Siegen für Bergamo
Keine andere Region Europas war stärker von Covid-19 betroffen als die Gegend rund um Bergamo. Wie erleben die Menschen dort die jetzige Sternstunde des italienischen Fussballs?
Lässig schiebt Jorghino den Ball in die rechte untere Ecke des Tors. Er trifft. Italien steht im Endspiel. Auf der Leinwand umarmen und küssen sich Spieler und Coaches der Squadra Azzurra. Die Welt bejubelt ein Team, das sich an der diesjährigen Fussball-Europameisterschaft in die Herzen gespielt hat.
Verhalten, ja verzagt ist der Jubel in Bergamo. Kein Johlen, kein Singen, kein Tanzen. Zwar fliegen Arme in die Höhe, Liebespaare küssen sich. Freunde aber nicken einander bloss zu. Wer sich lose kennt, hält Abstand.
Es ist ein lauer Dienstagabend im «Edoné». Vielleicht 500 Menschen sind in die Freiluftbar am Stadtrand von Bergamo gekommen, benannt nach der griechischen Göttin der Lust. Sie sitzen auf Holzbänken, essen und trinken Köstlichkeiten. Der italienische Sieg im Penaltyschiessen krönt die zauberhafte Nacht. Doch zehn Minuten nach dem letzten Elfmeter hat sich der Park bereits geleert. «Aus Respekt vor unseren Toten» sei die Feier zaghaft, erklärt Franz Barcella, 38. Ihm gehört das «Edoné». «Solange die Wunden noch nicht vernarbt sind, fällt es uns schwer, loszulassen.» Obwohl er und ganz Italien den Calcio lieben, den Fussball, und das Team mit den sympathischen Typen sehr mögen, überträgt sich die Begeisterung nicht auf Bergamo.
Mit dem «Duft der Unsterblichkeit» trete die italienische Elf an der EM auf, schrieb die «Süddeutsche Zeitung». Eineinhalb Jahre nachdem das Sterben in Italien allgegenwärtig war. Als in Bergamo Militärlastwagen hielten, um Leichen in Säcken wegzufahren, da es in der Stadt an Särgen mangelte – und die Regierung verhindern wollte, dass sich die Lebenden bei der gemeinsamen Trauer ansteckten.
Damals, im Frühling 2020, hatte man den Bergamasken die Toten genommen, die Menschen, die an Covid-19 starben. Schlimmer betroffen war keine andere Region Europas als die wohlhabende Gegend, eingeklemmt zwischen Po-Ebene und Alpen. Ohne Vorwarnung sei «eine biologische Bombe» eingeschlagen. Es ist ein Sprachbild, das oft kommt. Allein in den ersten zwei Monaten der Pandemie starben rund um Bergamo über 6000 Menschen an Covid-19. Die Kirchen hörten auf, bei jedem Verstorbenen die Totenglocken zu läuten; es war für die Überlebenden zu viel geworden.
Noch heute trauert in der città martire, der Stadt des Martyriums, jeder Bergamasker um Freunde, eine Nonna, einen Nonno, eine Mutter oder einen Vater. «Dieser Ort ist ein Symbol des Schmerzes der ganzen Nation», sagte Italiens Ministerpräsident Mario Draghi, als er die Stadt diesen März besuchte.
Es war ein Schock, der Italien wachrüttelte. Die von Touristen geliebte und von Bürgerinnen zuweilen verdammte italienische Nonchalance ist wegen Covid-19 einer eisernen Disziplin gewichen. Man könnte meinen, das Land gehe gegen das Virus vor, wie Italien oft Fussball spielt. Catenaccio gegen Sars-CoV-2. Was heisst: Rigoros wirft man sich den Angreifern in den Weg. Fehler dürfen nicht passieren.
Das Impfzentrum von Albino bei Bergamo ist in der Stadthalle eingerichtet, wo sonst Theaterstücke aufgeführt und Konzerte gegeben werden.
Dieses Bewusstsein übertrage sich zurück auf den Fussballplatz, sagt der Präsident des Ärzteverbandes von Bergamo, Guido Marinoni, 70. «Jeder Spieler des Nationalteams weiss genau, was Bergamo für Italien bedeutet. Das Team zerreisst sich auf dem Spielfeld für die Region, alle wollen für Bergamo gewinnen.»
