Kiffen ist am geilsten

Fünf Teenager diskutieren über den Film «Kids», Drogen, Sexualität und ihr Verhältnis zur Schweiz.

Peter Hossli: Ihr habt den Film «Kids» gesehen. Was habt ihr darin aus
eurem Leben wiedererkannt?
Carmen: Die Drogen.
Dominik: Und die Gewalt. Wir hatten eben eine grosse Schlägerei in Davos.
Piitsch: In Zürich gibt es ebenfalls ziemlich viel Gewalt. Dort wird praktisch jedes
Wochenende geprügelt. Rechtsradikale gehen auf Tamilen und Schwarze los. Sie
lassen sich vollaufen und kommen dann mit Ketten und Schlagstöcken.
Dominik: Es gibt in jeder Szene Gewalt, auch bei uns in der Hip-Hop-Szene.
Carmen: Bei uns im Schulhaus hat die Gewalt eher nachgelassen.
Hossli: Raucht ihr regelmässig Marihuana oder Hasch? Oder, wie es in eurer Sprache heisst, kifft ihr alle?
Cornelia: Manchmal am Wochenende.
Piitsch: Ich kiffe regelmässig, den ganzen Tag. Für mich ist es etwas völlig Normales geworden.
Dominik: Wir haben jetzt eine recht krasse Woche in den Bergen hinter uns. Da wurde sehr viel gekifft. In der Schule kiffe ich jedoch nicht.
Philipp: Bei mir kommt es drauf an, ob ich etwas zu Hause habe. In letzter Zeit war Hochsaison.
Carmen: Ich kiffe regelmässig.
Hossli: Woher habt ihr den Stoff?
Piitsch: Ich pflanze ihn selber an. Ich habe zusammen mit Kollegen eine Plantage auf dem Land mit etwa fünfzig Pflanzen. Das reicht dann für ein Jahr.
Carmen: Ab und zu erhalte ich etwas von einem Kollegen.
Hossli: Welche anderen Drogen nehmt ihr?
Piitsch: Alkohol. Unter der Woche trinke ich allerdings nichts. Als Maurer zu arbeiten ist oft lebensgefährlich. Da kann ich es mir nicht erlauben zu trinken.
Beim Kiffen kenne ich mein Mass. Bei Alkohol hingegen unterschätzt man es meistens.
Philipp: Ich trinke höchstens mal ein Bier. Meinen Eltern habe ich versprochen, keine harten Drogen zu nehmen. Vor Ecstasy hätte ich eh Angst. Es macht psychisch abhängig.
Piitsch: Ausprobiert habe ich schon recht viel: Ecstasy, LSD, Kokain. Kiffen ist aber das Geilste. In meiner Szene wird hauptsächlich Kokain konsumiert. Es sind meistens Leute, die normal arbeiten, aber einen hohen Posten besetzen. Die haben das Geld dazu.
Hossli: Wissen eure Eltern, dass ihr kifft?
Cornelia: Meine Mutter weiss es, mein Vater nicht.
Piitsch: Ich wohne seit zwei Jahren allein. Da kann ich das machen, was ich will.
Philipp: Ich musste es meiner Mutter einmal erklären. Ich vergass, etwas einzupacken.
Sie glaubte, ich hätte mir einen Schuss gesetzt. Während zweier Stunden
sprach ich mit meiner Mutter darüber. Ich versuchte ihr zu zeigen, dass kiffen gar nicht so schlimm ist.
Dominik: Meine Eltern kifften früher auch.
Hossli: Weshalb ist für euch der
Drogenkonsum so selbstverständlich geworden?
Dominik: Es ist wohl eine Modeerscheinung.
Cannabis ist aber nicht die einzige Droge. Essen ist eine, genauso Einkaufen, Arbeiten oder Saufen.
Hossli: In «Kids» geben sich die Jugendlichen cool. Was fasziniert euch am Coolsein?
Dominik: Die äussere Erscheinung.
Philipp: Jeder ist cool auf seine Art. Bei uns sieht man es eben. Die Kleidung steht für einen Lebensstil.
Hossli: Wie ist denn dieser Lebensstil?
Dominik: Eben cool. Lockerer, nicht so angespannt.
Hossli: Was macht ihr am Wochenende?
Carmen: Wenn eine Party ist, dann gehen wir hin. Ansonsten sind wir einfach mit Kollegen zusammen.
