Mohammed al-Maktum

Der Herrscher von Dubai hatte eine verwegene Idee: Mit pompösen Bauten wollte er sein Emirat vom Joch des Erdöls befreien. Die globale Krise bodigt nun den Plan. Der Modernist fällt in die Rückständigkeit.

Von Peter Hossli

maktumKaum hatte Mohammed bin Raschid al-Maktum 1995 die Herrschaft über Dubai angetreten, rief er zur Krisensitzung. Zu sich bestellte er die besten Geologen des Emirats am arabischen Golf. Sie zeichneten ein düsteres Bild. Das klebrige Erdöl unter dem sandigen Boden versiege in Bälde. 2015, bestenfalls 2030 lohne es sich nicht mehr, Öl zu fördern.

Kronprinz Maktum tat, was andere Ölscheichs tunlichst unterlassen: Er entwarf einen fixen Plan, um den Fluch des Öls zu überlisten. Die modernste Stadt der Welt würde er errichten. Ein aufgeklärter Ort mitten im Islam. Ein Handelsplatz zwischen Orient und Okzident, wo alle Handelsschranken kippen. Wo die Einkommenssteuer fällt, und wo sich die Reichen umso sorgloser verlustieren und endloser ein­kaufen. Ein Ort, der ständig warm ist, und wo man trotzdem 365 Tage im Jahr Ski fahren kann – in ­einer gekühlten Halle. Eine Kunststadt wie Las Vegas, jedoch ohne die schmierigen Hinterhöfe.

Der Herrscher, der als Kind den Koran paukte, sich später in England zum Offizier drillen liess und Polizei wie Armee kommandierte, ging strategisch vor. Zuerst strukturierte er den Gliedstaat der Vereinigten Arabischen Emirate wie eine Investmentgesellschaft. Im Westen heuerte er kluge Architekten und Ingenieure an. Billigen Bauarbeitern aus Südasien öffnete er die Grenze. Pompöseste Bauwerke, dachte er, würden Kapital und hoch talentierte Berufsleute in sein Wüstenemirat locken.

Dafür wagte er den kulturellen Spagat und verband das Ewiggestrige mit der Moderne. Neben mehreren Frauen und 19 Kindern – acht Söhne und elf Töchter – unterhält der 62-jährige Emir eine Seite auf Facebook mit über 100 000 «friends». Maktum züchtet Rennpferde und schreibt rätselhaft-romantische Gedichte, die selbst als Podcasts zu haben sind. Derweil ziehen ihn Menschenrechtsgruppen vor Gerichte. Er soll Knaben aus Sudan und Pakistan versklavt und in Kamelrennen als federleichte Jockeys eingesetzt haben.

dubaiDie Errungenschaften, die Dubai auf die Weltkarte setzten, gehen allesamt auf Maktum zurück. Er gründete die Fluggesellschaft Emirates, heute eine der begehrtesten Airlines und Namenspenderin des Fussballstadions von Arsenal in London. Das Segeltuch-Hotel Burj Al Arab hat er initiiert. Er liess palmenförmige Inseln anlegen und sie als achtes Weltwunder feiern. Anfang Januar eröffnet er den 818 Meter hohen Wolkenkratzer Burj Dubai, das weltweit höchste Bauwerk.

Anfänglich schien sein Plan aufzugehen. Auf sieben Prozent schrumpfte der Anteil des Erdöls am Bruttosozialprodukt. Ein Viertel trägt der Tourismus bei, ebenso viel die Bauwirtschaft. Nicht nur für die arabische Welt wurde Dubai zum Finanzplatz und Wohnsitz der Wohlhabenden. Fast 70 000 der zwei Millionen Einwohner sind Dollar-Millionäre.

Die Krise hat alles verändert. Viele Betten der 17 000 neu erstellten Hotelzimmer bleiben kalt. Anlagen der staatlichen Investmentgesellschaft Dubai World, etwa in die Casino-Kette MGM Mirage oder das Warenhaus Barney’s, bescherten riesige Abschreiber. Seit August 2008 sackten in Dubai die Häuserpreise um 50 Prozent ab. Sie dürften um ­weitere 20 Prozent fallen, schätzt die Deutsche Bank. Das drückt die Sicherheiten vieler ­Kredite ins Minus. Wer Dubai Geld geliehen hat, will es nun zurück. Als vorletzte Woche Dubai World einen Aufschub von sechs Monaten für die Rückzahlung von 59 Milliarden Dollar beantragte, krachten weltweit die Börsen. Der Traum war geplatzt.

Zuletzt erlag der fortschrittliche Herrscher dem Grössenwahn. Maktum begann, die eigene Lüge zu glauben. Das, obwohl sein Privatvermögen innert Jahresfrist von 28 auf 16 Milliarden Dollar gefallen war. «Ich versichere ihnen, wir kommen gut durch», hatte er noch im September bei der Eröffnung der neuen Metro gesagt. Sämtliche Kredite könne Dubai zurückzahlen, beschwor Maktum bis am Tag, als genau das nicht mehr ging.

Als die Weltpresse letzte Woche wie hungrige Hyänen über Dubai herfiel, fiel er in die Rückständigkeit. Per Dekret verbot Dubai die «Times» von London – sie hatte Maktum beim Ertrinken im Schuldenmeer gezeichnet. Im Stillen vereinbarte er mit Nachbar Abu Dhabi einen finanziellen Rettungsplan. Dort ist die Wirtschaft nach wie vor auf Öl und Erdgas gebaut – und somit solide.