Der Rattenfänger

Das Ansehen hat er schon verloren. Nun ist sein Monopol dran. Selber schuld. Denn Bill Gates hintertreibt den amerikanischen Traum.

Von Peter Hossli

Pech gehabt. Da überlässt einer drei Milliarden Dollar dem Gemeinwohl. Und erntet mehrheitlich Häme. Bill Gates, seit kurzem grösster privater Spender aller Zeiten, sei ein falscher Philanthrop, schrieben amerikanische Zeitungen. Einer, der Gutes tue, nur um dadurch noch wohlhabender zu werden.

Dabei vernetzt der Microsoft-Chef, je nach Aktienstand zwischen 70 und 80 Milliarden Dollar reich, gratis und franko öffentliche Bibliotheken in fünfzig US-Bundesstaaten. Nur: Ausrüsten lässt er die Rechner in den Lesesälen ausschliesslich mit Programmen und Betriebssystemen von Microsoft. Erstklässler, die dank dem Möchtegern-Altruisten erstmals Computer bedienen oder im Internet stöbern, werden vom smarten Rattenfänger angefixt.

500 PR-Profis polieren das Image von Bill Gates. Gleichwohl schneidet der Mogul bei Popularitätsumfragen miserabler ab denn je. Er gilt als selbstherrlicher und arroganter Schummler, als übler Monopolist. Der Kundschaft drehe er minderwertige Ware an. Jahrelang habe er überdies nutzbringende Ideen der Konkurrenz illegal gestoppt.

Für ihn weit schlimmer wiegt jedoch: Jetzt will der Staat Microsoft zerschlagen. Noch ist der seit Monaten in Washington D.C. andauernde Kartellrechtsprozess gegen den Softwaregiganten in vollem Gang. Insider gehen aber davon aus, Microsoft werde bald verurteilt. Klar belegten Beweise, dass Gates mogelte, bestach, log und täuschte. Spätestens das Oberste Gericht dürfte demnach sein Riesenreich zerstückeln. Bereits diskutieren Kolumnisten mögliche Firmenmodelle am Tag eins nach Microsoft. Der Verlierer hiesse Bill Gates. Sein weltweites Monopol zerfiele in etwa fünf Kleinunternehmen; die müssten sich schmachvoll gegenseitig konkurrieren. Nun solle das Justizministerium bloss noch griffige Lösungen finden, welche die übrige Computerbranche möglichst schadlos überstünde.

Nicht Eifersucht der Habenichtse hat zur Demontage des Superreichen aus Seattle geführt. Gates ist in den Augen vieler Amerikaner schlicht ein schlechter Mensch. Hier wird nicht etwa böswillig kreatives Unternehmertum bestraft, sondern erpresserische und manipulative Praxis. Amerikanern ist nämlich wenig heiliger als ein freier, gut funktionierender Markt. Den hat Gates – sein Betriebssystem Windows steuert über 90 Prozent aller Personal Computer – seit Beginn seiner Karriere mit def- tigsten Mitteln torpediert. Der Nimmersatt umklammert die digitale Welt. Zum Nachteil der Computernutzer, die keine Wahl haben.

Skrupellos hintertrieb er den amerikanischen Traum, vielleicht sein gröbster Fehler. In den USA wird fast abgöttisch verehrt, wer fleissig arbeitet und dank genialischer Originalität aus null bombastische Vermögen macht.

Gates ist nicht so. Seine Firma wuchs, weil sie mit schierer Grösse weit begabtere Emporkömmlinge verhinderte oder zerdrückte – statt den fairen und damit konsumentenfreundlichen Wettbewerb zu suchen. Das verzeiht ihm in Amerika keiner.