Spritzige Skulpturen

Atemberaubende Wasserspiele und Brunnen kreiert die Firma Wet Design in Los Angeles. Ihre ausgeklügelten Werke orientieren sich an der Architektur der Moderne.

Von Peter Hossli

Wasser fliesst launenhaft und eigensinnig. Kein anderes Naturelement bringt gleichermassen Lebenslust und Zerstörung, birgt grössere Hoffnungen und tiefer sitzende Ängste. Wer Wasser bändigen oder gar formen will, muss die Gesetze der Erdanziehung überlisten.

Genau das hat an diesem Sommermorgen in Universal City im Nordwesten von Los Angeles Claire Kahn im Sinn. Wenn auch nur skizzenhaft.

Im Atelier der kalifornischen Brunnenbaufirma Wet Design legt Design-Direktorin Kahn ihr neustes Projekt vor. Kritisch betrachten zwei Ingenieure die Konzepte, die Kahn per Computer auf eine rund fünfzehn Meter lange ausgelegte Papierrolle gekritzelt hat.

Für eine Herzogin im Norden Englands gestaltete sie ein komplexes Wasserspiel, einen «Brunnen des 21. Jahrhunderts», sagt sie: modern, schnörkellos, mit kontrollierten Bewegungen, die jede physikalische Barriere überwinden.

Damit dürfte Wet Design in Europa endgültig Fuss fassen. Bis anhin ist nämlich erst ein bedeutender Brunnen der weltweit führenden Wasserdesigner in der Alten Welt in Betrieb: Für den Boulevard der diesjährigen Weltausstellung in Lissabon schuf Wet Design den «Water Way», eine Allee mit sechs Wassertürmen, deren rötliche Keramikplatten an die sanften Farben Portugals erinnern.

Europa sei stets ein «schwieriges Pflaster» gewesen, sagt Wet-Design-Gründer und -Präsident Mark Fuller, 46, der von seinem grossen, weiss möblierten Büro durch die offene Tür ins Design-Atelier blickt. In Europa baue man seit über 2000 Jahren Brunnen. «Die Europäer glauben deshalb, US-Designer hätten in Europa nichts verloren.»

Es sind bisher vor allem Amerikaner, die schwerfällige Springbrunnen oder symbolbeladene Tränken durch leichte Eleganz oder verspielte Poesie ersetzen. Wet Design, 1983 von drei ehemaligen Disney-Angestellten gegründet, hat sich der Moderne verschrieben. Nicht bedeutungsschwangere Metaphern, sondern Funktion, Form und Wirkung bestimmen die Gestaltung der computergesteuerten Brunnen, die in Tokio, Melbourne und Bangkok auf Plätzen und im Innern hoher Bürogebäude Wasser spritzen oder sanft fliessen lassen.

Inspiriert von der strengen Objektivität des Bauhauses, der Weimarer Architekturbewegung der zwanziger Jahre, gestalten Designerinnen und Architekten variantenreiche Brunnen, deren Wassermassen mal mit Licht und Farbe, mal mit Feuer und Bewegung, Druck- und Pressluft gebrochen und gerichtet werden.
Auf keinen Fall soll die Natur imitiert werden. Einen künstlichen Wasserfall würde Wet Design nie bauen. «Wir erfanden den «neuen Brunnen»», sagt Jim Garland, neben Claire Kahn zweiter Design-Direktor, «befreit vom schwerfälligen Klassizismus.» Ein Brunnen, bei dem Ästhetik so wichtig ist wie bei italienischer Mode oder bei dänischen Stühlen.

Zum Ausdruck komme Form, Bewegung, aber auch Ton oder Temperatur des Wassers. Ein Eisbrunnen in Minneapolis im kalten Norden der USA gehört zum Repertoire wie ein Kinderbrunnen in Universal City, der Wasserdampf absondert. «Wir feiern Wasser in seiner Reinheit, Kraft und Vielfalt», sagt Garland.

Mit Erfolg. Die 15 Jahre alte Firma beschäftigt über 100 Designer, Ingenieurinnen und Laboranten. Jährlich werden von Wet Design entwickelte Projekte für 200 bis 250 Millionen Dollar gebaut. Derzeit sind 45 in Planung. Den weltweit grössten Brunnen – über 500 Meter lang und 500 Meter breit – enthüllt Wet Design im Oktober in Las Vegas: die nasse Verzierung des neuen Mega-Spielkasinos Bellagio. Baukosten über 25 Millionen Dollar.

