Diese Brombeere hat es in sich

Eine kanadische Technologiefirma stellt einen drahtlosen E-Mail-Computer her, der Manager süchtig macht: den BlackBerry. Väter des Erfolgs sind ein technisches Genie und ein talentierter Verkäufer.

Von Peter Hossli

Unlängst gerieten sich in New York ein Schweizer und ein amerikanischer Journalist in die Haare. Beide vertraten gegenteilige Meinungen. Der Amerikaner zückte einen BlackBerry, drückte ein paar Tasten, holte einen Agenturbericht aus dem Internet auf den Bildschirm – und widerlegte den Schweizer. Triumphierend versorgte der «Wall Street Journal»-Reporter das Gerät in seinem Hosensack.

Der BlackBerry, etwas flächiger und grösser als ein Mobiltelefon, beschert jenen Menschen, die viel unterwegs sind und ihr Einkommen mit dem Austausch von Informationen bestreiten, entscheidende Vorteile. Das Gerät erlaubt es, E-Mails abzurufen und dank Minitastatur rasch und angenehm zu beantworten. Eher nebensächlich ist der BlackBerry noch Mobiltelefon, Agenda und Auffahrt ins Internet. Die Kombination mache süchtig, sagen dessen Benutzer und nennen das Gerät «CrackBerry», in Anlehnung an das Kokain-Backpulver-Gemisch Crack.

Ein harmonierendes Gespann an der Spitze

Die kanadische Technologiefirma Research in Motion (RIM) hatte den BlackBerry 1999 lanciert. Marketingleute kreierten den eigenartigen Namen auf Grund strikter Vorgaben: Er sollte in keiner Weise das Produkt beschreiben, positiv tönen und auch ausserhalb Nordamerikas Anklang finden. Das Konzept ging auf. Der Personalbestand der Firma mit Sitz in Waterloo, Ontario, stieg von anfänglich vier auf 1950 Angestellte.

Hinter dem Erfolg steht ein eigenwilliges Gespann: die Ko-Chefs James Balsillie und Michael Lazaridis. Lazaridis gilt als «technisches Genie» und Balsillie als «genialer Verkäufer». Die beiden würden hervorragend harmonieren, sagt UBS-Analyst Michael Urlocker. «Sie sind sehr smart», sagt er und lobt: «Es gibt niemanden, der das Geschäft der mobilen Datenübertragung besser versteht.»

Das aggressive und risikobereite Gespann gehe wie bei einem Schachspiel vor, sagt Urlocker. «Die beiden sind den anderen stets ein paar Züge voraus.» Sie widersetzen sich mutig den Marktgesetzen im Technologiebereich. Üblicherweise schlucken die Giganten die innovativen Zwerge. Oder sie kopieren und übertrumpfen sie, wie das Microsoft mit dem Betriebssystem von Apple oder dem Browser von Netscape gelungen ist. «Derzeit hat RIM keine ernsthafte Konkurrenz», sagt Urlocker. Sei die grösste Gefahr einst von Microsoft gekommen, sei der Konzern heute technologisch klar unterlegen.

Wohl auch, weil RIM trotz höheren Kosten die BlackBerrys in Kanada fertigen lässt. «Es ist sehr wichtig für unsere Ingenieure und Marketingleute, dass sie im selben Raum sitzen wie die Verkäufer und die Fabrikanten», sagte Lazaridis der Zeitung «Ottawa Citizen». Der Firmensitz liegt unmittelbar neben Lazaridis’ Alma Mater, der University of Waterloo, einer der besten Technologieschulen Kanadas.

