Gnade vor Recht

Die amerikanische Justiz hat die UBS hart bestraft – es hätte aber weit schlimmer kommen können.Paradeplatz herrscht Trübsal.

Von Peter Hossli

Milde lässt das amerikanische Justizdepartment für kriminelle Firmen selten walten. «Konzerne dürfen keinesfalls sanft angefasst werden weil ihre Natur künstlich ist», heisst es in einem Grundsatzpapier zur Strafverfolgung von Unternehmen. Gerade bei Finanzverbrechen sollten Ankläger rigoros gegen straffällige Firmen vorgehen. Da sei von «substantiellem öffentlichen Interesse».

Glimpflich weg kam demnach letzte Woche die UBS. Die Schweizer Grossbank schloss mit der amerikanischen Staatsanwaltschaft ein so genanntes Deferred Prosecution Agreement (DPA). Ein solches Verfahren erlaubt es einem Konzern, unter strengen Auflagen eine Strafanzeige zu umgehen – und somit den fast sicheren Kollaps zu verhindern. Dazu nötig ist ein Eingeständnis von Fehlverhalten, eine enge Zusammenarbeit mit den Behörden, Zahlung von Wiedergutmachung sowie die Zulassung unabhängiger Kontrollinstanzen. Oft erwartet der Ankläger belastende Beweise gegen Topmanager.

Für ein DPA opferte die UBS Raoul Weil. Der vormalige CEO Global Wealth Management & Business Banking wurde letztes Jahr in Florida angeklagt. Zudem gibt die Bank zu, amerikanischen Kunden von der Schweiz aus beim Steuerbetrug geholfen und damit US-Gesetze gebrochen zu haben. Die Bank zahlt 780 Millionen Dollar – gemäss Rechtsprofessor Vikramaditya Khanna von der University of Michigan eine der «höchsten Zahlungen in der Geschichte des DPA». Profite von 380 Millionen Dollar tritt sie ab, die das illegale grenzüberschreitende Geschäft mit US-Kunden abwarf. Die restlichen 400 Millionen Dollar entsprechen Quellensteuern amerikanischer Kontoinhabern, die UBS an das amerikanische Finanzministerium hätte überweisen sollen. Eine Busse wurde UBS nicht aufgebürdet. Dafür bezahlt sie den externen Auditor, der das Verhalten der Bank nun prüft.

Zum DPA gehört die Kooperation zur Aufklärung von Vergehen. So übergab UBS den US-Behörden Namen von schätzungsweise 250 mutmasslich betrügerischen US-Kunden. Dokumente, die sie in die USA überstellt, muss sie übersetzt liefern. Ein Indiz, dass die USA vornehmlich Beweismaterial gegen Amerikaner will.

Deferred Prosecution Agreements gibt es seit Mitte der neunziger Jahre. Populär wurden sie 2002. Damals führte eine Strafklage zur Pleite des Treuhänders Arthur Andersen. 28’000 Angestellte verloren die Stelle. Just änderte das Justizdepartment die Praxis und drängte Ankläger, mit vermeintlich straffälligen Konzernen DPAs auszuhandeln. Fortan schlossen über 50 US-Firmen solche Abkommen. «Ein DPA ist für alle Parteien rascher, günstiger und risikoärmer als ein Strafprozess», sagt DPA-Experte Khanna. «Zudem wird nicht alles öffentlich.» Ohne grossen Aufwand fährt der Staat juristische Erfolge ein und erhält Einsicht in kriminelles Gebaren.

Eine Strafklage wegen Bestechung stoppte 2005 etwa Saatgutgigant Monsanto mittels DPA. American Express wimmelte 2007 mit demselben Verfahren und einer Zahlung von 55 Millionen Dollar den Vorwurf der Geldwäscherei ab. Merrill Lynch umging 2003 per DPA eine Anzeige wegen Rechtsbehinderung. 2004 zahlte der Versicherungsriese AIG 126 Millionen Dollar. AIG soll Finanzberichte von Kunden gefälscht haben.
Schweizerisches Strafrecht sieht kein vergleichbares Verfahren vor, zumal die strafrechtliche Verantwortung von Konzernen in der Schweiz nur eingeschränkt gegeben ist.

Unumstritten ist das DPA nicht. Es entlaste kriminelle Firmen, sagen Kritiker. Dem widerspricht Rechtsprofessor Khanna. «Es handelt sich um eine Einigung, von der die Anklage wie die sich verteidigende Firma profitieren».