Der geläuterte Gangster

Der legendäre Hacker Kevin Mitnick darf wieder ans Internet.

Von Peter Hossli

Er war ein Trickser, und er war ein Gauner. Eine ganze Generation hat Kevin Mitnick mit seinem Können betört. Sie nannten ihn liebevoll den «Hacker-Guru», die jungen und ungewaschenen Computer-Geeks, die in den achtziger und neunziger Jahren mit Modem und Telefon die Welt revolutioniert hatten.

Mitnick ist deren Gott. Er gilt als raffiniertester Hacker der Welt. Er war schon überall, wo er nicht hingehört. Elegant loggte er sich in die Zentrale der amerikanischen Bundespolizei FBI ein, er knackte Banken und lud illegal Programme von den Servern der Softwaregiganten Novell und Sun auf seine Festplatte. Nur etwas blieb ihm bis vor kurzem gänzlich versagt: Das Surfen im Internet.

Während sich das World Wide Web ein ständig engeres Netz um die Welt schnürte, schmorte Mitnick nämlich im Knast. Bei einer Razzia wurde er 1995 in Kalifornien verhaftet. Zu einem Strafprozess kam es nie. Zu geheim waren die Informationen, die Mitnick hätte preisgeben können. Bis heute bleibt daher unklar, was genau er angerichtet hatte.

Ohne Kaution hockte er jahrelang hinter Gittern. Dort sei seine Intelligenz respektiert worden, sagte er jüngst in einem Interview. Alle wussten, was er tat. Ein kolumbianischer Drogenhändler habe ihm sogar fünf Millionen Dollar geboten, wenn er die Rechner des Gefängnisses hacke und so dessen Strafe verkürze.

Anfang 2000 legte Mitnick ein Geständnis ab – und kam auf Bewährung frei. Allerdings unter der Bedingung, drei Jahre lang keinen Computer anzurühren, der an ein Netzwerk angeschlossen ist.

Die Sperrfrist ist nun abgelaufen. Mitnicks Online-Debüt geriet in den USA zum Medienereignis. Die «New York Times» eröffnete eine Debatte über das moralische Ausmass von Computerverbrechen. In Internet-Foren hiess man den Hacker «herzlich willkommen». Der Mitbegründer der Computerfirma Apple, Steve Wozniak, beschenkte ihn mit einem Laptop. Der Kabelkanal Tech TV übertrug live, wie Mitnick erstmals surfte; er besuchte die Website seiner Freundin. Später schickte er Joseph Lieberman noch ein E-Mail. Der US-Senator gilt als aussichtsreichster demokratischer Präsidentschaftskandidat. Wird er gewählt, könnte er Mitnick begnadigen.

Auf das Pardon ist er angewiesen. Mitnick braucht dringend Geld. Ein US-Gesetz verbietet es Kriminellen, aus ihren Verbrechen Profite zu erzielen. Dabei sollen sich bereits etliche Studios in Hollywood dafür interessieren, Mitnicks Leben auf die Leinwand zu bringen.

Bestimmt ein guter Stoff: ein hinterlistiger, aber nicht wirklich böswilliger Held, der das FBI an der Nase herumführt – und nach verbüsster Strafe gegen echte Kriminelle ankämpft. Ums Geld sei es ihm ja nie gegangen, sagte Mitnick wiederholt. Angeblich hat Schauspieler Kevin Spacey («American Beauty») die besten Chancen auf die Hauptrolle.

Den Part des geläuterten Gangsters scheint Mitnick selbst zu geniessen. Auf Ebay bot er zwei Computer feil, mit denen er einst in die Netze eindrang. Letzten Oktober publizierte er ein Buch, das seine Karriere als Sicherheitsberater für Firmen mit ausgeklügelten Netzwerken lancieren sollen. In «The Art of Deception» schildert er, wie Leute mit schierer Freundlichkeit täuschen und stehlen. Derzeit akquiriert er erste Kunden.

All das macht er mit Selbstironie. So spielte Mitnick im vergangenen Jahr in einer TV-Serie einen CIA-Agenten, der, um die Gegner zu täuschen, eine gefälschte Website installierte. Hinzu kommt ein Image-Wandel. Weg vom Klischee des selten duschenden, ständig Fastfood mampfenden Hackers, hin zum Geschäftsmann. Mitnick hat abgespeckte und trägt jetzt Anzug und Krawatte. Die verschmierte Hornbrille hat er durch getönte randlose Gläser ersetzt.