Interview: Peter Hossli und Adrian Meyer Fotos: Philippe Rossier
Charlie Duke (78) landete Apollo 16 am 21. April 1972. Duke war damals 36 – und der jüngste Mann im Mond. Auf Einladung von Swiss Apollo weilt er diese Woche an der Airshow in Payerne. Der Verein erinnert an den Schweizer Beitrag zu den Apollo-Missionen.
Mister Duke, wie hoch können Sie springen?
Charlie Duke: Auf der Erde einen Fuss.
Das sind 30 Zentimeter. Und wie hoch sprangen Sie auf dem Mond?
Etwa vier Fuss.
Das ist nicht gerade viel.
Ohne Raumanzug hätte ich sechsmal höher springen können.
Ihre Sprünge waren berüchtigt.
Einmal fiel ich auf die Nase, da brauchte es ein paar Liegestützen, um wieder auf die Beine zu kommen. Gefährlicher war es, als ich bei einem Sprung die Balance verlor und auf den Rücken fiel. Mir verschlug es den Atem.
Wie haben Sie das überlebt?
Meine Angst setzte reichlich Adrenalin frei. Das gab Kraft. Dank des Trainings geriet ich nie in Panik.
Erlebten Sie Angst auf dem Mond anders als auf der Erde?
Nein. An beiden Orten floss bei mir jeweils viel Adrenalin.
Die Angst ums Leben war gleich?
Wenn du tot bist, bist du tot, egal ob auf dem Mond oder auf der Erde. In Kampfjets erlebte ich ähnliche Todesängste wie auf dem Mond.
Sie fielen in den Mondstaub. Wie riecht er?
Beim Fallen roch ich nichts. Der Anzug ist völlig dicht. Im Raumschiff aber berührte ich Staub. Der Mond riecht wie Schiesspulver. Der Staub ist ganz trocken und saugt das Fett an den Fingern auf.
Wie sieht der Mond von nah aus?
Sehr schön, sehr dramatisch. Seine Oberfläche ist rau und voller grauer Schattierungen. Er scheint rein und unberührt. Der Staub ist fein.
Wie erlebten Sie das Licht?
Die Sonne schien immer, als wir oben waren. Wir hatten ständig beide Visiere unten, um die -Augen zu schützen. Sogar im Schatten eines Felsens ist es grell. Wir sehen den Mond auf der Erde ja nur, weil er viel Sonnenlicht reflektiert.
Sie alberten auf dem Mond ziemlich rum. Waren Sie so seriös wie Ihre Vorgänger?
Sicher. Zudem hatten wir Spass und verknüpften den Auftrag mit der Freude, auf dem Mond zu sein. Wir lebten den Enthusiasmus.
Andere Astronauten bestaunten den Mond, Sie genossen ihn?
Die anderen waren wenige Stunden dort, wir drei Tage. Für sie war das Erlebnis absolut neu. Sie mussten vorsichtig sein. Bei späten Flügen wie unserem fühlten wir uns sicherer.
Die Missionschefs in Houston rüffelten Sie mehrfach.
Als ich in die Höhe sprang und auf den Rücken fiel, war Houston ziemlich wütend. Sie verboten mir weitere Mond-Sprünge.
Sie liessen Experimente im Wert von 10 Millionen Dollar fallen!
Und die Kamera übertrug es live nach Houston. Das war mir peinlich. Zum Glück ging nichts -kaputt.
Warum schafften es bisher nur Amerikaner auf den Mond?
Die Russen wollten unbedingt rauf. Als sie merkten, dass wir sie schlugen, gaben sie auf.
Dann ging es den USA vor allem darum, die Russen zu schlagen?
Nicht nur. Die Wissenschaft profitierte viel. Mondflüge vergrösserten das Grundlagenwissen. Und sie trieben technische Entwicklungen an.
Die USA gab auf dem Mond viel Geld aus, mit magerem Resultat.
Auf dem Mond wurde kein Geld ausgegeben – sondern auf der Erde. Wir schufen 400 000 Jobs. Sehe ich Ihr iPad, weiss ich: Da steckt Technik drin, welche die Mondflüge ermöglichten.
Letztlich waren diese Flüge vor allem ein Teil des Kalten Kriegs.
Es ging ums Prestige. Die Russen abzufangen, motivierte uns. Sie waren zuerst im All. Wir mussten zuerst auf dem Mond sein.
Wie erlebten Sie es, auf dem Mond zu stehen?
An den Füssen spürte ich nichts. Als ich um mich schaute, niemanden sah, kein Hund rannte, ich diese umwerfende Einsamkeit wahrnahm, da befiel mich tiefe Ehrfurcht. Noch heute erinnere ich mich an jeden Schritt von damals.
Vermissen Sie dieses Gefühl?
Oh ja, ich würde gerne zum Mond zurückkehren.
Könnten Sie das überhaupt?
Physisch schon, aber die USA fliegt derzeit nicht zum Mond. Ohne Russen schaffen es die Amerikaner nicht mal mehr zur Raumstation.
Haben Sie ähnliche Ehrfurcht auf der Erde erlebt?
Als ich den Grand Canyon sah.
