George Bushs Geheimwaffe

Im Irak wird die Situation für die Amerikaner täglich schlechter. In Washington wird die Kritik am Präsidenten lauter. Erstmals seit seinem Amtsantritt ist George W. Bush in Schieflage geraten. Um die drohende Wahlniederlage abzuwenden, heuert der US-Präsident seine treuste Gefährtin an. Für ein Monatsgehalt von 15 000 Dollar beauftragt er Ex-Beraterin Karen Hughes, sein Image aufzupolieren.

Von Peter Hossli

Kurze, wackelige Videobilder haben die USA verändert. Sie zeigen, wie ein irakischer Mob die Leichen von vier amerikanischen Söldnern bestialisch verstümmelt. Die Bilder rückten den Horror der Situation im Irak ins amerikanische Bewusstsein. Seither drucken Zeitungen, was sie während des Irak-Kriegs nie taten: Fotos toter Amerikaner.

Und es gibt viele Tote. Über siebzig US-Soldaten sind in den ersten zwölf Apriltagen im Irak gefallen. Hinzu kommen etliche Geiselnahmen. Politische Kommentatoren ziehen bereits Parallelen zum Vietnamkrieg. Wie eine dunkle Wolke hängt das V-Wort über dem Land. Senator Ted Kennedy brandmarkt den Krieg als Bushs Vietnam.

Auch sonst steckt Bush momentan vornehmlich Rückschläge ein. So enthüllte die 9/11-Kommission ein präsidiales Memo vom 6. August 2001. Dessen viel sagender Titel lautet: «Bin Laden ist entschlossen, innerhalb der USA zu attackieren.» Vorletzte Woche warf der einstige Terrorismusberater Richard Clarke dem Präsident ein zögerndes Vorgehen gegen Terroristen vor. Zu alldem steigt auch noch der Benzinpreis.
So viel Ungemach spiegelt sich in den Umfragen. Würde heute gewählt, würde Bush gegen den Demokraten John Kerry verlieren, schreibt das Magazin «Newsweek». Das Pew-Institut ermittelte, nur noch 43 Prozent würden positiv über Bush denken. Rutscht dieser zentrale Messwert während des Wahljahrs unter fünfzig, sagen Analysten, drohe dem Präsidenten die Abwahl.

Die «hohe Prophetin» sitzt im Zentrum der Macht

Diese soll nun Karen Hughes, 46, abwenden. Sie ist wie Bush eine fromme Christin aus Texas und seit 1994 fast unaufhörlich an dessen Seite. Hughes gilt als Meisterin des «spins», der meinungsbildenden Verdrehung. Angesichts der verhärteten politischen Fronten und der fast ausschliesslich von «Spin-Doktoren» geprägten Diskussion scheint sie ideal, das angekratzte Image Bushs zu schönen. Sie wird seine Reden verfassen und seine Auftritte koordinieren und am Fernsehen sprechen. Ihre erste Amtshandlung: Sie riet dem angeschlagenen Bush diese Woche, zur Primetime eine Pressekonferenz abzuhalten.

Hughes agiert an der Seite von Karl Rove, Bushs vermeintlich genialem Chefstrategen. Da Rove ständig Krisenmanagement betreiben muss, kommt sein Wahlkampf bisher kaum richtig auf Touren. Die Rückkehrerin Hughes, angeblich Rove spinnefeind, soll dies ändern. Wegen ihm hätte sie vor zwei Jahren Washington verlassen, lautet das Gerücht. Die einstige Journalistin gab sich damals harmonisch und sagte, sie brauche mehr Zeit für die Familie.

Hughes sitzt im Zentrum der Macht. Bush nennt sie ehrfürchtig die «hohe Prophetin». Der Präsident schenke niemandem ein offeneres Ohr als der Tochter eines Army-Generals, heisst es in Washingtoner Insiderkreisen. Sie verfasste grosse Teile der Autobiografie von Bush. Zwar zerzauste die Kritik das Buch als Wahlpropaganda, der republikanischen Basis gefiel hingegen das Bild des gottesfürchtigen und rustikalen Leaders sehr. Während des Wahlkampfes und später im Weissen Haus redigierte sie Reden und hielt unliebsame Journalisten fern, wohlgesinnten öffnete sie Tür und Tor.

