Die heimlichen Wohltäter

Warum sagen Vasella & Co nicht, wohin ihre Spenden fliessen? Sie können dem amerikanischen Vorbild folgen.

Von Peter Hossli und Claudia Gnehm

Einige Schweizer Manager tragen schwindelerregende Löhne nach Hause. Selbst die Gegner der Abzocker-Initiative wissen das. «Die Masslosigkeit setzt den sozialen Zusammenhalt aufs Spiel», sagt Economiesuisse-Präsident Rudolf Wehrli. Und: «Hohe Löhne bringen eine höhere Verantwortung mit sich.» Er kritisiert: «Wir haben aus den USA zwar die grossen Löhne übernommen, nicht aber die Kultur des Mäzenatentums.»

Zumindest weiss keiner davon. «Uns fehlt diese Kultur des sichtbaren Mäzenatentums», sagt Wehrli. Wenn überhaupt, spenden Top-Verdiener in der Schweiz heimlich.

SonntagsBlick fragte Novartis, Nestlé, Credit Suisse, UBS, Swatch und Roche, wo Chefs und VR-Präsidenten spenden. Die Antwort war überall dieselbe: «Das ist Privatsache.» Schweizer Manager sind, wenn überhaupt, Wohltäter ohne Transparenz.

Etwa Daniel Vasella (59). Jüngst sagte der Novartis-Präsident im SonntagsBlick, seine Familie habe einen «zweistelligen Millionenbetrag» gespendet. Ob auch an die von ihm kontrollierte Stiftung Aldava oder andere, ist nicht bekannt. Fest steht: Novartis hat die Stiftung mit 4,5 Millionen Franken ausgestattet.

Im Verborgenen spendet auch Josef Ackermann (65), Ex-Chef der Deutschen Bank, heute VR-Präsident der Zurich: «Es ist selbstverständlich, dass ich Geld für soziale Zwecke spende. Aber das muss man ja nicht an die grosse Glocke hängen.»

Sogar ob Nestlé-Präsident Peter Brabeck-Letmathe (68) überhaupt spendet, ist geheim. «Ich glaube nicht, dass ich der Gesellschaft etwas zurückgeben muss, weil ich ihr auch nichts gestohlen habe», sagte er einst. Zumal er ja Werte für Aktionäre und die ganze Gesellschaft schaffe – sowie für sich selbst. Brabeck verdiente einst 8,9 Millionen Franken. Sein Vermögen wird auf 150 Millionen geschätzt.

Anders das Bild in den USA, ein Land mit höheren Gehältern und grosszügigeren Spendern. Dort gehört das Teilen bei Reichen zum guten Ton. Spitäler tragen Namen von Wohltätern, ebenso Lehrstühle, Museen und Konzertsäle. Milliardäre wie Bill Gates (57), George Soros (82) oder Warren Buffett (82) bekämpfen Krankheiten, enthüllen Menschrechtsverletzungen, fördern Kunst. Selbst junge Milliardäre wie Mark Zuckerberg verschenken Geld. Letztes Jahr überwies der Facebook-Gründer an eine Stiftung 498 Millionen Dollar für Stipendien.

Noch zu Lebzeiten gibt mancher Amerikaner sein ganzes Geld weg. Kinder sollen dereinst selbst etwas aufbauen. «Es ist mein Ziel, dass der letzte Scheck an den Bestatter ungedeckt ist», sagte New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg (70). Sein Vermögen beträgt 25 Milliarden Dollar, verdient mit einem Medienunternehmen. Dieses Jahr spendete er bereits 350 Millionen Dollar für die Forschung.

All das ist öffentlich. Weil US-Wohltäter sich mit ihren Gaben brüsten – und Transparenz als Fundament des demokratischen Systems gilt. Jeder soll sehen, wer was zahlt, auch bei politischen Spenden. Im Gegensatz zur Schweiz, wo selbst politische Einflussnahme geheim bleibt.

Während in Europa die Wohltaten dem Staat zugeschrieben werden, übernehmen in den USA die Reichen diese Aufgabe. Ihre Spenden ziehen sie von den Steuern ab.

Perfekt ist dieses System nicht. Reiche spenden vor allem an private Institutionen, auf die können sie bei Bedarf Einfluss nehmen. Öffentliche Schulen oder Spitäler hingegen darben.