Trump macht dicht

Donald Trump schliesst die Grenzen für Flüchtlinge und Bürger aus sieben muslimischen Ländern. Er zertrümmert die globale Handelsordnung – und will wieder foltern lassen.

Von Peter Hossli (Text) und Igor Kravarik (Illustration)

Seine Unterschrift erinnert an einen Lattenzaun. Die schmalen, hohen Buchstaben eng aneinandergereiht, kritzelt der US-Präsident nahezu täglich «Donald J. Trump» auf Urkunden. Oft sind es Dekrete. Sie haben die Kraft von Gesetzen.

Damit untergräbt Trump (70) demokratische Grundwerte in Amerika, sagen Kritiker entsetzt. Er stelle die Welt auf den Kopf.

Wer ihn wählte, der jubelt. Endlich halte ein Politiker Wort. Setze um, was er im Wahlkampf versprochen und bei der Vereidigung bekräftigt habe. So rasch wie angekündigt. Niemand glaubt heute noch, Trump werde im Weissen Haus extreme Positionen ablegen und milder regieren.

Der 45. US-Präsident schottet Amerika ab, will nicht länger Leuchtturm der freien Welt sein. Nicht mehr Zufluchtsort und Hort religiöser Freiheit.

Iraner für die Oscar-Party ausgesperrt

Ab sofort lassen die USA 120 Tage lang keine Flüchtlinge mehr in die USA. Für syrische Flüchtlinge sind die Grenzen für immer dicht. Bereits gestern wurden Schutzsuchende an US-Flughäfen abgewiesen. Während 90 Tagen dürfen Menschen aus sieben muslimischen Staaten nicht mehr in die USA reisen: Iran, Irak, Libyen, Somalia, Sudan, Syrien und Jemen.

Es hat bereits Folgen. Die ägyptische Airline Egypt Air verweigerte gestern in Kairo sechs Passagieren aus diesen Ländern den Flug nach New York.

Der iranische Filmemacher Asghar Farhadi (44) darf nicht an die Oscar-Verleihung nach Hollywood reisen. Obwohl er zu den Nominierten gehört.

Trump bringt die Welt aus den Fugen

Trump will so den «radikalen islamischen Terrorismus» stoppen. Nicht hingegen Bürger aus Saudi-Arabien. Dabei waren die meisten der 9/11-Terroristen Saudis. Doch mit Riad tätigt Trump Geschäfte.

Auch über ein Register für Muslime in den USA denkt der Präsident nach. Widerstand regt sich etwa seitens der einstigen US-Aussenministerin Madeleine Albright (79). Auf Twitter schreibt sie: «Ich wuchs katholisch auf, wurde Episkopale, fand heraus, dass meine Familie jüdisch ist. Jetzt bin ich bereit, mich aus Solidarität als Muslimin zu registrieren.»

Aus den Trümmern des Zweiten Weltkriegs hat sich seit 1945 ein weltweites System des Handels entwickelt. Binnen einer Woche brachte Trump es aus den Fugen. So zog er die USA aus dem Freihandelsabkommen mit pazifischen Staaten zurück. Statt dem grössten zollfreien Wirtschaftsraum beizutreten, isoliert er sein Land.

«Foltern funktioniert»

Per Dekret ordnete Trump an, eine Mauer entlang der 3100 Kilometer langen Grenze zu Mexiko zu errichten. 15 Milliarden Franken soll sie kosten. Finanzieren will Trump den Schutzwall mit Zöllen von 20 Prozent auf alle Importe aus Mexiko. Damit untergräbt er das Freihandelsabkommen Nafta mit Mexiko und Kanada. Mexikos Präsident Enrique Peña Nieto (50) sagte ein Treffen mit Trump ab.

Wie schon George W. Bush (70) bei dessen Amtsantritt 2001 strich Trump alle US-Gelder für Gruppen, die ausserhalb Amerikas Abtreibungen durchführen oder unterstützen.

Er werde den Geheimdienst und das Pentagon beauftragen, neue Richtlinien zu erarbeiten, wie mit gefangenen Terroristen umzuspringen sei. Für Trump ist klar: «Foltern funktioniert.»

