Die alte Tante bleibt stur

Zum Aufstand der Aktionäre an der NZZ-GV kam es nicht – doch die Turbulenzen gehen weiter.

Von Peter Hossli

Samstagvormittag am Zürichsee, die «Neue Zürcher Zeitung» (NZZ) lädt zur Generalversammlung. Die Herren Aktionäre tragen dunkle Anzüge, die Damen sind frisch frisiert. Markus Spillmann (47) – braun gebrannt, schlank – hetzt ins Kongresshaus. Der Ex-Chefredaktor ignoriert angriffige Flugblätter einzelner Aktionäre. Stadtrat Filippo Leutenegger (62) wechselt jovial Worte mit Reportern. Ex-Wegelin-Banker Konrad Hummler (62) weicht aus. Amtierende und einstige FDP-Nationalräte sind da: Ruedi Noser (53), Franz Steinegger (72), Ulrich Bremi (85). Als Letzter betritt Pietro Supino (49) das Kongresshaus, der Verwaltungsratspräsident von NZZ-Konkurrent Tamedia.

Für einen angekündigten Aufstand sind sie da. Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung sollen die Entlastung nicht erhalten. NZZ-Präsident Etienne Jornod (62) soll abgewählt, sein CEO Veit Dengler (46) abgesetzt werden. Als Quittung für rote Zahlen; eine fehlende Strategie; den missglückten Versuch, Chefredaktor Markus Somm (50) von der «Basler Zeitung» zur NZZ zu holen; für die hastige Schliessung der Druckerei.

Passiert ist gestern aber – nichts. Es bleibt, wie es immer war. Die alte Tante? Stur und standhaft wie eh und je.
Die Aktionäre entlasteten die Gremien, wählten Jornod mit Glanzresultat, verwarfen die Idee, die Amtszeit der Verwaltungs­räte auf ein Jahr zu begrenzen. «Die Situa­tion ist schwierig genug, da hat man sich für Kontinuität entschieden», sagt der ehemalige Leiter NZZ-Format Wolfgang Frei (67). Er gehört zur Gruppe «Wahre Freunde der NZZ». Diese wollen den Neuenburger Jornod und den Österreicher Dengler loswerden.

Die Aktionäre hoffen, die GV glätte die Wogen – nach einem monatelangen Drama um das 1780 gegründete freisinnige Weltblatt. Chefredaktor Spillmann verlor seinen Posten. Die Redaktion rebellierte gegen Somm. Von vereitelten Putschen und Verschwörungen war die Rede. Alt Bundesrat Christoph Blocher (74) wolle die NZZ vereinnahmen, heisst es zudem. Mit der GV seien die Turbulenzen nicht vorbei, sagt eine Person, die der NZZ sehr nahe steht. Sie will anonym bleiben. «Es gibt keine kommerzielle Strategie.» Jornod setze allein auf die Publizistik. «Das macht die NZZ aber seit 235 Jahren.» Konkurrenten Ringier und Tamedia dagegen hätten mit «dem Einsatz von sehr viel Geld» eine digitale Strategie entwickelt. «Genau das fehlt der NZZ.»

Und: «Mit Dengler und Jornod stehen zwei an der Spitze, die keinen Bezug zu Zürich haben», sagt der Insider. «Sie wissen nicht, wie man Medienunternehmen führt, wie man die Werte der NZZ verkauft.» Dazu gehöre hochwertiger Journalismus und eine staatspolitische Aufgabe. Der wichtigste Wert? «Die Glaubwürdigkeit.» Die habe in den letzten Monaten schweren Schaden genommen. «Mich riefen Menschen aus dem Ausland an, fragten: ‹What’s going on with NZZ?›» – Was ist nur los mit der NZZ? «Das Image hat eine kaum heilbare Schramme.»

Das grösste Problem aber: Der NZZ schmilzen die Umsätze weg. In den Nullerjahren verkaufte die Zeitung 13 000 Anzeige-Seiten pro Jahr, heute seien es 3500. «Ohne Nebeneinkünfte ist es kaum möglich, die teure Art von Journalismus zu finanzieren», sagt der Insider. «Wirtschaftlicher Erfolg ist eine Vo­raussetzung, es ist nicht das Ziel.»

Die Gegner der NZZ-Führung sind sich uneins. Die einen wollen die Immobilien verkaufen, andere politisch weiter nach rechts rücken, die dritten Gewinn machen.

Sarkastisch «Weltwoche»-Me­dienkritiker Kurt W. Zimmermann auf Twitter: «Die GV der NZZ nüchtern zusammengefasst: Die Aktionäre sind begeistert, dass die NZZ-Spitze auch 2015 wieder hohe Verluste schreibt.»