Noch als Student gründete Lazaridis 1984 mit Kommilitonen die Firma Research in Motion. Anfänglich fertigte die Firma drahtlose Modems und Pager. 1992 stiess Balsillie hinzu, ein Betriebswirt mit Harvard-Abschluss. Mitte der Neunzigerjahre erklärten die beiden Kanadier E-Mail zur zukunftsträchtigsten Anwendung für die mobile Datenübertragung. Wenige Jahre später lancierten sie den BlackBerry. Seither konzentriert sich das Unternehmen auf E-Mail-Lösungen, hauptsächlich für Geschäftsleute. Der Aktienkurs hat sich mehr als verzehnfacht. «Die Aktie ist billig», sagt UBS-Analyst Michael Urlocker trotzdem. «Es hat viel Platz zum Wachsen.» Im letzten Quartal stieg der Umsatz um 138 Prozent.

Die schwarze Beere hebt nämlich erst jetzt so richtig ab. Die UBS empfiehlt darum die RIM-Aktie nicht mehr mit «neutral», sondern jetzt mit «buy». Die Wachstumskurve zeigt steil nach oben. Wie im letzten Jahr soll sich der Umsatz auch heuer wieder verdoppeln. Dauerte es fünf Jahre, bis RIM eine Million der E-Mail-Maschinen verkauft hatte, reichten für die zweite Million zehn Monate. 80 Prozent aller BlackBerrys zirkulieren noch in den USA. «Früher haben die Europäer darüber gelacht», sagt UBS-Analyst Urlocker, «jetzt verbreitet sich das Gerät nirgendwo schneller als in Europa.» Vor kurzem lancierte RIM zusätzlich arabische und kyrillische Sprachversionen.

Die Firma umsorgt die Mobiltelefon-Anbieter

Anwaltskanzleien rüsten ihre Juristen mit BlackBerrys aus. Reporter tragen das Gerät am Gurt. Allen Mitgliedern des US-Kongresses schickte RIM nach 9/11 einen BlackBerry. Spitäler versehen Ärztinnen und Krankenpfleger mit dem Winzling, damit sie auf Patientendaten Zugriff haben. Bush-Berater Karl Rove drückte während des Wahlkampfs ständig auf den BlackBerry herum.

Solche Aufmerksamkeit ist gut fürs Geschäft. RIM verkauft die 200 bis 400 Dollar teuren Geräte über die Mobiltelefonanbieter. Ebenso den Service, der die E-Mails verteilt. Wobei RIM einen beachtlichen Teil der Gebühr bei den Zwischenhändlern lässt. «Du fütterst dich zuletzt, nicht zuerst», umschreibt Ko-Chef Balsillie das Verhältnis zu den Mobiltelefonanbietern, die er heftig umgarnt – und die ihm die Kundschaft bringen.

RIM erzielt 71 Prozent des Umsatzes mit Geräteverkauf, 17 Prozent mit der Gebühr für den E-Mail-Dienst. 7 Prozent werfen Lizenzen ab. Gemäss Balsillie bestehe dort Wachstumspotenzial. «Wir können den Bedarf allein gar nicht decken», sagte er an einer Pressekonferenz. So bietet zum Beispiel Nokia Telefone mit BlackBerry-Software an.

So funktionierts

Elektronische Nachrichten haben bei Managern das Telefon als zentrales Kommunikationsmittel ersetzt. Sie schwören auf den blitzschnellen und benutzerfreundlichen E-Mail-Service des BlackBerry von Research in Motion. Kein Gerät wickelt drahtlose E-Mails effektiver ab. Da jede Nachricht aufgestückelt und nicht am Stück heruntergeladen wird, fällt die übliche Wartezeit weg. Die E-Mails springen ohne Login und ohne Verbindungsaufbau auf den Bildschirm. Die BlackBerry-Software verwaltet zudem einwandfrei komplexe E-Mail-Systeme von Grossunternehmen. Die Firma legte von Beginn weg hohen Wert auf Sicherheit. Der BlackBerry lässt es zudem zu, dieselben E-Mail-Adressen zu haben wie im Büro, und verzichtet auf Kameras oder Spiele – Diskretion ist wichtiger als Albereien.