Das erzürnt den republikanischen Senator John McCain (80). Er wurde als Soldat während des Vietnamkriegs gefoltert. Nun ist er der lautstärkste Gegner Trumps. «Der Präsident kann irgendein Dekret unterzeichnen, aber Gesetze gelten, wir bringen das Foltern nicht zurück», so der Senator aus Arizona.

Die Mexikaner putzen Häuser und ernten Gemüse

Er sei zudem «höchst besorgt» darüber, dass Trump das Freihandelsabkommen Nafta kippen möchte. Arizona grenzt an Mexiko und ist wie Kalifornien und Texas abhängig vom Handel mit Mexiko – sowie von Mexikanern, die Häuser putzen oder Gemüse ernten.

Weil seine Anhänger glauben, die Abschottung lindere ihre Not, macht Trump dicht. Sein Mantra – «Kauft bei Amerikanern! Stellt Amerikaner ein!» – soll aus Verlierern der Globalisierung wieder Gewinner machen.

Ökonomen hingegen warnen. Trump stürze die Welt in einen Handelskrieg. Zölle gegen Mexiko könnten andere Länder dazu verleiten, ebenfalls Handelsschranken zu errichten. Eine solche Spirale, das zeigt die Geschichte, führt zu Arbeitslosigkeit und negativem Wachstum.

Putin – Amerikas letzter Freund

Produkte aus Mexiko – Bier, Kühlschränke, Autos – würden mit Zöllen jährlich 60 Milliarden Franken mehr kosten. Spätestens dann werden Trumps Wähler merken, dass sie und nicht die Mexikaner die Mauer zahlen.

Ganz dicht macht Trump aber nicht. Mit Russlands Präsident Wladimir Putin (64) redet er über eine Lockerung der Sanktionen. Russland, einst als «Reich des Bösen» verteufelt, ist der letzte Freund von Trumps Amerika.

Weltweites Entsetzen
Politiker, Manager und Kirchenvertreter kritisieren Trumps Dekret scharf. Der US-Präsident will Menschen aus sieben Staaten im Nahen Osten nicht mehr einreisen lassen.

Am Freitag unterzeichnete Donald Trump (70) das Dekret zum «Schutz der Nation vor der Einreise ausländischer Terroristen in die Vereinigten Staaten». Bürgern aus sieben muslimischen Staaten verweigert er die Einreise. Flüchtlinge nehmen die USA vorerst gar nicht mehr auf.

Gestern setzte es heftige Reaktionen ab. Iran verhängte ein Einreiseverbot für Amerikaner. Sogar die Nato-Partnerin Türkei kritisierte die US-Regierung.

Google-Chef Sundar Pichai (44), selber Immigrant aus Indien, rief alle derzeit im Ausland weilenden Mitarbeiter zurück. Bis zu 100 muslimische Google-Angestellte könnten von Trumps Bann betroffen sein. Und Facebook-Gründer Mark Zuckerberg (32) formulierte seine Abscheu so: «Die Türe offen lassen und Menschen in Not helfen – das ist es, was wir tun.»

Auch der französische Aussenminister Jean-Marc Ayrault (67) und sein deutscher Amtskollege Sigmar Gabriel (57) gaben sich in Paris besorgt: «Flüchtlinge zu schützen, ist Teil unserer Pflicht.»

Mehr als 3000 US-Professoren verurteilen Trumps Dekret, darunter 18 Nobelpreisträger. Und auch christliche Organisationen stellen sich gegen Trump. «Er lässt die Abbruchbirne auf die Freiheitsstatue sausen», sagt Jen Smyers, Direktor der Flüchtlingsorganisation Church World Service.

Eine Parallele zum Holocaust zog Joyce Dubensky vom Tanenbaum Center für interreligiöses Verständnis: «Damals wie heute kann solche Politik ein Todesurteil sein.»

Über Telefon unterhielt sich Trump gestern mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (62). Ob das Immigrationsdekret dabei zur Sprache kam, ist nicht bekannt.