Amerikas Krieg gegen böse Fette

Die USA verbannen Transfettsäuren. Alternative Öle sind für die Agrarkonzerne ein Riesengeschäft. Das Verbot von Transfettsäuren zwingt die amerikanischen Fast-Food-Ketten und Nahrungsmittelriesen, neuartige Öle zu verbraten. Für die Agrarkonzerne eröffnet sich ein enormer Absatzmarkt.

Von Peter Hossli

Der Kaffee mundet wie immer. Sonst ist bei Starbucks vieles neu. Gesünder und etwas körniger schmeckt der Muffin, feuchter der Scone. Seit Anfang Jahr verzichtet die Kaffeehaus-Kette in allen Backwaren auf Transfettsäuren, auf flüssige pflanzliche Fette, die durch die Zugabe von Wasserstoff verhärtet werden. Starbucks kommt so einem Entscheid der Stadt New York zuvor. Ab Mitte Jahr sind in hiesigen Restaurants Frittier-Öle und Brotaufstriche mit Transfettsäuren verboten. Ein Jahr später verbannt New York alle diese Fette.

Sie machen krank. Transfettsäuren, einst als gesündere Alternativen zu Butter gefeiert, verstopfen Arterien, senken gutes und heben schädliches Cholesterin. US-Forscher verantworten sie für Diabetes, Asthma und Alzheimer – sowie jährlich bis zu 100’000 Todesfälle. Bei «Null» setzt das Institute of Medicine den Toleranzwert an.
Alarmierende Fakten, aufgrund denen Dänemark den Gebrauch der Öle bereits 2003 gesetzlich eingeschränkt hatte. Da jede Fastfood-Kette in New York tätig ist und landesweit jeweils mit denselben Rezepten kocht, dürften Transfette bald aus allen US-Küchen und Backstuben verschwinden.

Wer sie ersetzt, hebt ab. Von den 21 Milliarden Pfund Speisefett, die in Amerika jährlich verbraten, verbacken oder frittiert werden, müssen 8,5 Milliarden ausgewechselt werden. Letztes Jahr gelangten gerade mal 375 Millionen Pfund transfettfreie Öle auf den Markt, bis Ende 2007 sollen es immerhin 1,25 Milliarden sein, sagt der Präsident des Branchenverbandes Institute of Shortening and Edible Oils, Robert Reeves. «Das Angebot deckt nur ein Fünftel der Nachfrage.» Jede Dose des neuen Öls würden Restaurants derzeit aufkaufen. Wer von den rapide ansteigenden Preisen profitiert, ist für Reeves klar: «Die Saatgut-Hersteller.»

Wobei Monsanto und die Dupont-Tochter Pioneer Hi-Bred am besten positioniert seien. Seit Jahren entwickeln die beiden Agrar-Konzerne Sojabohnen mit einem niedrigen Anteil an Linolensäure. Daraus lässt sich ein Öl gären, das stabil genug ist und nicht mit Wasserstoff gehärtet werden muss. Da die Firmen die Forschung und Entwicklung bereits vor Jahren abgeschlossen haben, schlagen diese Kosten nicht mehr zu Buche. Auf Raps- und Sonnenblumen-Öl setzt DowAgroSciences, eine Tochterfirma des Chemikalienkonzerns Dow. Sie richtet sich auf den internationalen Markt aus, wo Soja-Öl weniger beliebt ist als in den USA.

Hinterher hinkt Syngenta. Gemäss Firmensprecherin Sabine Hoffmann entwickelt der schweizerisch-britische Saatgutriese zwar eine Sojabohne mit niedrigem Linolen-Gehalt. Diese gelangt aber erst 2009 auf den US-Markt. Noch spielt Syngenta bei Fett-Alternativen «keine Rolle», sagt Reeves.

Als «geradezu gewaltig» umschreibt hingegen Monsanto-Sprecher Christopher Horner das Potenzial. Unter dem Namen Visitive vertreibt der Konzern eine herkömmlich gezüchtete, gesunde Sojabohne. «Bisher haben wir erst an der Oberfläche gekratzt.» Allen dieses Jahr würden US-Farmer die Anbaufläche mit Visitive-Soja vervierfachen. «Da wir am meisten Hektaren bepflanzen, sind wir Marktführer», sagt Horner. Bis Ende 2007 sollen acht Fabrikanten die Ernte zu Speisefetten verarbeiten, 2005 waren es noch zwei. Jüngst haben sich der Hähnchen-Brater KFC sowie der Corn-Flakes-Riese Kellogg’s für Monsanto-Fette entschieden.

Das sei erst ein Anfang, sagt Horner. Monsanto entwickle Visitive weiter, so dass dereinst Öle ohne die ebenfalls schädlichen gesättigten Fettsäuren gegoren werden können. «Unser Ziel ist es, aus Soja ein Öl von der Qualität von Olivenöl zu gewinnen.»
Bereits Mitte der neunziger Jahre züchtete Pioneer Hi-Bred eine transfettfreie Sojabohne. Jahrelang fand die Firma keine Abnehmer. «Jetzt können wir nicht genug ausliefern», sagt Pioneer-Sprecher Russ Sanders. Zusätzlich 2,8 Milliarden Dollar Gewinn werde das transfettfreie Öl den Saatgut-Produzenten bescheren, sagt er.

«Profitieren wird, wer bereits eine Bohne auf dem Markt hat.» Pioneer kontrolliere zwar weniger Fläche als Monsanto. Dafür zahle sich die biotechnische Allianz aus, welche die Dupont-Tochter mit Bunge eingegangen sei, dem weltweit grössten Hersteller von Speisefetten. Er erwartet eine «signifikante Zunahme» von Umsatz und Gewinn, sagt Sanders. «Bunge hat beste Beziehungen zu den Endverbrauchern.»

Wenn denn genügend Soja geerntet wird. Der Ethanol-Boom hat viele US-Farmer veranlasst, Mais statt Soja anzupflanzen. Sowohl Monsanto wie Pioneer müssen den Bauern nun Aufpreise von bis zu zehn Prozent zahlen. Der Zuschlag gehe an die Konsumenten weiter, sagt Reeves. So verlangt Starbucks für transfettfreie Muffins 1.85 Dollar, ungesunde kosteten 1.75 Dollar.

Stichwort: Transfettsäuren
Transfettsäuren gelten als gesundheitsschädlich. Sie entstehen durch den industriellen Prozess der partiellen Hydrierung, bei dem ungesättigte Fettsäuren in Pflanzenölen mit Hilfe von Wasserstoff in feste Fette verwandelt werden. Deren Anteil ist besonders hoch in Fastfood, billigen Backwaren und Fertigprodukten wie Pommes Chips, Frittieröl, Kekse oder Instant-Suppen.