Der Wicht hält die Macht

Schauspieler, Produzent und Regisseur Danny DeVito ist der einflussreichste Mann Hollywoods.

Von Peter Hossli

Der zuverlässigste Seismograf für die Macht in Hollywood ist die Geschwindigkeit, mit der Telefongespräche beantwortet werden. Danny DeVitos Anrufe werden sofort beantwortet. «Nobody calls him «later»», sagt Regisseur Quentin Tarantino.

Er muss es wissen. 1992 beantwortete Tarantino ein Telefonat von DeVito umgehend. Dieser hatte eben sein Drehbuch zu «Pulp Fiction» gelesen, war begeistert und wollte nachfragen, ob schon jemand für die Hauptrolle vorgesehen sei. Es gäbe, meinte DeVito, einen abgetakelten Discotänzer namens John Travolta. Dieser sei bestens für den Part geeignet.

Der Rest ist Filmgeschichte. «Pulp Fiction» wurde zum ersten Kultfilm der neunziger Jahre. Travolta bekam eine zweite Chance und gehört heute zu den bestbezahlten Schauspielern Hollywoods.

Zu verdanken hat Travolta sein Comeback einem smarten Wicht. Danny DeVito, 52jährig und je nach Messung 152 oder 158 Zentimeter lang, glatzköpfig und leicht untersetzt, verpasste dem Schauspieler ein neues Image und formte aus ihm den Prototyp des postmodernen Gangsters.

Wiederholen darf Travolta diesen Act nun in «Get Shorty», ab 29. März in den Kinos zu sehen. Danny DeVito produzierte den Film und spielt darin sich selbst: Er verkörpert den egomanischen Schauspieler und Produzenten Martin «Shorty» Weir.

Shorty ist das Objekt der Begierde ganz Hollywoods. Auf Filmplakaten posiert er hoch über dem Sunset Boulevard als Hauptdarsteller von «Napoleon». Jede Frau möchte mit ihm schlafen, jeder Regisseur mit ihm drehen. So auch Chili Palmer (John Travolta), ein Mafioso, der die Knarre an den Nagel hängen und Filme produzieren will. Um jeden Preis versucht Palmer, DeVito alias Shorty für sein erstes Projekt zu gewinnen. Denn, denkt er, mit Shorty in der Hauptrolle komme jede Restfinanzierung zustande.

Im realen Hollywood ist das nicht anders. Als gutes Drehbuch gilt ein Drehbuch, das Danny DeVito mag. Ein schlechtes Drehbuch ist ein Drehbuch, das Danny DeVito missfällt. Und ein Drehbuch, das einer Veredelung bedarf, ist ein Drehbuch, das Danny DeVito gelesen hat und für «interesting» hält. Mehr Einfluss als der kleinwüchsige Schauspieler, Produzent und Regisseur hat in Hollywood derzeit keiner. Und keiner bewegt sich gleichzeitig auf mehreren Ebenen von Filmkunst und -gewerbe.

DeVito arbeitet in New York und in Los Angeles, den beiden Antipoden des Kinos. An der Ostküste macht er Kunst, an der Westküste verdient er Geld.

Als Schauspieler agiert DeVito in aufwendigen Hollywoodfilmen wie «Batman Returns» (1992) oder «Junior» (1994), die gedreht werden, um der Filmindustrie Sauerstoff zuzuführen, ergo Kapital einzubringen.

Als Produzent und Inhaber der Produktionsfirma Jersey Films fördert er in New York vielversprechende Talente. Quentin Tarantino verdankt ihm seine Position als begehrtester Regisseur der Gegenwart. Mit «Reality Bites» (1994) hievte DeVito den «Slacker» – den zwar intelligenten, aber desinteressierten Herumhänger – aus dem Untergrundkino und verewigte ihn zusammen mit der längst vergessenen «Generation X» auf Zelluloid.

Führt DeVito selbst Regie, geht er grössere Risiken ein. Zuweilen lässt der ansonsten bitterböse Komiker seine politische Seite aufblitzen. Sein Historiendrama «Hoffa» erzählte 1992 die in den USA verdrängte Story eines korrupten Gewerkschaftsführers aus den fünfziger Jahren. Drehen konnte er in Hollywood eine derart abwegige Geschichte nur seines Status wegen. In einer Industrie, in der Regisseure, Produzenten und Autoren ihre Tage und Nächte damit verbringen, Filme zu verkaufen, die nie gedreht werden, brachte DeVito ein Projekt wie «Hoffa» auf die Leinwand, bei dem der Misserfolg voraussehbar war. Geschadet hat ihm das finanzielle Desaster nicht.

Sein Erfolgsgeheimnis, sagt DeVito, sei «die Passion». Er sieht die Leidenschaft als Bindeglied zwischen seinen drei bisherigen Regiearbeiten. Jimmy Hoffa sei ein leidenschaftlicher Mann gewesen, der sich mit allen, auch illegalen Mitteln für die Gewerkschaftsmitglieder einsetzte. In der Ehesatire «The War of the Roses» kämpfen Frau wie Mann leidenschaftlich um das Vorrecht in der Partnerschaft. Und in «Throw Momma from the Train», dem schwärzesten Film DeVitos, sei es «die unterdrückte Leidenschaft», die einen Sohn dazu bringt, seine Mutter vom Zug werfen zu lassen.

