Die Angst geht um

Nach der Bankenfusion und dem Förderstopp der Migros zittert die Branche.

Von Peter Hossli

Als UBS-Chef Mathis Cabiallavetta vorletzten Montag an der Fusions-Pressekonferenz salopp von «rascher Verschlankung» und «added value» daherredete, geriet Ivo Kummer etwas in Panik. Der Leiter der Solothurner Filmtage fragte sich, ob sein Festival den vom neuen Bankenriesen gewünschten «return on investment» überhaupt erfüllen kann.

Die Angst ist berechtigt. Im nächsten März stehen Verhandlungen zwischen UBS und Solothurn an. Ob die globale United Bank of Switzerland dann noch bereit ist, die Filmtage am Jurasüdfuss mit jährlich 90 000 Franken zu unterstützen, ist vorerst fraglich.

Die Filmbranche bangt um die Beiträge des wichtigsten privaten Förderers.

Unklar sind die Strategien der Gross-banker nach abgeschlossener Fusion nämlich auch im Kulturbereich. «Noch fehlt ein Konzept», sagt Irmgard Germann, bei der UBS bis anhin zuständig für Kultursponsoring. Klar ist nur, dass die mit dem Bankverein fusionierten «Bankgesellen» (Branchenjargon) künftig mehr für ihr Geld wollen. Will heissen: Vornehmlich sollen populäre und weniger Insider-Veranstaltungen gefördert werden. Disney statt unabhängiges Kino. So, glauben die Banker, lassen sich Kleinanleger eher betören.

Der Hiobsbotschaften für die Kinobranche nicht genug, stoppt Detailriese Migros seine Filmförderung – ab sofort. Zwar werden die gesprochenen Gelder noch ausbezahlt. Neue Gesuche in den Bereichen Produktion und Promotion bleiben aber vorerst liegen. Im Lauf des kommenden Jahres soll dann entschieden werden, ob und wie die Migros den Film weiterhin unterstützt.

Duttweilers Erben wollen was fürs investierte Geld. Das schöngeistige Mäzenatentum wird durch ein gezieltes Kultursponsoring ersetzt. Und zwar mit einem massiv gekürzten Budget. Der Grund ist lapidar: Das in den Statuten verankerte Kulturprozent der Migros ist von den Umsätzen abhängig. Diese stagnieren. Da die Einnahmen nicht wachsen, wird bei den Ausgaben gespart. «Wir sind jetzt in einer Situation, die andere Förderorganisationen längst kennen», sagt Rein Wolfs, Kurator des Zürcher Museums für Gegenwartskunst und ab 1. Januar 1998 bei der Migros der neue Leiter «Visual Arts». Er krempelt die Förderung der visuellen Künste bei der Migros radikal um. Der Film spiele dann nur noch eine Nebenrolle.

Steigt die Migros gar ganz aus, bleibt ein Riesenloch. 1997 verteilte der Detaillist 500 000 Franken an Schweizer Filmer. Im selben Jahr gingen zusätzlich 120 000 Franken an Festivals oder Sonderveranstaltungen wie an das Cinemafrica in Zürich.

Für die finanzschwache Filmbranche war neben der Migros die UBS stets erste Anlaufstelle. Die Bank griff den Festivals in Locarno, Solothurn und Nyon unter die Arme und unterstützte 24 Open-Air-Kinos in mittelgrossen Städten. «Independent Pictures», einer Initiative von Verleihern kleiner Filme, überwies die UBS jährlich 500 000 Franken. Zusätzlich schüttete die Jubiläumsstiftung der Bankgesellschaft im laufenden Jahr 100 000 Franken an die Filmfertigung aus.

Einen Domino-Effekt könnte der jetzige Förderstopp der Migros und die Bankenfusion auslösen. Bereits haben die Stadt Genf und die protestantische Kirche angekündigt, sie würden ihren Filmkredit streichen – stets mit der Begründung, dafür sei schliesslich der Bund zuständig. Andere dürften folgen.

«Eine fatale Entwicklung» zeichne sich ab, sagt der Direktor des Bundesamtes für Kultur (BAK), David Streiff. In einem «Gespräch in Bälde» will er versuchen, den Entscheid der Migros umzudrehen. «Der Bund kann den Schweizer Film nicht alleine fördern», sagt Streiff. Für die Restfinanzierung aller Projekte brauche es dringend andere Partner.

Die Filmförderung kranke an fehlender Konkurrenz, sagt Marc Wehrlin, beim BAK Chef der Sektion Film. Statt zusätzlicher Mittel hätte er lieber einen gewichtigen Sponsor, der sich mit dem Bund um die besten Projekte streiten würde.