Piitsch: Es steht meistens offen bis zum Zeitpunkt, an dem etwas geschehen soll. Man trifft sich, macht etwas ab und geht vielleicht in ein Restaurant. Dort redet man darüber, wo eine Party stattfindet, und geht dann hin.
Hossli: Ihr grenzt euch ja sehr von der Technoszene ab. Warum?
Dominik: Technomusik ist etwas ganz Heisses, aber dazu brauche ich keine
Drogen. Zum Tanzen ist die Musik nicht schlecht, aber die Leute sind voll daneben.
Carmen: Die Technoiden können gar nicht mehr normal denken.
Dominik: Sie nehmen Pillen, um offener zu sein. Sie alle geben vor, «mega
happy» zu sein. Trotzdem ist jeder von ihnen allein.
Carmen: Und sie diskutieren nicht miteinander.
Hossli: Beschäftigt euch Aids?
Carmen: Ich denke natürlich nicht täglich daran. Der Film «Kids» ist aber bestimmt
eine gute Anregung, sich damit auseinanderzusetzen.
Piitsch: Es kommt auf die Situation an. Beim Gebrauch von Kondomen geht es
nicht allein um Aids, sondern um eine andere Sache.
Hossli: Du meinst Verhütung?
Piitsch: Ja und nein. Jede zweite Frau nimmt doch die Pille. Wahrscheinlich ist es einfach das Sicherste. Mir ist auch schon ein Kondom geplatzt. Dann hatte ich eine Riesenpanik.
Dominik: Vor einem Jahr liess ich den Test machen. Ich hatte damals eine
recht krasse Zeit. Ich schlief mit meiner Freundin ohne Kondom. Sie wollte
es. Danach wurden wir beide krank und hatten eine Megapanik. Das steigerte sich megamässig. Wir haben dann einen Aids-Test gemacht. Während dieser Zeit hatte ich nur noch Alpträume.
Carmen: Wenn ich jemanden nicht kenne, könnte ich nicht ohne Kondom mit ihm schlafen. Wenn ich jemanden vertraue und er offen zu mir ist, dann schon eher.
Hossli: Ist das Kondom für euch etwas Peinliches?
Dominik: Überhaupt nicht. Es muss einem nicht peinlich sein. Das Kondom ist etwas Selbstverständliches geworden. Wenn jemand keine Kondome braucht, ist er ein Dummkopf.
Piitsch: Dann hat er auch keine gute Lebenseinstellung. Er macht sich keine Gedanken darüber, was passieren könnte, wenn er kein Kondom gebraucht.
Hossli: Habt ihr das Gefühl, genug über Aids zu wissen?
Carmen: Ich denke, es ist allen klar.
Dominik: Letzthin las ich im FACTS einen Artikel, bei dem ich sehr erschrocken bin. Ihr habt geschrieben, man könne durch Küssen Aids bekommen. Das hat mich sehr verwirrt. Oftmals verbreiten die Medien falsche Informationen.
Carmen: Man weiss gar nicht mehr, was stimmt und was nicht. Die Medien verbreiten allzuoft Sensationen statt Informationen. Das verunsichert mich sehr.
Hossli: Wie lange gehen eure Beziehungen?
Piitsch: Es kommt darauf an, ob es die richtige Frau ist.
Dominik: Wenn ich eine Freundin hätte, würde ich sie behalten.
Carmen: Im Moment ist mir eine Beziehung wichtiger als einfach etwas Schnelles. Ich könnte nicht schon am ersten Abend etwas mit einem Typ haben.
Dominik: Hast du es noch nie gemacht? Zum Beispiel in den Ferien. Ich meine nicht gerade so krass, miteinander zu schlafen, aber ein wenig zusammen zu schmusen.
Carmen: Das schon, doch.
Hossli: Interessiert ihr euch für Politik?
Carmen: Wenn Chirac Atombomben zündet, will ich möglichst viel darüber wissen. Was die Politiker in Bern machen, interessiert mich allerdings nicht.
Dominik: Ich habe einen Kollegen, der ist recht bürgerlich. Der hat eine etwas andere Meinung als ich. Trotzdem sind wir K dollegen. Dann ist es auch geil, mit
ihm zu diskutieren.
Hossli: Wie stellt ihr euch die Zukunft vor? Wollt ihr irgendwann eine Familie gründen?