Die Leidenschaft kam DeVito auch vor der Kamera zugute. Als zum Pinguin gewandelter Bösewicht stahl er in «Batman Returns» dem Flattermann die Show. Obendrein erklärte er dem Kinopublikum erstmals die Quintessenz der neunziger Jahre: Viel Geld und schönes Aussehen, «money and looks», bedeuten alles. «Wir sind beides Monster», bestellte der Pinguin einem skrupellosen Industriellen, «aber du bist ein angesehenes, weil schönes Monster. Ich bin hässlich.» Seine Antlitz möchte der Pinguin verändern, nicht aber seine Seele.

Das Showgeschäft hat Danny DeVito von der Pike auf gelernt. Zuerst mähte er als Junggärtner den Rasen des Sportplatzes. Dann frisierte er Köpfe. An der Wilfred Academy of Hair and Beauty Culture in New York liess sich Danny DeVito zum Coiffeur ausbilden. Während zwölf Monaten ondulierte er im Schönheitssalon seiner Schwester das Haar von schmierigen New-Jersey-Mafiosi.

Geboren wurde Danny DeVito 1944 in Neptune, aufgewachsen ist er in Ashbury, beides kleine Kaffs in New Jersey. Der Nachbarstaat von New York ist eine Art Kanton Aargau Amerikas. Niemand mag New Jersey. Verlassen wollen es alle – so bald wie möglich. Aber viele haben dort ihre Wurzeln. In der Metropole neben der «Abfallhalde der USA», wie sich die New Yorker abfällig über New Jersey äussern, stammen die meisten kreativen Köpfe aus dem Staat am Hudson River. «Dieses gottverlassene Nest», sagt DeVito, «ist derart verknöchert, dass man nur überlebt, wenn man selbst kreativ tätig wird.»

Heute greift DeVito oft auf Beziehungen zurück, die sich in der kulturellen Einöde New Jerseys anbahnten.

In Ashbury wuchs auch Bruce Springsteen auf. Der Musiker kam zwar in Freehold zur Welt, 30 Meilen von Ashbury entfernt. «Ein erstes Album», sagt DeVito, «kann man jedoch nicht «Greetings from Freehold» nennen.» Springsteen verliess Freehold und gab an, er käme aus Ashbury. Übelgenommen hat DeVito dies dem Rock ‘n’ Roller nie. Noch heute besucht er jedes seiner Konzerte in der Nähe. Dessen Album «Nebraska» bezeichnet DeVito als seine Lieblingsplatte.

Ein Steigbügelhalter in DeVitos Karriere war Jack Nicholson. Erwachsen geworden ist er in Neptune, New Jersey. DeVitos Cousin war lange mit Nicholsons Schwester liiert. An Familienfesten erzählte sie oft vom älteren Bruder, der nach Kalifornien gezogen sei, um dort Schauspieler zu werden und Filme zu drehen. Teenager Danny hörte aufmerksam zu. Er sah in Nicholsons Abgang eine Möglichkeit, New Jersey ebenfalls zu verlassen.

Als sich Nicholson und DeVito während der Dreharbeiten von «One Flew Over the Cuckoo’s Nest» 1975 erstmals trafen, erzählten sie sich nächtelang New-Jersey-Anekdoten. Seither haben sie gemeinsam mehrere Filme gedreht. DeVito inszenierte Nicholson 1992 als Gewerkschaftsführer Jimmy Hoffa. Unter Nicholsons Regie agierte DeVito 1978 im Antiwestern «Goin’ South». «Batman»-Bösewichte, oft die attraktivsten Figuren der Fledermaus-Filme, haben DeVito wie Nicholson verkörpert.

Nach Los Angeles kam DeVito erstmals 1967. Er las im «New Yorker» einen Auszug aus Truman Capotes Reportage-Thriller «In Cold Blood». In Hollywood machte man sich gerade daran, sie zu verfilmen. DeVito, fasziniert von der beklemmenden Erzählweise Capotes, borgte sich Geld für ein Flugbillett und flog nach Los Angeles. Er wollte den Regisseur des Films treffen und vorsprechen. Als er in Hollywood ankam, waren alle Rollen längst vergeben. «Es war trotzdem ein gutes Erlebnis», sagt DeVito, der sich ein Jahr in Kalifornien aufhielt. Gelernt habe er «eine verdammte Wahrheit: Ich gehörte nicht nach Hollywood». Er ging nach New York zurück, spielte Theater und übte sich mit einer simplen 8-Millimeter-Kamera als Kurzfilmer. Los Angeles sah er erst 1975 wieder.

Heute steht die halbe Stadt bei ihm Schlange.

Von der «New York Times» wurde DeVito gefragt, ob er wirklich alles in die Kinos bringen könne, was er denn wolle. «Yes», antwortete er mit sanfter Zurückhaltung, als ob er sich über die Tragweite seiner Position ernsthafte Gedanken machen würde. «Ob Sie als Schauspieler, Regisseur oder Produzent mitwirken – jeder Film, zu dem Sie ja sagen, wird produziert?» «Yes», antwortet DeVito, noch immer zurückhaltend und seriös.

Und wie fühlt er sich dabei?

«Glorious!»