“Ich bringe Politik & Finanzbranche wieder zusammen”

Credit-Suisse-VR-Präsident Urs Rohner über die Aussichten seiner Bank, den Steuerstreit mit den USA – und warum die Amerikaner die vorbildliche Schweiz belächeln.

Interview: Peter Hossli und Claudia Gnehm

Herr Rohner, Sie besuchen diese Woche das Weltwirtschaftsforum in Davos. Was sind für Sie aktuell die grössten Herausforderungen der Weltwirtschaft?
Urs Rohner: Die Bewältigung der Schuldenkrise der Staaten. Zudem braucht es wieder nachhaltiges Wachstum, und zwar nicht nur in Asien und Amerika, sondern auch in Europa.

Wie lange muss die Schweizerische Nationalbank den Mindestkurs des Franken zum Euro noch halten?
Es liegt nicht an mir, das zu beurteilen. Es ist aber zu einer Entspannung gekommen. Die Nationalbank musste in den letzten Monaten weniger intervenieren.

Wie beurteilen Sie die Aussichten der Credit Suisse für 2013?
Es ist schwierig, das nach nur einem Monat zu sagen. Aber ich bin zurückhaltend positiver als 2012. Die Gefahren sind geringer geworden, die Unsicherheiten kleiner. Deshalb glaube ich: 2013 wird ein besseres Jahr.

Gereizt ist in der Schweiz die Diskussion um den Schweizer Finanzplatz.
Ja, das bereitet mir echte Sorgen. Politiker und Banker müssen wieder mehr miteinander sprechen – und geschlossener auftreten.

Wie ist ein einheitliches Auftreten überhaupt noch möglich?
Die Grossbanken müssen sich aktiver in die Diskussion einbringen, was letztlich auch meine Aufgabe ist.

Sie bringen Finanzplatz und Politik wieder zusammen?
Ja, darum werde ich mich bemühen.

UBS-Präsident Axel Weber wirkte bei einer Diskussion über die Finanzbranche neben JP-Morgan-Chef Jamie Dimon wie ein Musterknabe.
Die Schweiz ist der Musterknabe. Wir haben bezüglich Kapitalstärke sehr viel gemacht. Wir haben diese Diskussion stark beeinflusst. Das wird viel zu wenig wahrgenommen. In der Schweiz sind wir heute weiter als die Amerikaner, weiter als die Europäer. Die Amerikaner haben fast nichts gemacht.

Amerikanische Banker scheinen über die vorbildliche Schweiz zu lachen.
Natürlich, sie sagen: «Ihr habt das Risiko vom Tisch genommen – und wir fahren es weiter.» Fairerweise muss man sagen: Selbst die grösste US-Bank ist im Verhältnis zum US-Bruttosozialprodukt kleiner als die beiden Schweizer Grossbanken. Banken aus kleinen Ländern haben nie die gleichen Voraussetzung wie US-Banken. Zumal die USA die Reserve-Währung der Welt besitzen. Die Amerikaner haben zudem bewiesen, wie man den an die Wand gefahrenen Finanzsektor wieder auf die Beine bringt. Das taten sie rascher als die Europäer.

Die US-Banken sind wieder fit?
Die fünf grössten US-Banken sind grösser als vor der Krise, was in gewissen Geschäften Wettbewerbsvorteile bringt.

Dann sind die amerikanischen Banken «too big to fail forever»?
Das würde ich nicht sagen. Geht in den USA etwas schief, sind die Aktionäre schnell weg. Bei AIG etwa ist der Staat mit absoluter Brutalität rein und hat die Aktionäre faktisch enteignet. Wenn es drauf ankommt, kennen Amerikaner kein Pardon.

Was ein Problem ist für die Credit Suisse. Wann kommt es zu einer Lösung im US-Steuerstreit?
Letztlich kann man jedes Problem lösen. Es ist einfach eine Frage, wie und wie lange es dauert. Ich aber bin zuversichtlich.

Die CS ist im Nachteil. Sie ist die grösste Schweizer Bank, die im Visier der USA steht – und dürfte zuletzt eine Lösung erhalten.
Darüber spekuliere ich nicht.