Business in der Krise

An der griechisch-mazedonischen Grenze blüht das Geschäft mit den Flüchtlingen. Derweilen bereitet sich Mazedonien auf eine Zunahme vor.

Von Peter Hossli (Text) und Pascal Mora (Fotos)

Mindestens sieben Tage will Giorgi (29) auf den Schienen ausharren. Er spricht Deutsch, lebt im mazedonischen Grenzort Gevgelija, einem Brennpunkt der Flüchtlingskrise. Giorgi fährt Taxi. Er gesteht: «Wie andere auch will ich an Flüchtlingen verdienen.»

Es ist Samstagnachmittag, Ende Januar, frühsommerlich warm. Giorgi blockiert mit 20 anderen Taxifahrern beim Bahnhof die Geleise, um den Zügen den Weg zum Durchgangscamp an der mazedonisch-griechischen Grenze zu versperren. Hunderte von Flüchtlingen warten dort auf die Reise nach Norden.

Täglich wollen 3000 Flüchtlinge über die griechisch-mazedonische Grenze. Ein solcher Ansturm bedrohe Europa langfristig, wie inzwischen viele glauben. Für das mausarme Mazedonien – Bruttosozialprodukt pro Person: 4840 Dollar – sind die Flüchtlinge auch ein Wirtschaftsfaktor. Die Fahrt nach Serbien kostet 25 Euro, ob im Zug oder im Taxi; 75000 Euro bringt der Flüchtlingsstrom täglich. «Davon wollen wir Taxifahrer die Hälfte», fordert Giorgi. «Die Regierung darf nicht sagen, alle müssen im Zug reisen.» Er kann mit Flüchtlingen 150 Euro pro Tag verdienen, so viel wie sonst pro Monat. «Ich will auch leben.»

Die Blockade löst eine Kettenreaktion aus auf der fragilen Balkanroute. Just schliesst die mazedonische Polizei die Grenze zu Griechenland. Das erzeugt einen Stau auf der griechischen Seite. Alle dreissig Minuten hält dort ein Bus mit fünfzig Flüchtlingen.

Ein Stacheldrahtzaun trennt Griechenland von Mazedonien, die EU vom Balkan. Mazedonische Spezialeinheiten patrouillieren. Einer der Soldaten richtet das Gewehr auf einen Pinzgauer, aus dem sieben Marokkaner steigen. Zuvor sind sie durch ein Loch im Zaun gekrochen. Die Armee hat sie abgefangen – und schafft sie sofort nach Griechenland zurück. Seit Wochen lässt Mazedonien nur noch Syrer, Afghanen und Iraker rein, «echte Flüchtlinge», sagt ein mazedonischer Polizist. «Die EU will keine Wirtschaftsflüchtlinge, wir machen, was die EU verlangt.»

Hunderte Pakistani und Marokkaner würden sie täglich abschieben. «Viele tragen gefälschte syrische Pässe auf sich», sagt der Polizist. Die seien in Griechenland günstig zu haben.» Was passiert mit den Marokkanern, die er eben zurückgeschickt hat? «Keine Ahnung.»

Im mazedonischen Durchgangscamp gibt es ein Café, ein Spital, eine Anwaltskanzlei. Wi-Fi ist gratis, ebenso Strom für Smartphones. Mazedonische Handwerker richten WC-Anlagen ein und Container mit 900 Betten.

Es eilt. «Das Land erwartet mehr Flüchtlinge 2015», sagt Jesper Jensen (61). Der Däne führt in einem Container den Unicef-Kinderhort. Auf bunten Stühlen sitzen Kinder, trinken kalte Schokolade, lachen vor dem Fernseher zu «Tom und Jerry» und «Pingu». «Ein paar Stunden können sie normal sein», sagt Jensen. «Es sind normale Kinder in einer abnormalen Situation.»
Meist dauert die Normalität nur kurz, dann fährt der Zug. Heute nicht. Es ist Abend in Gevgelija, noch immer sitzen Taxifahrer auf den Schienen. Also zeigt Jenson noch einmal «Pingu».