Warum nahmen Sie ein Foto Ihrer Familie mit auf den Mond?
Wir wohnten in Houston, aber ich trainierte in Florida. Unter der Woche war ich nie zu Hause. Als ich zum Mond flog, waren meine Buben vier und sechs. Ich sagte: «Ich nehme euch mit auf den Mond.» Ein Nasa-Fotograf knipste uns im Garten. Auf die Rückseite des Fotos schrieb ich: «Das ist die Familie von Astronaut Charlie Duke, Planet Erde, der im April 1972 auf dem Mond landete.» Ich schweisste das Foto in Plastik ein. Auf meinem letzten Spaziergang liess ich es an einem unberührten Ort fallen. Dort liegt es wohl noch.
Wie hat der Mondflug Ihren Körper verändert?
Er wurde leichter. Ich verlor vier Kilogramm Gewicht, die Knochenmineraldichte schrumpfte. Meine Ausdauer nahm um 20 Prozent ab. Nach einem Tag auf der Erde war ich aber fast wieder voll fit.
Was passierte in Ihrem Innern?
Ein spirituelles Erlebnis hatte ich nicht. Auf dem Mond dachte ich an meinen Auftrag, nicht an die Anfänge des Universums. Die Zeit, an Gott und den Sinn des Lebens zu denken, fehlte mir.
Heute sind Sie sehr religiös.
Dass es Gott gibt, dachte ich immer. Lange war diese Beziehung nicht persönlich. Nach dem Mondflug war ich glücklich, das geschafft zu haben. Doch die Ehe zu meiner Frau stand kurz vor der Scheidung. Sie dachte daran, sich umzubringen. Dann wurde sie gläubig.
Und Sie?
Ich fragte mich, was ich nach dem Mond tun soll. Ich entschied mich für Gott. Das gab mir einen inneren Frieden, den ich zuvor nie hatte.
Gott ist wichtiger als der Mond?
Er füllte eine Leere nach dem Mondflug. Drei Tage spazierte ich auf dem Mond. Es ist eine -Erfahrung, die ich nie hergeben würde. Aber mein Spaziergang mit Gott währt immer.
Heute ist die Raumfahrt nicht mehr so beliebt. Warum?
Da bin ich mir nicht so sicher. Ich treffe viele begeisterte Menschen.
Zumindest wollen 10 000 Personen beim Projekt «Mars One» mitmachen. Vorgesehen sind Mars-Flüge ohne Rückkehr. Was halten Sie davon?
Wir müssen die Erde nicht verlassen, um den Mars zu bevölkern. Es macht wenig Sinn, im Raumanzug zu leben. Es wäre toll, zum Mars zu fliegen. Aber irgendwann muss man wieder zurückkommen. Ich wollte nie auf dem Mond bleiben. Buzz -Aldrin aber würde die Einweg-Reise zum Mars sofort antreten.
«Mars One» ist privat. Warum reduziert die US-Regierung ihr Raumfahrtprogramm?
Das ist traurig, zumal wir unseren technologischen Vorsprung verlieren werden. Hoffentlich erhält die Nasa bald wieder genug Geld, um ins All zurückzukehren.
Wie haben Sie von Ihrem Mondflug profitiert?
Wenig. Es war nie mein Ziel, ein Held zu werden. Es ging mir ums Abenteuer, ich wollte Neues entdecken. Nach der Rückkehr waren wir plötzlich Helden. Einige Astronauten hatten Mühe damit. Neil Armstrong wollte nie einen Vorteil, weil er der erste Mensch auf dem Mond war. Deshalb zog er sich zurück.
Und Sie selbst?
Gerne rede ich mit anderen über meine Erlebnisse – und motiviere sie, Grosses anzupeilen. Sie hören mir zu, weil jeder Aussergewöhnliches erreichen möchte. Wer dachte schon, dass ein einfacher Junge aus South Carolina wie ich einmal auf dem Mond spazieren würde?
Einige Ihrer Kollegen fielen nach der Reise zum Mond ins Loch.
Depressiv wurde nur Buzz Aldrin. Er begann zu trinken. Die meisten von uns wussten nachher nicht, was sie tun wollten. Zuerst scheffelte ich Geld. Das stillte mein inneres Verlangen nicht. Frieden fand ich erst mit Gott.
Was denken Sie, wenn Sie heute denn Mond sehen?
Wie schön er ist. Es ist ein tolles Gefühl zu wissen, dass ich da oben war. Bei Vollmond sehe ich die Gegend, wo wir landeten. Das bringt Erinnerungen zurück. Zudem bin ich stolz, was die USA erreicht hat.
Sie waren als Zehnter auf dem Mond. Was ist Ihr Vermächtnis?
Einer von zwölf Menschen auf dem Mond zu sein. John Young und ich waren die Einzigen, die auf dem Hochplateau des Mondes landeten. Unsere Experimente waren erfolgreich. Und wir sammelten einzigartiges Mondgestein. Damit zeigten wir: Der Mond entstand nicht durch Vulkane. Als alter Mann geniesse ich es, Junge zu inspirieren.
Was soll auf Ihrem Grabstein stehen?
Das war ein Mann, der das Leben genoss. Er liebte und diente Gott.