Dottore Marinoni hat sein Büro im Saal des Theaters von Albino eingerichtet, einer Stadt östlich von Bergamo, die in der ersten Welle eine der höchsten Mortalitätsraten Italiens aufwies. Wo sonst Konzerte gegeben und Schultheater aufgeführt werden, wird jetzt geimpft, täglich bis zu 1000 Menschen. Marinoni ist stolz auf einen neuen Superlativ: Die Region hat heute eine der höchsten Impfquoten Italiens. Gleichwohl blickt er sorgenvoll auf das Finale, wenn Italien am Sonntag in London auf England trifft. Sollte die Squadra gewinnen, könnte doch eine grande festa steigen, bei der Menschen sich küssen, singen und Viren übertragen. «Es wäre eine Katastrophe, wenn wir wegen des Titels unsere Disziplin ablegen würden.»
Es wäre die «zweite Katastrophe», sagt der Arzt. «Bergamo hat jene Generation an Covid verloren, die nach dem Krieg die Stadt aufgebaut hatte. Gegangen sind die Menschen, die all das erschufen, was uns grossartig macht: die Kultur und das gesellschaftliche Leben.» So verlor die Region 31 Ärztinnen und Ärzte, darunter viele Hausärzte, da sie weniger gut geschützt waren als die Kollegen im Spital.
Die città alta, die pittoreske und von der Unesco als Weltkulturerbe geschützte Befestigungsanlage, wirkt verwaist.
Bergamo scheint stiller geworden zu sein, etwas ärmer. Gesichter in Bars und auf Strassen wirken leer. Die neue Gelassenheit, wie sie andere europäische Städte diesen Sommer erleben, fehlt. Viele tragen selbst draussen noch Maske, obwohl sie es nicht müssten. An den Eingängen mancher Läden stehen Geräte, die Körpertemperaturen messen. Vergisst jemand, die Hände zu desinfizieren, wird er forsch dazu aufgefordert. Die città alta, die pittoreske und von der Unesco als Weltkulturerbe geschützte Befestigungsanlage, wirkt verwaist. Restaurants auf dem Domplatz sind zwar halb voll, aber es dinieren nicht wie sonst kulturbeflissene Amerikaner, sondern Bergamasker. Keiner streichelt sich beiläufig, küsst den caro oder legt der cara freundschaftlich die Hand auf die Schulter. Als wäre die Italianità eingefroren oder ganz weggefallen.
Riccardo Frizza dirigiert am Teatro Gaetano Donizetti. Die Hälfte des Stammpublikums ist an Covid-19 gestorben.
Ja, er lerne, sich ohne Berührungen auszudrücken, erklärt Riccardo Frizza, der musikalische Direktor am Teatro Gaetano Donizetti, dem städtischen Opernhaus. «Statt uns zu berühren, setzen wir auf Gesten», sagt der 49-jährige Dirigent, der seit 2017 das Gaetano-Donizetti-Festival leitet. Das Fest ist dem berühmtesten Sohn der Stadt gewidmet, der im 19. Jahrhundert gegen siebzig Opern komponierte.
Frizza steht auf der Bühne vor dem leeren Zuschauerraum. Letztes Mal vor Publikum dirigierte er im Dezember 2019. Dann kam die Pandemie, das kulturelle Leben stoppte. Als sich im darauffolgenden Sommer die Situation entspannte, konnten viele Künstlerinnen und Künstler ihre Arbeit nicht einfach aufnehmen. Sie brauchten ein Ritual. Die Stadt organisierte beim Friedhof von Bergamo ein Konzert, nur für die Bürgermeister der Region und den Präsidenten der Republik. Frizza dirigierte Donizettis Requiem, der TV-Sender Rai Uno übertrug es. «Es war eine Hommage an unsere Toten», sagt er. «Sie starben einsam, wurden einsam beigesetzt, vor ihnen wollten wir uns verneigen.» Frizza weint, während er erzählt. Die Erinnerungen schmerzen noch immer. «Es gab Menschen im Chor und im Orchester, die ihre Mütter oder Väter an Covid-19 verloren hatten. Sie musizierten vor dem Friedhof für ihre Liebsten – und für Italien.»
