Der Präsident kommt aus dem Bush

Lange ignorierte Bush jr. den Vertrauensverlust in die US-Wirtschaft wegen der Manipulationen. Jetzt regt sich was. Der Präsident wettert gegen willkürliche Unternehmer und verspricht Abhilfe. Zu spät, sagen seine Kritiker. George W. Bush mangle es an einer griffigen Wirtschaftspolitik. Er sei mitschuldig am Vertrauensverlust in die US-Wirtschaft - zumal er als Geschäftsmann selbst in Bilanzfälschungen involviert gewesen war.

Von Peter Hossli

Vor der routinemässigen Darmspiegelung liess George W. Bush seinem Ärger freien Lauf. Nicht zulassen werde er, dass eine «unmoralische Minderheit das Unternehmertum besudelt», sagte er letzten Samstag. Dann liess er sich betäuben.

Bush schlafe schon lange, klagen demokratische Politiker. Selbst nach dem Kollaps von Enron habe er sich gegen strengere Buchführungsregeln gestellt. Viel zu lange ignorierte der Präsident, wie sehr die Firmenmanipulationen an der Wallstreet dem Image der US-Wirtschaft schade, das Vertrauen trübe und die Investoren aus Amerika verjage.

Aufgeschreckt von dieser Kritik, kündigten Bushs Berater an, der Präsident werde am 9. Juli eine «wichtige Rede über die Verantwortung der Unternehmen» halten (siehe Box).

Bush ist kaum geeignet aufzuräumen. Er selbst war in Bilanzfälschungen und Insidergeschäfte involviert, wie das «Wall Street Journal» im März nachwies. Als Verwaltungsrat von Harken Energy sass er im Buchhaltungskomitee. Damals verlor die Firma Geld und versteckte die Verluste. Kurz bevor das bekannt wurde, verkaufte Bush seine Aktien. Laut der Börsenaufsichtsbehörde SEC hatte er Insidergesetze verletzt, entging aber einer Anklage.

Dabei wäre ein Vertrauensschub dringend nötig. Der Währungshändler George Soros sprach in einem Interview im «Wall Street Journal» von «Bushs Bären-Börse». Bis anhin sei der Präsident an Massnahmen gegen die Betrügereien «offensichtlich nicht interessiert» gewesen. Wer Geld habe, so Soros, habe das Vertrauen in Bush verloren – und werde seine Ersparnisse aus den USA abziehen.

Nicht zuletzt deswegen befindet sich der Dollar auf dem tiefstem Niveau seit zwei Jahren, was die US-Wirtschaft neben den Skandalen zusätzlich bedroht. Zwar stärkt die schwache Währung die Exportindustrie. Im Gegenzug heizt sie die Inflation an; die USA importieren weit mehr als sie exportieren. Ein tiefer Dollar trübt zudem die Konsumlust, die Lokomotive der US- wie der Weltwirtschaft. Wenn es nicht bald gelinge, die Wirtschaft anzukurbeln, könnten Dollar und Aktien «viel tiefer» fallen, so Soros.

Bushs Truppe von «Opportunisten», nur auf den politischen Profit bedacht

George Bush fehle der griffige Plan, sagt der Princeton-Professor Paul Krugman. Trotz persönlicher Mängel habe Vorgänger Bill Clinton eines nie aus den Augen gelassen – das Wohlergehen der US-Wirtschaft. Bush und dessen Crew hingegen seien «Opportunisten», die jede Möglichkeit nutzten, politisch Profit zu schlagen – egal, wie sehr die Wirtschaft leide.

Mit Importzöllen auf Stahl und Zucker geht Bush etwa auf Stimmenfang – und diskreditiert die USA damit als Advokat des freien Handels. «Unsere Finanzen sind in totaler Unordnung», griff letzte Woche der texanische Parlamentarier Jim Turner überdies Bushs Finanzhaushalt an. Schuld seien «politisch motivierte» und «unverantwortliche» Steuergeschenke. In einer Notaktion musste das Repräsentantenhaus die Schuldenlimite der Regierung just um 450 Milliarden auf 6,4 Billionen Dollar erhöhen – sonst stünde die Supermacht jetzt still.

Einigen Mitgliedern der Bush-Administration hängt überdies der Makel an, zuvor als CEO geamtet zu haben. Abgesehen von katholischen Priestern hat kein anderer Berufsstand in jüngster Vergangenheit so sehr an Ansehen eingebüsst.

Wie sehr das Vertrauen schwindet, belegt eine jüngst vom Pew Institute durchgeführte Umfrage. Demnach heissen noch 53 Prozent der Amerikanerinnen und Amerikaner Bushs Wirtschaftspolitik gut – im Januar waren es 60 Prozent gewesen. Noch 30 Prozent glauben, die Wirtschaft werde sich in den nächsten 12 Monaten erholen. Nur noch 42 Prozent sind der Meinung, Bush unternehme, was er könne. Vor sechs Monaten waren noch 48 Prozent dieser Meinung.

Setzt sich der Trend fort, riskiert Bush Junior ein Déjà-vu. Nach dem Golfkrieg kümmerte sich sein Vater nur noch um die Aussenpolitik. Der Vorwurf, die Wirtschaft zu ignorieren, kostete den Senior 1992 die Wiederwahl. Inzwischen haben noch mehr Amerikaner – mehr als die Hälfte – einen Teil ihres Vermögens an der Börse investiert. Und es schmilzt stetig.

Deshalb gewinnt Harry Trumans alte Weisheit einmal mehr Anklang. Der demokratische US-Präsident, zwischen 1945 und 1953 im Amt, sagte: «Wer wie ein Republikaner leben will, wählt Demokraten.»

Der Bush-Plan

Mit unterschiedlichen Ansätzen soll das Vertrauen in die US-Wirtschaft gestärkt werden: Ein im Senat von den Demokraten unterbreitetes Gesetz will striktere Buchhaltungsregeln einführen. Präsident Bush will am 9. Juli die Gründung eines Komitees ankündigen, das die Treuhänder überwacht, aber nicht reguliert. Das nächste Woche im Senat debattierte Gesetz sähe das Ende der Selbstregulierung der amerikanischen Treuhänder vor. Es würde eine völlig neue, von der SEC eingesetzte Behörde schaffen, das Public Company Accounting Oversight Board (PCAOB). Dieses hätte eine weit reichende Macht. Sämtliche Buchhaltungsfirmen – auch in den USA tätige ausländische – müssten sich bei der PCAOB registrieren lassen. Die fünfköpfige Kommission, der nur zwei Buchhalter angehören dürfen, setzt die neuen Regeln frei fest. Im Übrigen verfüge sie über die Macht, Firmen, die sich nicht an die Regeln hielten, mit Bussen zu bestrafen oder zu schliessen. Das Gesetz verlangt überdies, dass «unfähige Manager» nicht mehr zugelassen werden.