US-Kleinbanken boomen

In US-Kleinstädten kennt jeder jeden. Deshalb erhalten auch nur solche Leute einen Kredit, die sich ein Darlehen leisten können. Kein Wunder, geht es den meisten dieser Mini-Banken hervorragend.

Von Peter Hossli (Text) und Stefan Falke (Fotos)

crawfordWenig passiert in Crawford. Eine einzi-ge Ampel regelt den Verkehr. Rancher in schweren Trucks befahren die Strassen des texanischen 705-Menschen-Kaffs zwischen Dallas und Austin. Berühmt wurde das Städtchen zwischenzeitlich, als Ex-Präsident George W. Bush hier die Sommerferien verbrachte. Entlang der Hauptstrasse zwängen sich zwei Tankstellen, ein Restaurant, die Lodge der Freimaurer, ein Coiffeursalon, ein Fitnessstudio – und die aus braunem Backstein errichtete einstöckige Security Bank of Crawford.

An der Wand der rustikalen Innenräume hängen gegerbte Kuhfelle und Ölgemälde, die Cowboys und Longhorn-Rinder zeigen. Wagenräder dienen als Lampenschirme. Mit einem herzlichen «Welcome, Sir» grüsst Bankdirektor Kenneth Judy. Er führt den Reporter ins geräumige Chefbüro. Nicht Hemd und Krawatte trägt der Weisshaarige, sondern einen abgewetzten Pullover.

Nicht alle Amerikaner leben auf Pump

Glänzend laufe das Geschäft. «Wir spüren die Finanzkrise nicht», sagt Judy, 62. Seine Vorfahren stammen aus dem Glarnerland, hiessen Tschudi und passten den Nachnamen der englischen Schreibweise an. Staatliche Hilfe, betont er, habe die von ihm geführte Bank nicht nötig. «Crawford ist eine konservative Kleinstadt mit fiskalisch konservativen Leuten, jeder kennt hier jeden, niemand nimmt Kredite auf, die er nicht abzahlen kann.»

Judy würde sie ohnehin nicht gewähren. Bewusst vermeidet er riskante Anleihen. Stattdessen konzentriert er sich auf herkömmliche Bankgeschäfte, verwaltet Sparbüchlein, vergibt Hypotheken für neue Häuser und Darlehen für Autos. Letztere erhielten nur «Leute, die sich das wirklich leisten können». Es stimme nicht, dass alle Amerikaner auf zu grossem Fuss lebten. «Hier in Crawford arbeiten wir fürs Geld.»

Selbst der von Präsident Bush lancierte kurzlebige Boom bei Grundstückpreisen hätte die zurückhaltende Geldstrategie der Bewohner Crawfords nicht beeinflusst. Zwar wollten Auswärtige Land in Bushs Nähe kaufen. Da Grundstücke in Crawford über Generationen hinweg im Familienbesitz bleiben, verkaufte kaum jemand. «Nachhaltigkeit, nicht Gier bestimmt Crawford › und unsere Bank.» Da partout keine riskanten Darlehen gewährt werden, gehe es der Bank gut, so Judy. «Wie vielen anderen amerikanischen Kleinbanken.»

Staatshilfe zurückbezahlt

Tatsächlich ist die Security Bank of Crawford kein Einzelfall. US-Lokalbanken prosperieren. Zugleich bekunden global operierende Finanzhäuser wie Citigroup, Goldman Sachs oder Bank of America trotz staatlicher Hilfe im Umfang von 1,7 Bio. Dollar nach wie vor reichlich Mühe. Nur zaghaft entspannt sich der Geldmarkt. Noch warnen Analysten die Anleger vor dem Kauf von Finanztiteln, trotz dem Börsenrally von letzter Woche.

Zwar stellten im laufenden Jahr gemäss der Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC) 21 Banken ihr Geschäft ein. Rund 250 Banken führt die FDIC als «problematisch» auf. Letztes Jahr waren es noch 171 gewesen. Angesichts von 9500 unabhängigen Banken fällt die Zahl der Krisenfälle jedoch bescheiden aus. Kleinbanken gedeihen besonders in Bundesstaaten, an denen der Immobilienboom vorbeigezogen ist.

Einige der 500 kleinen Institute, die 73,3 Mrd. Dollar Staatshilfe erhalten haben, zahlen die Darlehen gar zurück. Ende März gab etwa die Signature Bank of New York bekannt, sie habe dem Finanzministerium 120 Mio. Dollar samt Zinsen überwiesen › weil sie um den Ruf besorgt ist. «Wir möchten nicht mit dem Stigma behaftet sein, das Banken haben, die Staatsgeld nehmen», sagte Signature-Chef Scotty Shay der «New York Times».

Neue Banken werden gegründet

Derweilen begünstigen Banken-Pleiten etliche lokale Neugründungen. Gemäss Richard Sylla, Professor an der New York University, sei es eine «gute Zeit», eine Bank zu starten. Die Hypothekarbank Indy Mac und die Retailbanken Wachovia und Washington Mutual verschwanden. Bilanzen neuer Banken sind nicht durch wertlose Anlagen belastet. Noch befindet sich etwa das Gebäude der First Green Bank in Zentralflorida im Bau. Seit Februar empfängt die neue Bank Kunden daher in einer ehemaligen Arztpraxis. Er beschäftigt 30 Leute und verwaltet rund 35 Mio. Dollar. Das Geschäft floriere, sagt First-Green-Gründer Kenneth LaRoe. Ihm liefen solvente Kunden zu, die alteingesessene Banken derzeit nicht bedienen können. Wie ein Klischee töne das Erfolgsrezept, gibt er zu. «Wir kennen die Kunden, das Team ist motiviert, wir rühren Geschäfte nicht an, die den Finanzsektor in die Krise gestürzt haben.»