Das brillante iPhone kann telefonieren, zeigt Videos, lässt im Internet surfen und Fotos editieren. Aber macht so viel Spass wirklich Freude?
Die Aufregung des Tages entlädt sich um 11 Uhr nachts in Brooklyn. Verzweifelt hämmert der Reporter an die verriegelte Türe des AT&T-Ladens. «Öffnen Sie sofort, ich stand vier Stunden in der Hitze und habe 600 Dollar für ein Telefon ausgegeben, telefonieren kann ich damit aber nicht.» Zornig hält er das iPhone ans Schaufenster. Mary, die Managerin, wimmelt ab. «Kommen Sie morgen wieder, alle unsere Computer sind ausgestiegen.» Zwanzig Stunden später erkennt das iPhone endlich ein Signal. «Wir entschuldigen uns für die Verzögerung», sagt eine AT&T-Telefonistin freundlich. «Apple war von der Aktivierung überfordert.»
Das mag sein, im Griff hingegen hat Apple die Entwicklung elektronischer Geräte. Berechtig war der monatelange Hype um das iPhone, dessen Verkauf letzten Freitag in den USA anlief. Das Handy ist bezaubernd und der Konkurrenz bei weitem überlegen. Binnen Minuten saugt es Bookmarks, E-Mail-Konten, Songs und Videos aus dem Computer. Einwandfrei harmonieren die vielen Funktionen. Apple-Chef Steve Jobs übertreibt nicht, wenn er die berührungsempfindliche Benutzeroberfläche als «revolutionär» bezeichnet. Intuitiv ist sie in Kürze erlernt. Angenehm lässt sich auf der virtuellen Tastatur tippen. Ein rundum erneuerter iPod verwaltet Musik, Filme und Podcasts handlicher als bisher. «Das Design ist makellos und elegant», sagt die New Yorker Grafikerin Tina Roth Eisenberg.
Neid erwächst bei denen, die keines haben. Wie stets samstags tummeln sich Väter auf dem Spielplatz. Mittels iPhone fotografiert einer seine schaukelnde Tochter. Zwei Klicks später ist das Bild per E-Mail unterwegs. Ein Akt, der drei Männer von ihren Kindern wegbringt. Einer zückt seinen Blackberry und setzt zum Längenvergleich an. Danach will auch er ein iPhone.
Er muss sich beeilen. Viele AT&T-Läden seien ausverkauft, melden die Agenturen. Je nach Analyst gingen in zwei Tagen zwischen 250000 und einer halben Million weg. Ein Rekord für Apple, zu wenig für die Börse. Apple- wie AT&-T-Aktien eröffnen am Montag schwächer. Die Investoren wundern sich wohl, wann Version 2.0 kommt. Nächsten Januar, schätzen Blogger. Sie erwarten im September ein erstes Software-Update, das Mängel behebt.
Tücken hat das iWunder durchaus. Viel zu rasch entleert sich die Batterie. Zwanzig Minuten läuft auf dem Weg zur Arbeit ein Podcast, die Bürokollegin bestaunt ein kurzes Video, die «Weltwoche» ruft an und bestellt diesen Artikel, dazu vier kurze private Gespräche – schon ist ein Drittel der Energie verpufft. Ab sofort reist ein Ladegerät mit. Das iPhone kann vieles gut. Andere können, was das iPhone nicht kann, etwa Videos drehen oder Word-Dokumente bearbeiten. Für die Jackettasche ist es zu klobig geraten. Fällt es in den Ruhezustand, verschwindet die Uhr. Um ein Gespräch aufzubauen, sind mindestens fünf, meist sechs Klicks nötig.
Tröstlich, dass jeder Klick entzückt, als kitzele man an Bits und Bytes. Im Nu öffnet der vollwertige Browser Webseiten. Sanftes Berühren zoomt Texte heran, die sich so mühelos lesen lassen. Betörend, wie der Monitor gestochen scharf YouTube-Videos darbietet.
Doch macht so viel Spass wirklich Freude? Wenn das iPhone ständig mit Reizen lockt, bleibt da Muse für die Familie, den Flirt, das Kino oder ein Buch? In vierzehn Tagen muss die Frage geklärt sein. So lange nimmt AT&T das Gerät zurück. Danach ist man zwei Jahre lang vertraglich an das iPhone gekettet.
Elf Tage nach dem Erwerb habe ich das iPhone zurück gebracht.