Die Verletzlichkeit, die Frizza zeigt, hängt wie ein Schleier über der Region. Er hofft, im November wieder vor Menschen dirigieren zu können. Einfach werde es nicht, die Plätze des Opernhauses zu besetzen. Wohl die Hälfte des Stammpublikums sei gestorben. «Die Pandemie zwingt uns, die Jungen für die Oper zu begeistern.» Was er als Chance sieht. Im Teatro soll man sich künftig in Bluejeans so wohl fühlen wie in Abendkleidern. «Bergamo kann zum Symbol der Erneuerung werden, aber das geht nicht von heute auf morgen.»
Seit 42 Jahren sind Davide Carrara und Luciana Zanchi verheiratet. Sie fürchtete um sein Leben, als er intubiert war.
Von der Quartierstrasse in Albino winkt Davide Carrara dem eineinhalbjährigen Giacomo zu. Der Kleine spielt auf dem Balkon, beobachtet von Luciana Zanchi. Seit 42 Jahren sind Davide und Luciana verheiratet, Giacomo ist ihr erster Enkel. «Er hat viel Talent, er wird Fussballer werden und für Atalanta Bergamo spielen», sagt der 67-jährige Carrara. Auf seinem Gesicht breitet sich Freude aus. Er weiss: Beinahe hätte Giacomo ihn nie gekannt. Zur Welt kam der Bub, kurz bevor sein Grossvater ums Überleben kämpfte. Im Februar letzten Jahres erkrankte Carrara an Covid-19, als einer der Ersten in Albino. Anfänglich wusste niemand, was es war und wie man ihn behandeln sollte. Er hatte hohes Fieber, der Hausarzt verschrieb Medikamente, die nicht wirkten. Erst als Luciana sagte, Davide habe einen Herzinfarkt gehabt, holte ihn die Ambulanz ab. Drei Wochen lang war er intubiert.
Die beiden halten sich wie Menschen, deren Liebe nie erkaltet ist. Der Pensionär, der für ein Transportunternehmen gearbeitet hatte, fühlt sich heute müder, atmet schwerer, die Lungenflügel sind vernarbt. Er tischt Focaccia auf, serviert Mineralwasser und redet über Fussball, spricht vom famosen Champions-League-Spiel zwischen Atalanta Bergamo und Valencia am 19. Februar 2020 in Mailand, an dem sich Tausende Bergamasker angesteckt hatten. Deshalb ist er ambivalent gegenüber dem Erfolg der Azzurri. «Fussball ist schuld an der Katastrophe.» Carrara hofft auf einen Sieg in London, «aber das wird nicht reichen, um uns zu heilen». Viele ausserhalb des Tals hätten nicht begriffen, wie gross der Verlust gewesen sei. Allein in Albino starben in den ersten drei Monaten 180 Menschen. An der Wand in seiner Wohnung hängt das Gemälde eines lokalen Malers, der sich letztes Jahr das Leben nahm – aus Angst, an Covid-19 zu erkranken und einsam sterben zu müssen.
Fabio Terzi, Bürgermeister von Albino bei Bergamo. 43 Prozent der Bevölkerung hatten mit Coronaviren Kontakt.
Es gibt mehrere Erklärungen dafür, warum die Region um Bergamo so stark betroffen war. Das Coronavirus tauchte zu einem Zeitpunkt auf, als Sars-CoV-2 noch wenig bekannt war. Die Menschen leben eng beieinander. Lokale Fabriken fabrizieren für China, ihre Patrons fliegen oft nach Peking. Und Bergamos Flughafen ist nach Rom und Mailand der drittgrösste des Landes. «Das Coronavirus war bei uns, lange bevor wir es wussten», sagt der Bürgermeister von Albino, Fabio Terzi. Bereits im Januar 2020 waren dem 50-Jährigen sonderbare Lungenentzündungen aufgefallen, sogar bei kleinen Kindern. Als er die Stadt nach der ersten Welle auf Antikörper testen liess, hatten 43 Prozent der Bevölkerung bereits Kontakt mit Coronaviren gehabt.
