Women’s March in Washington
Weckruf in Washington
Hunderttausende erhoben in der US-Hauptstadt ihre Stimme gegen US-Präsident Trump. Vor allem weisse Frauen gingen auf die Strasse.
Women’s March in Washington
Washington reichen 24 Stunden für eine komplette Verwandlung. Es ist Samstagmittag, laut, schrill, bunt – und vor allem weiblich.
Gegen eine Viertelmillion Menschen strömen auf die National Mall der US-Hauptstadt. Die meisten sind Frauen, alle wütend – auf US-Präsident Donald Trump (70), der gestern an gleicher Stelle vereidigt worden ist.
Auf der Bühne warnt Feministin Gloria Steinem (82) den Präsidenten: «Zwingst du Muslime, sich zu registrieren, werden wir uns als Muslime registrieren lassen.» Regisseur Michael Moore (62) verliest die Telefonnummer des US-Kongresses: (202) 225 3121. «Ruft jeden Tag an, gemahnt eure Volksvertreter, etwas zu tun.» Und: «Bewerbt euch selbst für ein Amt!»
Stars aus Film, Fernsehen und Musikgeschäft treten auf.
«Wir haben das vermasselt»
Am Anfang einer neuen Bewegung soll der Marsch stehen, der weltweit Nachahmer hat. Ein Weckruf. Denn: «Wir haben das vermasselt», sagt Designerin Cat Sheridan (35) selbstkritisch. Sie trägt einen «Pussy Hat», eine rosa Mütze mit Katzenohren. «Demokraten merkten in ihrer Blase nicht, dass die Amerikaner etwas Neues wollten», sagt sie. «Wir liessen nach und sind mitverantwortlich für Trump.»
Selbstverständlich sei es ihr «peinlich, einen Präsidenten wie Trump zu haben», so Sheridan. Aber das reiche nicht. «Ich kandidiere für ein Amt!»
Lee aus Virginia möchte Melania Trump von ihrem Ehemann befreien.
Bunte Plakate ziehen an ihr vorbei: witzige, böse, freche. «Sexismus ist nicht mutig.» – «Befreit Melania.» – «Liebe, nicht Hass macht Amerika.»
Mit Hitlerschnauz und Hakenkreuzarmbinde hat Sophia Stilphen (14) den neuen Präsidenten gemalt. «Not Mein Führer», steht auf ihrem Schild. Die Schülerin ist mit ihrer Mutter aus Kalifornien angereist. «Keinesfalls dürfen wir solchen Sexismus und Rassismus in Amerika erlauben», sagt die Schülerin.
Mit 13 Freundinnen ist Verkäuferin Christina Gingerich (40) aus der Stadt Athens in Ohio gekommen. Aus einem Bundesstaat, in dem sich Trump die Präsidentschaft sicherte. Wo Menschen glauben, sie gehörten zu den Verlierern. «Trump gaukelt dem Volk etwas vor, verspricht ihnen, was er nicht halten kann», sagt Gingerich.
Sie hält ein Plakat in die Luft mit der Aufschrift «Stop Agent Orange» – ein ironischer Verweis an Giftgas während des Vietnamkriegs und Trumps Haarfarbe. Ihre Botschaft: «Trump soll wissen, dass er Präsident aller Amerikaner ist, nicht nur von seinen reichen Freunden.»
Christina Gingerich (Mitte) ist mit 13 Freundinnen aus der Stadt Athens nach Washington gereist.
Sechs Stunden sass die 70-jährige Molekularbiologin Hawley Lenki im Bus nach Washington. Die zierliche Frau ist enttäuscht, «kann ich nicht Hillary Clinton als Präsidentin» feiern. Nun trägt sie eine Nachricht nach Washington: «Trump, benimm dich!»
Mütter reisten mit ihren Töchtern an, Grossmütter mit ihren Enkelinnen. Etwas fällt auf: der Frauen-Marsch ist eine fast gänzlich weisse Sache. Schwarze verkaufen T-Shirts und stehen Wache. Nur vereinzelt marschieren sie und Latinos mit. Da unterscheidet sich der Frauen-Marsch nicht von Trumps Vereidigung am Tag zuvor.
Die achtjährige Nula will einen Präsidenten für alle
Frauen, die ich in Washington darauf anspreche, drehen sich um die eigene Achse und sind erstaunt: «Ja, das stimmt, mir fällt das erst jetzt auf», sagt Biologin Lenki. «Da läuft etwas falsch.»
Die Schwarzen müssten «halt arbeiten und können sich die Reise nicht leisten», sagt eine Studentin. Dabei ist in Washington fast 50 Prozent der Bevölkerung schwarz.
Was stimmt: Amerika ist in vieler Hinsicht ein zutiefst gespaltenes Land. Und das ist nicht nur ein Problem von Donald Trump.
Weisse Frauen tragen «Black Lives Matter»-Poster. Schwarze und Latinos marschieren wenige mit.