Die Schlacht der alten Milliardäre

Wie viele Zuwanderer verträgt die Schweiz? Wie halten wir es künftig mit der EU? Diese Fragen spalten das Land. Nun befeuert die Rasa-Initiative den Streit. Auch den zwischen zwei Superreichen.

Von Peter Hossli und Marcel Odermatt

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Beide sind in die Jahre gekommen, beide sind steinreich – und beide sehen sich als Feldherren. Sie wollen die wichtigste Schlacht der Schweiz gewinnen. Sie wollen das Verhältnis des Landes zu Europa klären.

Hansjörg Wyss (79) besitzt schätzungsweise elf Milliarden Franken. Die Familie von Christoph Blocher (74) nennt sieben Milliarden ihr Eigen.

Bauingenieur Wyss lebt in den USA und ist 2011 durch den Verkauf des Medizinalherstellers Synthes reich geworden. Er will die Schweiz näher an Europa führen.

Landwirt und Jurist Blocher lebt in Herrliberg ZH, ist dank Finanzgeschäften und dem Chemiekonzern Ems wohlhabend.

Vehement setzt er sich für eine Schweiz ein, die auf ewig Distanz zur Europäischen Union wahrt.

Beide wissen: Keine Frage ist für unser Land in den nächsten Jahren entscheidender als das Verhältnis zur EU. Für Wyss ist klar: «Wir dürfen die bilateralen Verträge unter keinen Umständen aufgeben.» Und: «Wir sind Europäer und wir sind Schweizer.»

 

blocher3Blocher kontert: «Die Schweiz kann die masslose Zuwanderung nicht verkraften.» Sonst «würde es der Schweiz schlechter gehen».

Einen ersten, wenn auch knappen Sieg errang SVP-Vizepräsident Blocher am 9. Februar 2014. Zur Initiative «Gegen Masseneinwanderung» sagten 50,3 Prozent Ja.

Bis Februar 2017 müssen Kontingente für die Zuwanderung aus Europa eingeführt werden. Was den bilateralen Verträgen zur Personenfreizügigkeit zwischen der Schweiz und der EU widerspricht.

Seither ist das Land gelähmt. Den Volkswillen zu respektieren und die Bilateralen zu behalten, gleicht der Quadratur des Kreises. Weder Bundesrat noch Parteien haben ein Rezept, um das Dilemma aufzulösen.

Die Notbremse
Nun aber holt der andere alte Milliardär zum Gegenschlag aus. Die von ihm finanziell grosszügig unterstützte Initiative «Raus aus der Sackgasse» (Rasa) ist diese Woche zustande gekommen. Sie verlangt, dass die Bestimmungen des SVP-Volksbegehrens aus der Verfassung gestrichen werden.

Wyss schlägt Blocher mit dessen eigener Waffe: der direkten Demokratie.

«Wir haben etwas gemacht, was sich weder Bundesrat noch Par­teien erlauben könnten», sagt der Zürcher Rechtsprofessor Andreas Auer (67) vom Rasa-Initiativkomitee. «Wir korrigieren rasch einen Entscheid des Volkes.» Erreichen will Auer, «dass das Volk nochmals darüber abstimmen kann, ob es die Bilateralen oder ob es Kontingente will».

Vor kurzem noch spottete Blocher über Rasa: «Professörlein» stünden hinter dem Anliegen, die sich «anmassen, Politik zu machen».

Doch Rasa brachte die nötigen 100000 Unterschriften weit rascher zusammen als erwartet. «Wir hatten Glück mit dem Wetter, das Team war sehr gut und der Inhalt fand Anklang», begründet Auer. Er und seine Mitstreiter haben ein Budget von 500000 Franken. Der grösste Einzelspender mit 150000 Franken: Hansjörg Wyss.

Die Gruppe ist ein Novum: eine politische Macht weitab von Par­teien und Verbänden, die sonst bei Initiativen und Referenden den Takt angeben. «Wir sind keine politische Partei, wir sind Bürgerinnen und Bürger, die gemerkt haben, dass sie etwas machen müssen», sagt Professor Auer. «Politisch sind wir keine Einheit, unsere Gesinnung reicht von mässig links bis mässig rechts.»

Eine Gruppe, die Blocher dessen bisherige Position streitig macht – der alt Bundesrat sieht sich als alleiniger Hüter des Volkswillens. Jetzt redet er, wenn er über Rasa spricht, von Zwän­gerei. «Wenn nach jeder Abstimmung grad sofort wieder versucht wird, das Abstimmungsergebnis ins Gegenteil zu kehren, wird die Demokratie zu Tode geritten.» Das sei «nicht gerade demokratisch».

Doch Rasa kam demokratisch zustande. Und Auer sieht seine Initiative nicht als Zwängerei, sondern als «Hilfsmittel – wir geben dem Bundesrat eine Waffe in die Hand». Laufe alles schief mit der EU, «dann haben wir jetzt diese Notbremse, welche die Behörden jederzeit ziehen können». Stossen die Diplomaten in Brüssel auf Granit, sagt Auer, könnte das Volk über Rasa ab­stimmen.

EU: Ja oder Nein
Dem widerspricht Blocher vehement. Er ergreift Partei für den Bundesrat und die Diplomaten, die in Brüssel feilschen. «Für die Schweizer Verhandlungsdelega­tion ist Rasa ein Rückenschuss.»

Er beharrt darauf: «So oder so muss die beschlos­sene Verfassungs­bestimmung zur Begrenzung der Zuwanderung durchgesetzt werden.»

Wyss zieht im Hintergrund die Fäden. Er hat der Initiative den wichtigen finanziellen Anstoss gegeben und dürfte den Abstimmungskampf mittragen. Wyss sagte aus den fernen USA zu BLICK: «Die Schweiz gehört zur EU.» Und präzisiert: «Das heisst nicht, dass wir Mitglied werden müssen. Aber wir sind so eng mit ihr verbunden, dass wir faktisch schon dazugehören.»

Für Blocher ist das ein Schreckens-Szenario: «Landen wir in der EU, wird die Schweiz verarmen.»