Erst vor kurzem konnte Terzi das Stadthaus wieder öffnen. Zuvor regierte er im Krisenmodus, einzig Geburten und Todesfälle konnten noch persönlich gemeldet werden. Dass jetzt der Alltag in die Verwaltung zurückkomme, habe viel mit dem Regierungswechsel in Rom zu tun. Unter Ministerpräsident Giuseppe Conte kamen täglich lange und oft widersprüchliche Bulletins bei den Gemeinden an. Dessen Nachfolger Draghi informiere einmal monatlich kurz und knapp, sagt Terzi.
Viele Läden sind noch immer zu. Bars und Restaurants bieten mittlerweile Take-away an, sogar den caffè liefern sie nach Hause – was üblich ist in Metropolen wie Mailand und Rom, nicht aber in Kleinstädten am Fuss der Alpen. Einige Süditaliener haben Albino und andere Städte vorübergehend verlassen. Ihretwegen etabliert sich in Italien ein neuer Begriff: south working, das Home-Office in Süditalien für den Norden. Weil das Essen dort besser, das Meer näher und das Wetter sonniger ist, sind viele nach Neapel, Kalabrien und Sizilien gegangen, um von dort für Firmen in Bologna oder Turin zu arbeiten.
Er freue sich auf das Finale zwischen Italien und England, sagt der Bürgermeister. «Es treffen die beiden Länder aufeinander, die in Europa am meisten gelitten haben.» Ein italienischer Sieg könne das Leid nicht auslöschen, «aber er kann uns stolz machen». Insbesondere wegen der Art, wie die Squadra Azzurra an dieser EM auftrete. Keiner sticht heraus, jeder springt für den Nächsten ein. «Es ist das, was Italien jetzt braucht, diese Mannschaft wird zum Vorbild für das ganze Land.»
Pflegefachfrau Miriam Milesi vor dem Ospedale Papa Giovanni XXIII in Bergamo.
Umgekehrt sieht es Pflegefachfrau Miriam Milesi. Bergamo sei das Vorbild der siegreichen Mannschaft. Milesi arbeitet auf der Notfallstation des Ospedale Papa Giovanni XXIII, des Spitals am westlichen Stadtrand. Beim Eingang hängt ein grosses Plakat, auf dem eine maskierte Pflegefachfrau ganz Italien in den Armen wiegt. Das Papa Giovanni ist ein Symbol des Martyriums. Hunderte von Covid-19-Patienten hat Milesi betreut. Sie war dabei, als das Spital in wenigen Stunden umstellen musste, von planbarer Transplantationsmedizin auf chaotische Kriegsmedizin.
Sie lieh sterbenden Patienten ihr Telefon, damit sie mit Angehörigen über Video reden konnten. Priester zeigten ihr, wie man Letzte Ölungen spendet, da die Geistlichen nicht mehr ins Spital durften. «Das alles ging nur mit Teamwork», sagt die 55-Jährige, die wie viele ihrer Kolleginnen selbst an Covid-19 erkrankte. «Alle packten an, es gab keine Hierarchien, wie im Feldlazarett halfen alle, wo sie konnten, fiel einer aus, übernahm der Nächste die verwaiste Position und machte einfach weiter.» Milesi redet wie Sportjournalisten, die in diesen Tagen die Azzurri beschreiben.
Der Eingang des Altersheims von Albino ist geschlossen. Eine Pflegerin misst bei den Besuchern die Temperatur. Wer nicht oder erst einmal geimpft ist, macht einen Schnelltest. Sonst bleibt die Türe zu. Hände und Unterarme müssen desinfiziert werden. Nie mehr soll passieren, was vor einem Jahr geschah: Ein Viertel der Bewohnerinnen und Bewohner starb an Covid-19. Besonders schlimm war es in der Alzheimer-Abteilung, wo keine Abstände eingehalten werden konnten. «Das Coronavirus darf nie mehr in unser Heim kommen», sagt die medizinische Direktorin, Tiziana Mosso. Sie ist erfolgreich: Seit Monaten gab es bei ihr keinen einzigen Fall mehr.
