Nun ist mehr als Kaufen und Verkaufen gefragt

General Electric, das berühmteste und meistbewunderte Konglomerat der Welt, stösst an seine Grenzen. Kreditkarten, Motoren, Leasing, Silikonbrüste: Kaum eine Branche, wo der Riesenkonzern General Electric nicht mitmischt. Doch seit dem Abgang des legendären Konzernchefs Jack Welch stockt der Wachstumsmotor.

Von Peter Hossli

Für General Electric waren es drei typische Tage im Herbst. Am 8. Oktober 2003 kaufte der US-Konzern einen Teil des französischen Unterhaltungsunternehmens Vivendi. Am nächsten Tag erwarb GE die Medizinaltechnikfirma Instrumentarium aus Finnland. 24 Stunden später kam die britische Diagnostikfirma Amersham hinzu. Kosten für den Kaufrausch: 25 Milliarden Dollar – nichts Ungewöhnliches. Pro Jahr kauft GE rund 100 neue Firmen und trennt sich von Dutzenden.

Diese Strategie prägt die Firmenkultur seit Beginn. 1879 fusionierte Thomas Edison, der Erfinder der Glühlampe, etliche seiner Firmen zur Edison General Electric Company. 1892 orchestrierte der Financier JP Morgan die Fusion aller führenden US-Elektrokonzerne zur General Electric Company. Vier Jahre später gehörte GE schon zu den ersten zwölf Firmen im Dow-Jones-Index.

Über die nächsten hundert Jahre wuchs GE rasant, hauptsächlich durch Zukäufe. Heute beschäftigt der Konzern rund 316 000 Menschen, die 2005 in über 100 Ländern einen Umsatz von knapp 150 Milliarden Dollar und einen Gewinn von 16,4 Milliarden Dollar erwirtschaftet haben. Der weltweit siebtgrösste Konzern ist in sechs Bereiche unterteilt, wobei jeder einzelne auf der Liste des US-Magazins «Fortune» über die grössten 500 Unternehmen Platz fände. Die Produktpalette reicht weit, von der Kreditkarte bis zum Kampfjetmotor, vom Nuklearreaktor bis hin zur Silikonbrust, vom Kinofilm bis zur Lokomotive. Rund die Hälfte des Konzernumsatzes erzielt GE mit Finanzen, etwa mit den Leasingverträgen zahlreicher Airlines.

Dass dieses hochkomplexe Gebilde in den letzten 25 Jahren mächtig florierte, wird Jack Welch zugeschrieben. Der legendäre Manager führte das Konglomerat zwischen 1981 und 2001. Er war die «Prinzessin Diana der Wirtschaftspresse» («Economist»), einer, dessen Gesicht auf einem Magazintitel die Auflage steigerte. Welch vervielfachte den GE-Gewinn um den Faktor 28 und verfünffachte den Umsatz. Jedes Jahr entliess er 10 Prozent des Personals. Die schlechtesten Angestellten mussten gehen.

Zudem agierte Welch buchhalterisch kreativ. Die vermeldeten Gewinnsprünge von jährlich 16 bis 18 Prozent lagen tatsächlich unter 10 Prozent. Als Gewinne hatte er Gelder aus der überfinanzierten Pensionskasse verrechnet. Nach Welchs Abgang sackte die GE-Aktie ab, von über 60 Dollar im Jahr 2000 auf unter 25 Dollar Anfang 2003. Lange Zeit stagnierte sie bei 30 Dollar.

Damit sei sie unterbewertet, sagt Jefrey Immelt seit Jahren. Er führt den Konzern seit September 2001 und versucht, die Wachstumsperiode mit derselben Taktik zu wiederholen. Er kauft rasch wachsende Firmen, stockende stösst er ab. Letztes Jahr veräusserte er einen beachtlichen Teil der GE-Versicherungen an Swiss Re.

Immelts Kalkül zeitigt positive Resultate. Seit August legte die Aktie um 10 Prozent zu. Goldman-Sachs-Analystin Deane Dray hat letzte Woche ihre Kaufempfehlung wiederholt und erwartet einen weiteren Kurssprung von 17 Prozent innert Jahresfrist. Fünf der sechs Geschäftszweige würden zweistellige Gewinnraten erzielen, so Dray. Probleme sieht sie einzig für die Mediensparte sowie für den Plastikbereich in der Industriesparte.

Immelts setzt zudem auf Umweltschutz als Triebfeder. «Green is green» verkündete er Ende letztes Jahr an Anlehnung an die Farbe des US-Dollars. Mit grünen Produkten lasse sich künftig Geld machen. Er will bis 2010 den Umsatz mit Wassserfiltern, sauberen Kohle- oder Windkraftwerken verdoppeln. Alle Geschäftszweige sollen Treibhausgase reduzieren. Angesichts der Stimmung die richtige Zielsetzung, bezeichnet doch eine Mehrheit die Ölabhängigkeit als «grosse Gefahr».