden.

Studios wie Paramount oder Warner sicherten sich deshalb die Filmrechte an Storys diverser US-Magazine. Miramax geht weiter. Weinstein hievte Tina Brown zusammen mit «Vogue»- Herausgeber Ronald A. Galotti zur Partnerin einer Firma, deren Produkte ausschliesslich auf Magazinartikeln basieren.

Fremd ist Brown die Glitzerwelt nicht. Seit Jahren gehören Hollywood-Grössen zu ihren Freunden. Vor ihrer Berufung zum «New Yorker» brachte sie «Vanity Fair» aus den roten Zahlen, ein Monatsmagazin, das hintergründig über Stars und Mogule des Showbiz berichtet. Beim «New Yorker», der vor ihrem Amtsantritt eher behäbige Geschichten brachte, machte sie Unterhaltungsstars zum Thema. Artikel über Robert Redford oder «Star Wars» steigerten die Auflage des Magazins auf 808000 Exemplare. In der Unterhaltungsbranche wurde es Pflichtlektüre.

Wenn jetzt die Wochenzeitung «The New York Observer» Tina Brown als «Versuchskaninchen für Synergien» bezeichnet, ist das aber falsch. Bereits in den sechziger Jahren nämlich verfasste Truman Capote seine Hinrichtungsreportage «In Cold Blood» und fertigte daraus ein Buch; Regisseur Richard Brooks drehte einen aufwändigen Film; später entstand eine TV-Serie. Ach ja: «In Cold Blood» erschien erstmals 1965 – im «New Yorker».