Das Design-Spektrum reicht vom pompösen Wasserspektakel für das Crown Casino im australischen Melbourne, für das Jim Garland sechs von Wasser umspülte Säulen gestaltet hat, aus denen in regelmässigen Abständen Feuer speit, über eine simple vertikale Wasserwand, die einen Platz im Financial Destrict New Yorks belebt, und über den postmodernen, von Glas bedeckten Brunnen im Innern der Gas Company in Los Angeles bis zum interaktiven Kinderbrunnen im neonfarbenen CityWalk, einer künstlich angelegten Stadt unweit des Vergnügungparks der Universal Studios in Los Angeles.

Unterschieden werden «Water Features» – aufwändige Springbrunnen, die oft durch Lichtspiele, Choreografien, manchmal Feuer oder gar Musik ergänzt sind – und «Water Treatments» – eher kleinere Projekte, die an bereits bestehende Bauten angegliedert werden.

Beiderlei Brunnen kaufen Ölscheichs in Saudiarabien, denen zirkulierendes Wasser in der Wüste nicht seltsam vorkommt, Disneyland und Disneyworld, die Coca-Cola Company, die Stadt Kansas City im Mittleren Westen oder die Bauherren des neuen, ultramodernen Flughafens in Hongkong. Selbst das Museum of Modern Art in New York, nach wie vor das Nonplusultra moderner Kunst, beherbergt ein Wet-Design-Projekt. Und sogar bei der Bühnenschau einer japanischen Rockgruppe soll dereinst Wasser fliessen.

Aufträge, sagt Firmengründer Mark Fuller, kämen von «erfolgreichen Firmen oder wohlhabenden Leute, die den wirtschaftlichen Nutzen eines Wasserspiels bestens einschätzen können». Denn «Return on Investment» gehört genauso zum Argumentarium der Brunnenverkäufer wie simple Formschönheit oder ausgefeilte Qualität der Ingenieursarbeit. Wer ein Shoppingcenter oder ein Kasino mit einem Water Feature versehe, legt Marketingleiterin Carolyn Nott potenziellen Kunden nahe, werde lang anhaltend für Aufsehen sorgen. Das erhöhe den Käufer- oder den Spielerstrom, Statistiken würden das belegen.

Erhält Wet Design einen Auftrag, reisen Designer und Ingenieure zur vorgesehenen Stätte. Für einen Grundbetrag entwerfen sie Projekte auf Papier, dann Modelle aus Karton. Die Gesamtkosten werden berechnet, allfällige Auflagen, die Umwelt- oder Denkmalschutzgesetze mit sich bringen, werden erkundet. Will der Kunde das Projekt realisieren – «das war bis anhin stets der Fall», sagt Carolyn Nott -, führt Wet Design alle weiteren Schritte aus: Die Entwürfe werden vollendet. Ingenieure und Architekten überprüfen deren physikalische Realisierbarkeit. Wenn nötig, entwickeln Laboranten neue Produkte. Techniker installieren die Wasserpumpen. Designer programmieren die Choreografie.

«Wir wollen die totale Kontrolle», sagt Wet-Design-Chef Fuller. Andere Firmen beizuziehen sei nicht effizient. «Wer einen Brunnen bei uns bestellt», sagt er, «der kauft einen Rolls-Royce.» Dazu gehöre Massarbeit und eine Tochterfirma, die die Wartung übernimmt.

Billig ist das nicht. Zwischen 300 000 und 30 Millionen Dollar kostet ein Brunnen. Als Honorar verrechnet Wet fünfzehn Prozent.

Als die USA Ende der achtziger Jahre in eine Rezession schlitterten, expandierte Fuller nach Asien, in Bangkok und Osaka wurden Zweigstellen eröffnet. Allein in Japan realisierte Wet Design zwölf Projekte, dazu kamen Brunnen für Banken auf den Philippinen, für Einkaufszentren in Thailand und in Kuala Lumpur in Malaysia. Als 1997 die Börsen in Seoul, dann in Tokio krachten, schloss Fuller das Büro in Osaka. In Bangkok arbeitet nur noch eine Telefonistin. «Dafür läuft das US-Geschäft wieder blendend», sagt er. Auf Europa setze er vermehrt; demnächst wässert Wet Design in London und in Bordeaux.

Sonderlich reich sei er damit nicht geworden, sagt Fuller. Geld interessiere ihn nicht, seine Passion gelte dem Design und der technischen Innovation.

Als 19-jähriger Student an der University of Utah in Salt Lake City erfand er den laminierten Wasserstrahl, eine gleichmässig fliessende Fontäne, die aussieht wie ein gebogenes Glasrohr. Im Epcot Center im Disneyworld in Florida baute er dann den «LeapFrog»-Brunnen, ein Wasserspiel, bei dem laminierte Strahlen gebrochen werden und, einem hüpfenden Frosch ähnlich, von Becken zu Becken springen.

