Koma – Zwischen Leben und Tod

Was ist ein Koma? Und was passiert, wenn die Ärzte das künstliche Koma Michael Schumachers beenden? In der Schweiz steigt die Nachfrage nach Patientenverfügungen.

Von Peter Hossli

Zwei Tage vor Silvester prallte Michael Schumacher (45) beim Skifahren gegen einen Felsen. Der Ex-Formel-1-Fahrer erlitt ein Schädel-Hirn-Trauma. Er liegt im Koma.

Vor acht Jahren hatte Israels Premierminister Ariel Sharon (†85) einen Hirnschlag. Er fiel in ein tiefes Koma. Gestern starb er.

Der US-Sänger Kurt Cobain (1967–1994) schluckte Pillen, trank und lag fünf Tage im Koma.*

Ein Hirnschlag, ein Unfall, ein Glas zu viel: Passieren kann das allen. Auch Diabetes, Nieren- oder Leberprobleme können ins Koma führen.

Doch was genau ist ein Koma?

Aus medizinischer Sicht liegt im Koma, wer bewusstlos ist, sagt der langjährige Chefarzt der Rehab Basel, Mark Mäder. «Ein Pa­tient reagiert nicht mehr korrekt auf Kneifen und Ansprechen.»

Heute sollen Schumachers Ärzte informieren, wie es ihm geht. Wegen Hirnverletzungen liegt er im Koma – und weil er künstlich in einen Tiefschlaf versetzt wurde. Maschinen beatmen und ernähren ihn. Bei Menschen im künstlichen Koma setzen Ärzte stufenweise die Narkose ab.

Mit drei möglichen Folgen: Ein Grossteil der Patienten wacht auf oder stirbt. Zwischen drei und vier Prozent rutschen in ein so genanntes Wachkoma.

Ein Wachkoma-Patient atmet selbständig. Er öffnet und schliesst die Augen, ist wach oder schläft. Über eine Magensonde erhält er flüssige Nahrung.

Ärzte und Pfleger versuchen, bei ihm den Muskelschwund zu minimieren. Deshalb stellen sie ihn oft auf die Beine, setzen ihn in den Rollstuhl. Sein Stoffwechsel ist regelmässig. Er scheidet über einen Katheter aus.

Was nimmt er wahr? Wie empfindet er? Stimmt es, dass Personen im Wachkoma Gespräche verfolgen? «Es wird angenommen, dass einfachste Wahrnehmungen möglich sind», sagt Koma- und Hirn-Spezialist Mäder. «Genau wissen wir es nicht.»

Das Reha-Team stimuliert Pa­tienten mit Musik und mit Gerüchen, Berührungen und Bewegungen. All das nimmt das Hirn womöglich wahr. Sehend wahrnehmen würden Komatöse wahrscheinlich nichts, glaubt Mäder. Sind die Augen offen, starren sie ins Leere. Erwachen Patienten, erinnern sie sich meistens an nichts. Einige geben an, sie seien auf warmem Wasser geschwebt.

Tage kann ein Wachkoma dauern, Wochen – oder sogar Jahre. Das Erwachen ist ein langer Prozess und beginnt meist mit einem fixen Blick oder ­einer Reaktion auf ein lautes Geräusch. «Je früher jemand aus dem Koma erwacht, desto geringer sind die Folgeschäden», sagt Mäder.

Die Pflege rund um die Uhr hält bewusstlose Menschen am Leben – und die künstliche Ernährung. Viele Personen legen – jeweils noch kerngesund – in einer ­Pa­tientenverfügung fest, wie lange sie in einem Koma gepflegt werden wollen. Läuft diese Frist ohne Besserung ab, muss der Arzt die Magensonde entfernen. Oder er behandelt Leiden wie eine Lungenentzündung nicht. Der Patient stirbt.

Fehlt eine Patientenverfügung, fällen Angehörige den schwierigen Entscheid, wie lange der Koma-Patient leben soll. Umso dringlicher empfehlen Ärzte allen, eine Verfügung auszufüllen.

Dafür schärft das Schicksal von Rennfahrer Schumacher das Bewusstsein. Seit seinem Unfall hat sich die Nachfrage nach Patientenverfügungen bei Pro Senectute verdoppelt.

* Korrektur: In einer früherern Version in diesem Artikel stand, dass Kurt Cobain nicht mehr aus seinem Koma aufwachte. Das ist falsch.