Philipp: Ich will jedenfalls keine Kinder haben.
Carmen: Ich glaube wahrscheinlich schon.
Dominik: Ich fände es geil, Kinder zu haben.
Hossli: Habt ihr Angst vor der Zukunft?
Piitsch: Nein.
Philipp: Zukunft? Es ist doch schon jetzt viel krasser geworden. Als ich in der dritten Sekundarschule war, fand ich Kiffen noch krass. Wenn ich mich jetzt im Dorf herumschaue, höre ich von Typen, die bereits in der sechsten Klasse kiffen. Das fährt mir extrem ein.
Dominik: Es geht auf die Jahrhundertwende zu. Es war immer so, dass es zu einem solchen Zeitpunkt krass war. Ich bin eher pessimistisch. Die Welt wird wahrscheinlich untergehen.
Piitsch: Nein, die Welt geht nicht unter. Die Welt bleibt bestehen, aber die Menschheit verreckt an grossen Naturkatastrophen.
Hossli: Habt ihr Angst vor Arbeitslosigkeit?
Cornelia: Jeder, der arbeiten will, findet auch einen Job.
Dominik: Ich muss mir bald selbst irgendwo eine Arbeit
suchen.
Philipp: Ich mache mir im Moment schon Gedanken darüber.
Hossli: Wie wichtig ist denn für euch, Geld zu haben?
Dominik: Man braucht es. Man kann nicht sagen, das es unwichtig ist. Ansonsten könnten wir ja nicht leben.
Piitsch: Doch, wir würden schon leben, aber in der Schweiz ist es verdammt
schwierig, ohne Geld zu leben. Willst du Kinder, musst du doch mindestens 5000 Franken pro Monat nach Hause tragen.
Carmen: Mir ist nicht wichtig, dass ich viel Geld verdiene. Wichtig für mich ist,
dass ich damit leben kann. Sicher, man braucht Geld zum Leben.
Philipp: Zuviel Geld ist einfach auch verschissen. Man gerät zu schnell in einen sinnlosen Konsumrausch.
Carmen: Geld in ein Auto zu investieren, finde ich sowieso blöd. Ich würde eher fortgehen, weg aus der Schweiz.
Hossli: Interessiert ihr euch für die Schweiz?
Dominik: Ich interessiere mich schon für dieses Land. Meine Zukunft sehe ich
hier.
Hossli: Habt ihr das Gefühl, dieses Land interessiert sich für euch?
Carmen: Die Politiker sicher nicht. Die sind wie unsere Grossväter. Sie verstehen
uns nicht.
Philipp: Wenn sie sagen, sie wollen etwas für die Jugend machen, geht es ihnen
nur darum, Stimmen zu fangen. Ansonsten kümmert sich kein Politiker um die Jugend. Es geht denen doch nur darum, Kohle zu machen. Da überlasse ich es lieber den anderen.
Hossli: Was genau überlässt du den anderen?
Philipp: Die Politik. Ich weiss nicht einmal, was SVP heisst. Da überlasse ich die
Politik eben denjenigen, die sich dafür interessieren. Ich bin auch froh, dass ich nicht so gut Bescheid weiss.
Dominik: Das ist eine extrem blöde Einstellung. Eine solche Haltung kannst du doch nicht haben. Damit kannst du nichts bewirken.
Cornelia: Ich gehe wählen. Ich finde es einfach blöd, wenn man sich beschwert,
selber aber nicht zur Urne geht.
Philipp: Ich hingegen gehe nicht wählen.
Dominik: Das ist gerade die Scheisse. Du regst dich auf, dass alle zu alt sind und dich nicht verstehen, aber es sind gerade die Alten, die nur die Alten wählen. Und zwar deshalb, weil du nicht zur Urne gehst. Du musst dich gar nicht darüber aufregen. Wenn du dich nicht an den Wahlen beteiligst, kann es dir doch scheissegal sein.
Hossli: Habt ihr eigentlich die Schweiz gern?
Carmen: Es geht. Ich möchte gern einmal auswandern. Die Schweizer sind mir zu stier.
Hossli: Was erwartet ihr von den Politikern?
Dominik: Öffnung. Die Schweiz muss sich von ihrer Isolation lösen.
Piitsch: Ich erwarte von ihnen, dass sie abtreten.