Weil Disney ihn zu wenig forderte, gründete Fuller 1983 die Brunnen-Konstruktionsfirma Wet Enterprises. Mit dem japanischen Stararchitekten I. M. Pei und den US-Landschaftsdesignern Dan Kiley und Peter Walker baute er für eine Bank in Dallas den Fountain Place. Es war der erste moderne Brunnen, der komplett mit der Architektur eines Gebäudes verschmolz: Wasser und Beton bilden eine gestaltete Einheit.

1984 stiessen die Designer Claire Kahn und Jim Garland hinzu. Die Firma wurde in Wet Design unbenannt, wobei Wet sowohl für «nass» wie für «Water, Entertainment, Technology» steht. Seither bestimmt das Design die Technologie. Ingenieure setzen um, was Garland und Kahn mit ihren Teams entwickeln. Deren Leitmotive: Jeder Brunnen hat sich in die Umgebung einzupassen; dem Design obliegt die Reduktion der Elemente aufs Wesentliche. «Je einfacher, desto schöner», sagt Claire Kahn. Gross geschrieben werde die Qualität der Technik, die für die Passanten jedoch stets unsichtbar bleibe.

Sieben Meilen westlich vom Hauptsitz in Universal City liegt die Spielwiese von Wet Design. Zwei Techniker machen dort nichts anderes, als mit Wasser zu experimentieren. Besondere Freude bereitet ihnen die Verbindung von Feuer und Wasser in einer einzigen Fontäne. Das liege im Trend, sagt Dave Salbato, einer der beiden. Wie ein kleiner Junge freut er sich, als es ihm gelingt, einen Wasserstrahl, durch den Methangas strömt, mit einem Bunsenbrenner zu entzünden. Noch entzückter ist Salbato, als er auf dem Parkplatz den patentierten «SuperShooter» vorführen kann, eine Riesenspritze, die Wasser über hundert Meter in die Höhe katapultiert.

Insgesamt hält Wet Design 32 Patente. Diese reichen von Feuerbrunnen über Beleuchtungsanlagen bis hin zu kinetischen Wassertürmen, die gleichmässig rotieren. Sorgsam werden diese Patente behütet. Industriespionage, sagt Nott, sei ein ständiges Problem. Fotografen haben darum nur selten Zutritt, Tonbandgeräte sind nicht erlaubt. Die Angestellten verschreiben sich strengster Geheimhaltung.
Bei Wet Design arbeiten Architekten, Grafikerinnen, Physiker. Die Ingenieurabteilung leitet der russische Petrochemiker Wladimir Parizher, der nach der Wende sein Heimatland verliess. Ihm unterstellt sind Computer-Programmierer, eine ehemalige Astronautin, ein früherer Nasa-Raketenwissenschaftler. Das Personal ist kosmopolitisch, in der Mehrzahl weiblich und ethnisch durchmischt. Ein junger Architekt stammt aus Ungarn, eine Asiatin leitet die Geschäftsabteilung, die Britin Nott das Marketing, eine Designerin aus Mexiko wurde eben angestellt.

Ständig neue Ideen, quere Auffassungen und Unvoreingenommenheit seien einziges Erfolgsrezept von Wet Design, sagt Nott. «Wet Design beschäftigt nur die smartesten und talentiertesten Leute.»

Gleichwohl tragen die fertigen Brunnen keine Unterschrift. Es sind Wet-Design-Produkte. Das Konzept der Autorenschaft, unter Architekten, Möbel- und Mode-Designern üblich, lehnt man ab. Brunnen seien wie Filme, sagt Fuller: «kreative Gemeinschaftsprojekte».

«Chaos allein wird mit der Zeit langweilig»

Firmenchef Mark Fuller und seine Mitarbeiter versuchen, Design und Technik zur Einheit zu verschmelzen.

Wet-Gründer und -Präsident Mark Fuller, 46, wurde an der University of Utah in Salt Lake City als Ingenieur ausgebildet. Danach besuchte er an der Stanford-Universität in Palo Alto, Kalifornien, einen Studiengang, bei dem Kunst und Technik gleichwertig behandelt wurden. Später arbeitete Fuller in der Spezialeffekt-Abteilung von Disney. 1983 gründete er Wet Design.