An einer öffentlichen Lesung in New York wurde sie unlängst als «mächtigste Frau der Welt» eingeführt. Hughes signierte in einem Buchladen ihre Autobiografie «Ten Minutes From Normal» – und machte aus dem Anlass prompt einen Kampagnenstopp.
«Ich liebe diesen Mann», sagt Karen Hughes über ihren Boss

In einen konservativen Hosenanzug gekleidet, pries sie ihren einstigen und neuen Boss als «loyal, stark, entschlossen und familienfreundlich». Sie wehrte souverän und blitzgescheit jede kritische Frage ab – und erntete tosenden Applaus.

Bei allem, was sie sagt, peilt sie dasselbe Ziel an: das Wohlergehen Bushs, dem sie zweimal half, den Gouverneursposten von Texas zu erobern. «Ich liebe diesen Mann», sagte die Mutter eines Teenagers. «Seine Wiederwahl ist meine höchste Priorität.»
Wer diese gefährdet, wird entwaffnet. Clarkes Ansichten seien weit von der Wahrheit entfernt. Sie müsse es ja wissen. «Ich war immer in Bushs Nähe, Clarke nicht.» Der Feldzug im Irak, versicherte Hughes, hätte der Präsident wegen einer «echten Bedrohung» lanciert und nicht, wie Clarke behauptet, lange im Voraus geplant.

Kritikern, die ihr Buch als PR-Broschüre abtun, entgegnet sie mit einem Bush-Werbespot. «Mein Buch ist keine typische Washington-Story», sagt sie. «Es handelt von einer normalen Frau, die zwischen Karriere und Familie steht und das Glück gehabt hat, dem besten Boss der Welt begegnet zu sein.»

Kein demokratischer Spin-Master tritt auch nur annähernd so selbstsicher auf wie Karen Hughes. Am Fernsehen, dem Medium, das Amerika informiert, wirkt sie besonders gut. In einem Interview mit CNN-Talker Larry King kanzelte sie den Vietnam-Vergleich eloquent als «unverantwortlich» ab.

Dann unterstrich sie mit einer eigenen Vietnam-Analogie ihre kommunikative Brillanz. «Wir alle erinnern uns an Vietnam», holte sie aus. Die USA hätten verloren, weil die Politiker den Generälen in den Rücken fielen. Das müsse jetzt verhindert werden. Bush unterstütze die Generäle nämlich in allen Belangen. Will heissen: im Gegensatz zu Kennedy.

Die neuen Bestseller: Politische Bücher

Vorletzte Woche sind die Memoiren von Bush-Beraterin Karen Hughes erschienen. Bereits jetzt steht «Ten Minutes From Normal» an zweiter Stelle der Sachbuch-Bestsellerliste der «New York Times». Nur das Enthüllungsbuch von Terrorspezialist Richard Clarke, «Against All Enemies», verkauft sich besser. Politische Bücher verzeichnen Rekordumsätze. Innerhalb einer Woche ist «Against All Enemies» 170 000-mal verkauft worden, und Sony Pictures hat sich die Filmrechte gesichert. Auf Clarke und Hughes folgen in den Topten sechs weitere politische Bücher, wobei nur gerade eines dem Präsident wohlgesinnt ist. In «Deliver Us From Evil» begrüsst der konservative Radio-Talker Sean Hannity den Krieg gegen den Terror. Die anderen kritisieren Bush. John Dean zieht mit dem Präsidenten am schärfsten ins Gericht. In seinem Buch «Worse Than Watergate» beschreibt er Bush als so hintertrieben wie Nixon. Der «Washington Post»-Journalist Bob Woodward hat einst den Watergate-Skandal aufdeckt. Sein neues Buch zum Irak-Krieg, «Plan of Attack», erscheint am 20. April und soll voller brisanter Details sein – und dürfte Clarke von der Spitze der Bestsellerliste verdrängen.