Von Peter Hossli
Mr. Jackson, in «Die Hard with a Vengeance» wohnen Sie am New Yorker Malcolm-X-Boulevard. Sie tragen eine Malcolm-X-Brille und sprechen eine Sprache, die an den schwarzen Bürgerrechtskämpfer der sechziger Jahre erinnert.
Samuel L. Jackson: Das ist alles reiner Zufall. Wir haben verschiedene Brillen probiert, und diese gefiel mir am besten.
«Die Hard 3» zeigt eine komplexe Beziehung zwischen einem weissen Polizisten und einem schwarzen Elektriker, und niemand möchte über diesen Aspekt sprechen …
Jackson: … so ist es dann wohl.
Niemand will kontroverse Diskussionen vor dem Start des 80- Millionen-Dollar-Films. Sie verkörpern in «Die Hard 3» einmal mehr eine afroamerikanische Vorzeigefigur.
Jackson: Ich sehe mich nicht als Modell. Meine Figuren sind Charaktere, die das tun, was sie tun. Wenn die Leute mich als Vorzeigefigur wollen, dann müssen sie zu mir nach Hause kommen.
Was meinen Sie damit?
Jackson: Ich habe die Universität abgeschlossen, bin seit 25 Jahren mit derselben Frau verheiratet. Meiner Tochter helfe ich bei den Hausarbeiten. Ich wasche das Geschirr und gehe Einkaufen. Meine Steuern bezahle ich regelmässig. Das ist eine Vorzeigefigur. Die Personen, die ich auf der Leinwand verkörpere, haben nichts mit mir gemein.
Sie sind ein vielbeschäftigter Mann. In den letzten sieben Jahren drehten Sie mehr als ein Dutzend Filme.
Jackson: Das hat vor allem mit den kleinen Rollen zu tun, die ich hatte. Ich war einmal drei Wochen, dann zwei Wochen auf dem Set. So ist es gut möglich, in einem Jahr in mehreren Filmen mitzuwirken. Letztes Jahr drehte ich «Losing Isaiah» während sechs Wochen, zwei Tage später kam «Kiss of Death», bei dem die Dreharbeiten neun Wochen dauerten.
Und bei «Die Hard»?
Jackson: Es dauerte endlos. Inklusive der Postproduktion waren wir während etwa neun Monaten mit «Die Hard» beschäftigt.
In «Pulp Fiction» verkörpern Sie zusammen mit John Travolta einen Drogenhändler. Der Film wurde von der hiesigen Kritik sehr gemischt aufgenommen. Man sprach von übertriebener Gewalt.
Jackson: Bei uns hat die Kritik den Film gefeiert. In den USA war es die Filmgemeinde, die sich gegen «Pulp Fiction» gestellt hat. Und zwar aus einem ein fachen Grund: Sie waren verbittert, dass ihnen die Ideen für solche Filme fehlen. Die Reaktionen auf «Pulp Fiction» sind ein Kompilat aus Neid und Ehrfurcht.
Wie reagieren Sie auf negative Kritik?
Jackson: Es ist mir oft egal. Das Publikum liest keine Filmkritiken. Bei «Pulp Fiction» gingen die Leute ins Kino und waren davon begeistert. Filmkritiken sind nur für die Filmindustrie. Schauspieler, Produzenten oder Filmjournalisten lesen sie, nicht aber das Publikum.
Sie wählen Ihre Rollen demnach nach dem Gusto eines Kino besuchers?
Jackson: Wenn ich ein Drehbuch lese, überlege ich mir immer, ob eine Geschichte erzählt wird, für die auch ich an der Kinokasse 7 Dollar 50 auslegen würde.
Wie wichtig sind denn die Einspielergebnisse ihrer Filme für die Entwicklung ihrer Karriere?
Jackson: Es gibt zwei Dinge, die einen Hollywoodfilm definieren: Qualität und Einspielergebnisse. Die Qualität ist mir persönlich wichtig. Die Einspielergebnisse sind das zentrale Anliegen meines Agenten. Spielt einer meiner Filme viel Geld ein, so kann mein Agent bei meinem nächsten Film mehr verlangen. Insofern erhöhen Ein spiel ergeb nisse die Freiheit bei der Rollenwahl.
Bei «Die Hard 3» prangt Ihr Name neben Bruce Willis und Jeremy Irons auf dem Filmplakat. Sie sollen das schwarze Publikum sowie die «Pulp Fiction»-Fans ins Kino holen.