Herr Fuller, Ihre Firma gestaltet Designer-Brunnen. Was macht das Medium Wasser so besonders?
Mark Fuller: Seine Dynamik und seine Unberechenbarkeit. Wasser ist sinnlich, rein, einfach, oft auch poetisch. Es hat eine Funktion. All das entspricht der Tradition des Bauhauses, der Designschule, auf die wir uns beziehen. Jeder Mensch ist von einem Schlauch angezogen, aus dem ein Rinnsal läuft.

Warum ist das so?
Fuller: 97 Prozent unseres Körpers besteht aus Wasser. Wasser erhält Leben. Ähnlich fasziniert sind wir nur von Feuer, einem Element, das fast gleiche Bewegungen erzeugt. Wasser fordert den Geist, es verhält sich chaotisch, gefriert, regnet vom Himmel oder verdampft, ist stets überraschend und unberechenbar.

Wenn uns solches Chaos fasziniert, warum bringen Sie Form hinein?
Fuller: Chaos allein wird mit der Zeit langweilig. Würde man bei einem Brunnen Wasser durch weisse Holzstöcke ersetzen, wäre der Effekt redundant. Die Choreografie würde bald langweilen. Mit Wasser ist jedoch selbst die strikteste Struktur wegen der Erdanziehung, des Winds oder des Lichts stets chaotisch.

Was ist Ihnen wichtiger, schönes Design oder perfekte Technik?
Fuller: Wir versuchen, beides zu verschmelzen. Unser Grundgedanke basiert auf einem Lehrgang an der Stanford-Universität im Süden von San Francisco, den ich und einige meiner Mitarbeiter besucht haben. Dort studieren Künstlerinnen und Ingenieure gemeinsam. Als Technikerin beschäftigt man sich eher mit Kunst, als Künstler mit Technik.

Bestimmt nicht Technologie zunehmend den künstlerischen Ausdruck?
Fuller: Heute ist die Kunst genauso reich wie vor 1000 Jahren. Was mir an der heutigen Zeit gefällt, sind gerade die technischen Möglichkeiten. Dank Computern sind Dinge möglich, die Künstlern bis vor kurzem versagt blieben.

Design, nicht wirtschaftlicher Nutzen steht bei Wet im Vordergrund. Wie kann man da überhaupt überleben?
Fuller: Wir müssen unseren Kunden klar machen, dass Brunnen Wertschöpfung erzeugen. Menschen werden von Wasser angezogen. Ein Einkaufszentrum kann damit die Kundenfrequenz erhöhen.

Ihre Gewinnmarge ist nicht sehr hoch. Unternehmensprüfer raten Ihnen zur Massenproduktion. Sie aber stellen nur Einzelanfertigungen her.
Fuller: Geld ist wie Luft. Wenn man keine mehr hat, braucht man sie dringend. Brauche ich einen Sauerstofftank, den ich auf dem Rücken herumschleppe? Kaum.

Bei der jetzige Krise in Asien wäre ein Sauerstofftank doch angenehm.
Fuller: Jetzt müssen wir schauen, dass wir die Luft woanders kriegen.

Wet steht für Water, Entertainment und Technology. Mit dem Entertainment, der Unterhaltung, scheinen einige Wet-Designer Mühe zu haben.
Fuller: Entertainment ist ein Schimpfwort, vor allem wenn man wenige Meilen von Hollywood entfernt arbeitet. Wir versuchen, Unterhaltung in einem breiteren Sinn zu verstehen. Wet erfand eine subtile Form der Unterhaltung.

Brunnen: Macht und Unterhaltung
Brunnen spielen in der Geschichte der Menschheit eine zentrale Rolle. Wer die Verteilung des Wassers kontrollierte, hatte oft mehr Macht als Fürsten oder Könige. Städte wurden verlassen, weil Brunnen versiegten oder verseucht wurden.
Das Cooper-Hewitt National Design Museum in New York zeigt noch bis zum 11. Oktober Geschichte, Design, Architektur, Kunst und Funktion von Brunnen seit der Renaissance bis heute. Dabei wird nicht historisch, sondern thematisch vorgegangen.
Brunnenanlagen wie jene in Versailles oder auf dem Trafalgar Square in London dienten Herrschern als Darstellung ihrer Macht. Der Jet-d’Eau-Geysir in Genf – bis vor kurzem höchster Brunnen der Welt – oder der Fasnachtsbrunnen von Jean Tinguely in Basel sollten in erster Linie unterhalten. Die US-Architektin Maya Lin hingegen arbeitete mit fliessendem Wasser in Montgomery, Alabama, in Erinnerung an die Menschenrechtsbewegung.
Im Spätmittelalter waren etliche europäische Brunnen mit religiösen Symbolen beladen. Erst die Moderne befreite den Brunnenbau von der Schwere.