Geblieben sei Schwermut, sagt sie, verarbeitet hat die 45-Jährige längst nicht alles. Oft weine sie, wenn sie an Erlebtes denke. Etwa an den Streit mit dem Bestatter, der es damals nicht schaffte, ihr genügend Särge zu liefern. Oder an die Wochen, als sie von ihrem Mann getrennt lebte, um das Risiko einer Ansteckung zu mindern; er ist Psychiater, und Bergamo brauchte damals jeden gesunden Arzt.
Der Gastroenterologe Stefano Fagiuoli liess sich während der ersten Welle zum Lungenarzt umschulen.
Die Pandemie hat viele Mängel des italienischen Gesundheitswesens offengelegt, in Spitälern wie in Pflegeheimen. Jetzt fliesst aus Brüssel reichlich Geld nach Rom und weiter in die Gemeinden. Spitäler kaufen damit neue Geräte, obwohl vor allem Menschen fehlen. Italiens Ärztinnen und Ärzte arbeiten lieber in Bellinzona als in Bergamo, da sie dort mehr verdienen. Jene aus Osteuropa gehen nach Deutschland und Frankreich statt nach Italien.
Stefano Fagiuoli, 62, kam in Rom zur Welt, studierte in Padua Medizin, bildete sich in den USA weiter. Seit 16 Jahren befasst sich der Gastroenterologe in Bergamo mit menschlicher Verdauung. Er kennt sich aus bei Magen, Darm und Leber und gilt als einer der Besten seines Fachs. Und doch fühlte er sich in den letzten eineinhalb Jahren unangemessen. Wie viele im Ospedale Papa Giovanni XXIII liess er sich umschulen. Er lernte, entzündete Lungen zu behandeln, Menschen zu beatmen, Herzen zu reanimieren. Es war die einzige Medizin, die das Spital noch anbot. Von 600 Betten waren zeitweilig 560 von Covid-19-Kranken belegt. Er habe 14 Stunden täglich gearbeitet, angetrieben von Adrenalin und dem Wunsch, Leben zu retten. «Ich war nicht der Beste, sondern derjenige, der da war.» Das Gefühl, nicht zu genügen, verstärkte sich mit jedem Patientendossier, das er schloss. Nicht wie sonst 1 von 100 Patienten starb, sondern 40 von 100.
Er leistete Überstunden, bis er nicht mehr konnte und dachte, er habe sich zu viel abverlangt. Dabei war er an Covid-19 erkrankt. Statt sich zu schonen, behandelte sich der Arzt mit Kortison. Rasch ging es ihm besser, doch er blieb noch wochenlang positiv. In einem isolierten Raum organisierte er die Covid-19-Abteilung. Kaum war er nicht mehr ansteckend, behandelte der nun immune Darmspezialist fast nonstop intubierte Covid-19-Patienten.
Fagiuoli versteht etwas von Fussball. Sein Studium finanzierte er zuerst als Mittelstürmer, später als Vorstopper, da es «mir besser gefiel, anderen Schmerzen zuzufügen». Ja, das jetzige Team von Italien sei gut. «Aber jedes Mal, wenn Italien ein Turnier gewinnt, glaubt das Land, viel besser zu sein, als wir wirklich sind, dann lehnt sich jeder zurück.»
Dabei darbe Italien, das habe die Pandemie gezeigt. Umso dringender müsse sich das Land verändern, erneuern, modernisieren. Seine Kinder würden in Dänemark und den Niederlanden leben, weil sie dort bessere Chancen hätten. Zurückkommen wollten beide nicht. «Ich will den EM-Titel, gleichzeitig will ich, das Italien genau jetzt das Richtige tut», sagt Fagiuoli. «Müsste ich wählen, dann sollten wir verlieren und gut sein.» Die Prognose des Arztes spiegelt, was in Bergamo viele befürchten: «Natürlich holen wir in London den Pokal, und wir werden weiterhin das Falsche tun.»
Aus Respekt vor unseren Toten» sei die Feier zaghaft, erklärt Franz Barcella (links) im Gespräch mit Reporter Peter Hossli. Ihm gehört das «Edoné» in Bergamo.