Jackson: Jeremy Irons, der den Bösewicht verkörpert, hat das Image, ein talentierter Schauspieler zu sein, ich habe dieses Image ebenfalls. Bruce Willis ist der Star. Bei einem derart aufwendigen Film wird versucht, mit einer solchen Besetzung ein unterschiedliches Publikum anzusprechen. Der Film sollte seine Kosten ja wieder einspielen.
Die ersten Schwarzen auf amerikanischen Leinwänden waren Weisse mit schwarzer Farbe im Gesicht. Schwarze hatten es in der Filmindustrie von Beginn an schwer. Wie ergeht es den Schwarzen heute?
Jackson: Zuvorderst ist die Filmindustrie ein Geschäft. Afroamerikanische Schauspieler sind in Europa und Asien sehr beliebt. Filme werden in diesen Teilen der Welt wegen der Besetzung schwarzer Akteure verkauft. Und da Hollywood immer mehr auf den Markt ausserhalb der USA angewiesen ist, sollte sich unsere Situation verbessern.
Ist dies wirklich so?
Jackson: Es ist ganz einfach. Whoopi Goldberg ist ein Star. Sie ist vielleicht die einzige schwarze Schauspielerin, die mit ihrem Namen einen Film verkaufen kann. Aber sonst gilt die Faustregel: Es braucht immer einen weissen Star neben uns. Ohne Bruce Willis, Tom Cruise oder Tom Hanks gibt es keine Rollen für schwarze Schauspieler in Grossproduktionen. Sogar Denzel Washington, der zurzeit bekannteste afroamerikanische Schauspieler, braucht Julia Roberts.
Es gibt aber schwarze Stars.
Jackson: Jedes Jahr schafft einer von uns den Sprung in das System. Während einer Weile war es Morgan Freeman, dann Denzel Washington, dann Wesley Snipes. Und dann fliegen sie alle wieder raus. Ich habe Danny Glover schon lange nicht mehr auf der Leinwand gesehen.
Wie lange wird Samuel L. Jackson noch dabei sein?
Jackson: Hoffentlich noch lange. Nein, ohne Spass: Die Realitäten in Hollywood bezüglich schwarzen Schauspielern sind klar – wir müssen uns arrangieren.
Drückt sich dies in ihrer Gage aus?
Jackson: Vor allem anderen. Nach «Pulp Fiction» verlangen John Travoltas Agenten von den Studios zehn Millionen Dollar für einen Film. Ich muss froh sein, wenn bei Verhandlungen mit Produzenten von einem Zehntel davon die Rede ist. Es gibt in Hollywood mit Ausnahme von Whoopi Goldberg keine Schwarzen, die mehr als eine Million pro Film kassieren. Bei einer Million liegt die Farbengrenze.
Trotz Ihrer Oscar-Nomination für «Pulp Fiction»?
Jackson: Gewinnt ein weisser Schauspieler einen Oscar oder ist er zumindest dafür nominiert, so hat er für den Rest seiner Karriere ausgesorgt. Wir Schwar zen jedoch müssen froh sein, wenn wir von Hollywood weiterhin beschäftigt werden.
«Die Hard» zum Dritten: Jackson bringt die politische Note
Es braucht sie trotzdem, die Helden – zumindest im Kino. Bereits zum drittenmal rennt, schiesst und schlägt sich Bruce Willis alias John McClane erfolgreich mit einem gemeingefährlichen Bombenleger um die Wette, der die Welt zerstören will. Diesesmal muss der abgetakelte New Yorker Cop einen deutschstämmigen Terroristen davon abbringen, eine Schule in Manhattan in die Luft zu sprengen. Von John McTiernan, der bereits beim ersten «Die Hard» Regie führte, mit grosser Effizienz inszeniert, überrascht bei «Die Hard with a Vengeance» vor allem McClanes Verstärkung.
Dank Samuel L. Jackson, der zuvor in Filmen wie «Pulp Fiction», «Jurassic Park» oder «Jungle Fever» brillierte, bekommt der Film eine politische Note. Er streitet an der Seite von Bruce Willis ohne politisch korrekte Anbiederung gegen das vermeintlich Böse. Dem Publikum in den USA hat’s gefallen. In den ersten vier Wochen spielte der Film an der Kinokasse über 75 Millionen Dollar ein. �