Wo ist die Polizei?

kuesnachtSeit bald einem Monat bin ich in der Schweiz. Die Zeitungen berichten vornehmlich über Tennisass Roger Federer – und über Gewalt. In München schlagen drei Schüler aus Küsnacht grundlos mehrere Passanten spitalreif. Bei Schlägereien in Basel und Zürich erleiden junge Männer lebensgefährliche Verletzungen. «Auto-Prügler» verhauen in St. Gallen einen Maurer. Die Liste wäre noch länger.

Wo aber war bei diesen Attacken die Polizei? Was macht die Polizei?

Die einzigen uniformierten Beamten, die man in Zürich oder Baden, in Basel oder St. Gallen öfters sieht, schreiben Strafzettel für Falschparker. Die anderen sitzen wohl in Amtsstuben und verfassen Berichte. Offenbar ist kaum jemand auf Patrouille. Und wenn, dann anonym hinter Fensterscheiben in Streifenwagen.

Das ist in Deutschland scheinbar nicht anders. Eine halbe Stunde lang sollen die Küsnachter Schläger in München unbesehen ihren Opfern nachgestellt und auf sie eingedroschen haben. Warum schritt die Polizei nicht ein? Wo war sie?

policeDa bin ich mir anderes gewohnt. In New York ziehen Polizisten unaufhörlich zu Fuss durch die Strassen. Zu zweit patrouillieren sie meist gutgelaunt, sei es in einem Familienquartier in Brooklyn, in der Bronx oder bei Touristen am Times Square. Sie geben sich freundlich, mampfen bei Hunger Hot Dogs. Sie sind aufmerksam, bestimmt und selbstsicher. Vor allem aber sind sie da, für alle gut sichtbar.

Das verbreitet Sicherheit.

Vor ein paar Jahren geriet ich in New York beim Stadthaus beinahe in eine wüste Schlägerei. Ein befreundeter und kräftiger Künstler stellte einem Kerl nach, der mich versehentlich angerempelt hatte. Zur Schlägerei kam es nicht. Nach wenigen Sekunden schon waren zwei besonnene Cops zur Stelle, welche die Raufbolde trennten und sie rasch beruhigten. Verhaftet wurde keiner, alle zogen friedlich davon. Der Abend war gerettet.

Zu dieser Anekdote gehört eine Erfolgsgeschichte. Die in den neunziger Jahren verstärkte Präsenz von Polizeipatrouillen hat die Kriminalitätsrate in New York minimiert. Aus der einst gefährlichen Stadt wurde eine der sichersten Metropolen der Welt. Nicht wegen Rambos, sondern dank Cops, die man in den Quartieren kennt und schätzt – und die dann einschreiten, wenn sie gebraucht werden.

Wäre das Modell für Europa tauglich? Vielleicht. Sicher ist, dass Strafzettel für Falschparker nicht vor Körperverletzungen bewahren. Ein Polizist aber, der eine Schlägerei stoppt oder sie gar verhindert, kann das.

Bild: Stefan Falke