«Streng dich an, und eines Tages wirst du gewinnen»

Kevin O’Connell ist der grösste Verlierer Hollywoods: 19-mal wurde er für den Oscar nominiert und hat nie gewonnen. Dieses Jahr ist er nominiert für die Tonmischung bei Mel Gibsons Epos «Apocalypto» - seine insgesamt 19. Nominierung. Gewonnen hat er noch nie. Er mischte den Ton bei weit über 100 Filmen, etwa bei «Spider-Man» 1 bis 3, «Top Gun», «Terminator 3» oder «Black Rain.

Von Peter Hossli

Mr O’Connell, Sie sind 19 Mal für einen Oscar nominiert worden. Bisher haben Sie stets verloren. Was läuft bei Ihnen schief?
Kevin O’Connell: Ich hatte nie Glück, die Akademie handelt unberechenbar. Meine Chancen werden ja nicht grösser, nur weil ich schon ein paar Mal nominiert war.

Dieses Jahr sind Sie für die Tonmischung in Mel Gibsons «Apocalypto» nominiert. Was tun Sie, um endlich zu gewinnen?
Kevin O’Connell: Ich sage allen, sie sollen mich nicht aufgrund der Aussagen beurteilen, die Regisseur Mel Gibson betrunken abgegeben hat. Leider legt sich Verleiher Disney nicht sonderlich ins Zeug für den Film.

Das tönt nicht gerade viel versprechend. Wem werden Sie danken, wenn Sie trotzdem gewinnen?
Kevin O’Connell: Meiner Mutter. Vor 29 Jahren gab Sie mir die Möglichkeit, an einem Film zu arbeiten. Sie sagte: «Streng Dich an und eines Tages wirst Du einen Oscar gewinnen.»

Sie müssen sich ja ziemlich schlecht fühlen, Ihre Mutter ständig zu enttäuschen.
Kevin O’Connell: Sie ist stolz, mich fast jedes Jahr an das Mittagessen der Oscar-Kandidaten begleiten zu dürfen. Für sie sind meine 19 Nominierungen ebenso wichtig geworden wie ein Oscar selbst wäre.

Ihre Mutter macht aus der Not eine Tugend. Was haben Sie mit den 18 Dankesreden gemacht, die Sie nie vortragen konnten?
Kevin O’Connell: Sie liegen zerknittert in einer Schublade in meinem Haus. Sie sind unbrauchbar geworden, da ich bei jedem Film mit anderen Leuten zusammenarbeite. Geblieben ist nur der Name meiner Mutter. Der steht jetzt ganz zuoberst, früher führte ich ihn jeweils am Ende auf.

Wie viel Mitleid kriegen Sie von Ihren Kollegen?
Kevin O’Connell: Alle Tonmischer wünsche mir mittlerweile von Herzen, ich würde endlich gewinnen – natürlich abgesehen von den vier anderen, die dieses Jahr nominiert sind.

Martin Scorsese war fünf Mal für einen Regie-Oscar nominiert. Stets hatte er das Nachsehen. Wie werden Sie ihn trösten, wenn er heuer erneut verliert?
Kevin O’Connell: Ich rate ihm, nie aufzugeben. Mal ehrlich: Scorsese ist bereits ein Sieger. Er ist einer der fünf besten Regisseure aller Zeiten. Für Scorsese oder für mich spielt es doch keine Rolle mehr, ob wir einen Oscar gewinnen oder nicht. Seine Karriere wird nicht besser mit einem Oscar, meine auch nicht. Es wäre einfach schön, das ledige Thema endlich hinter mich zu bringen.

Was würde Ihnen ein Oscar bedeuten?
Kevin O’Connell: Es würde allen beweisen, dass man seine Träume nie aufgeben sollte – egal wie schwierig es ist, sie zu erfüllen.

Halten Sie einen Platz bereit für die Statue?
Kevin O’Connell: Sie meinen, wenn ich es überlebe, bei der Oscar-Verleihung meinen Namen zu hören? Eines ist klar: An meinen Wänden hätte es keinen Platz mehr, die sind zugekleistert mit Zertifikaten für die Nominationen.

Ein Oscar wäre bestimmt bittersüss für Sie. Verloren ginge der Titel, der grösste Verlierer Hollywoods zu sein.
Kevin O’Connell: Gerne verzichte ich künftig auf diese Ehre. Aber es stimmt schon, ich erhalte deswegen reichlich Aufmerksamkeit. Gewinne ich einen Oscar, interessiert sich niemand mehr für mich.

Wen werden Sie beschuldigen, wenn es erneut nicht klappt?
Kevin O’Connell: Das Schicksal. Es ist einfach offenbar nicht meine Berufung, jener Typ zu sein, der ein paar Oscars einheimst. Ich bin derjenige, der ständig verliert.

Mit welchem Film hätten Sie gerne gewonnen?
Kevin O’Connell: Mit «Top Gun». Von allen nominierten Filmen hatte er 1987 klar den besten Ton.

Welches ist Ihre älteste Oscar-Erinnerung?
Kevin O’Connell: In den achtziger Jahren bin ich am Gouverneurs Ball betrunken auf den Tisch gefallen, wo die Studiobosse sassen, die meinen Film produzierten. Es ist keine schöne aber eine lustige Erinnerung.

Welches war Ihr lustigster Oscar-Moment?
Kevin O’Connell: Einst ging ich auf die Toiletten und schlug gegen eine Türe. Sie öffnet sich und da sass Jack Nicholson, die Hosen unten. «Ich habe nichts dabei», schrie er und hielt die Hände wie ein Krimineller in die Höhe, «ich habe nichts dabei.» Bis heute frage ich mich, was er denn damit gemeint hatte.

Was war das beste Produkt, das Sie jemals in einer Geschenktüten erhielten?
Kevin O’Connell: Nur die Gewinner kriegen Geschenktüten. Einst erhielt ich eine Gesichtscreme, die war so gut, ich kaufe sie mir noch heute.

Sie nahmen an 18-Oscar-Verleihungen teil. Welches war die lustigste Party?
Kevin O’Connell: Ich gehe meist gleich nach Hause. Als Verlierer ist man nicht in Party-Stimmung. Zudem musste ich am nächsten Tag immer arbeiten.