«Serbien ist vor 2025 in der EU»

Regierungschef Aleksandar Vucic (46) riskiert für den Beitritt sogar seine Karriere.

Peter Hossli (Text) Pascal Mora (Fotos) 09.12.2016 Blick

Herr Premierminister, wie viele serbische Bodyguards begleiten Sie in die Schweiz?
Aleksandar Vucic:
 Keine!

Fühlen Sie sich denn hier sicher?
Warum sollte ich mich hier nicht sicher fühlen?

Unlängst berichteten serbische Medien, die CIA wolle Sie beseitigen. Fürchten Sie um Ihr Leben?
Ich kann mir nicht vorstellen, dass die CIA dahintersteckt.

In einem Belgrader Vorort seien eine Panzerfaust, Handgranaten und ein Scharfschützengewehr gefunden worden.
Das nehme ich sehr ernst. Aber das war kein Attentatsversuch auf mich, sondern auf die Institutionen unseres Landes.

Der künftige US-Präsident Donald Trump telefoniert derzeit mit etlichen Staatschefs. Wann sind Sie an der Reihe?
Einen Termin habe ich noch nicht. Aber ich hoffe, wir werden uns bald sprechen und später treffen.

Serbien steht zwischen Russland und dem Westen. Wie verändert die Wahl Trumps die Situation für Serbien?
Überhaupt nicht. Serbien muss sich auf sich selbst verlassen können. Unser Ziel bleibt bestehen: Wir reformieren unsere Wirtschaft weiter, so dass wir in die EU gehen können. Das schaffen wir.

Warum sind Sie da so sicher?
Unsere Wirtschaft brummt. Dieses Jahr wächst sie um 2,8 Prozent. Nächstes Jahr vielleicht um vier Prozent. Wir haben praktisch kein Defizit. Kommen Sie nach Belgrad – da wird an jeder Ecke gebaut.

Russland möchte Serbien nicht in die EU lassen. Trump ist Russland näher als der EU. Aus Ihrer Sicht ist Trumps Wahl ein Nachteil.
Wir haben uns nicht in die US-Wahlen eingemischt. Aber die Serben haben Trumps Sieg frenetisch gefeiert. 95 Prozent der Serben waren für Trump. Alle anderen auf dem Balkan waren gegen Trump.

Warum feiert man in Belgrad Trump?
Die USA bombardierten 1999 unser Land. Damals war Bill Clinton US-Präsident, der Mann von Hillary Clinton. Nun wollen die Serben eine andere US-Politik auf dem Balkan. Eine, die sich nicht gegen Serbien richtet.

Sie gehörten 1999 der serbischen Regierung an. Dann freuen Sie sich über Trumps Triumph?
Meine Aufgabe sind die inneren Angelegenheiten Serbiens. Jetzt freue ich mich auf die Zusammenarbeit mit Donald Trump. Allerdings habe ich gute Beziehungen zum Kabinett von Barack Obama, zu Vizepräsident Joe Biden oder zu Aussenminister John Kerry.

Die Wahl Trumps ist eine Reaktion gegen das Establishment. Sie gehören ihm an. Das muss Ihnen Sorgen bereiten.
Populisten und Demagogen können in Serbien jederzeit an die Macht kommen. Ich bin keiner von ihnen.

 

Nächsten April wählen die Serben einen neuen Präsidenten. Wer gewinnt?
Das weiss heute niemand. Populisten und Demagogen haben gute Chancen. Weil ihre Lügen keine Rolle spielen.

Favorit ist der ehemalige Aussenminister Vuk Jeremic, Ihr politischer Gegner.
Er war nicht mein Gegner. Er hat mich gefragt, ob ich ihn unterstützen würde. Das lehnte ich ab, da ich bei ihm keine klare Linie sehe. Weilt er in Moskau, spricht er prorussisch. Ist er in Washington, gibt er sich pro-amerikanisch. Ihm fehlt das Rückgrat.

Gewinnt er, dürfte er Neuwahlen anberaumen. Sie könnten dann Ihr Amt verlieren.
Das müsste ich akzeptieren.

Sie könnten selber kandidieren.
Die anderen sind populärer als ich. Vuk Jeremic würde mich vermutlich schlagen. Aber eine Entscheidung ist noch nicht gefallen. Letztlich entscheidet das Volk.

Was, wenn das Volk einen Präsidenten Vucic will?
Das Volk will einen Premierminister Vucic! Herr Hossli, Sie stellen auf zehn Arten die gleiche Frage.

Russland unterstützt Jeremic. Es will Serbien nicht in der EU sehen. Mit Jeremic würde Serbien nicht in die EU gehen.
Fragen Sie Jeremic in Russland, dann will er nicht in die EU. Fragen Sie ihn in der Schweiz, dann sagt er Ja zur EU. Wir haben zwar eine strategische Partnerschaft mit Russland. Aber allein wir bestimmen unsere Zukunft.

 

Wann ist Serbien EU-Mitglied?
Bisher habe ich nie ein Datum genannt. Heute sage ich erstmals öffentlich: Ich hoffe, wir sind 2022 Mitglied der EU. Ich bin sicher, dass wir vor 2025 in der EU sind.

Wird Premierminister Vucic Serbien in die EU führen?
Vermutlich nicht. Wir haben das Land fit gemacht für die EU. Die Wirtschaft wächst, es gibt kein Defizit. Damit bin ich zufrieden. Ich brauche keine Macht. Aber eines Tages werden die Menschen meine Arbeit schätzen. Gerhard Schröder hat Deutschland reformiert …

… aber er hat die Wahlen verloren.
Na und? Na und! Lieber verliere ich die Wahlen, dafür schafft es Serbien in die EU. Ich könnte jede Wahl kaufen, indem ich das Land verschulde und allen höhere Löhne zahle. Aber mir ist ein gesunder Haushalt wichtiger als die eigene Macht. Wir müssen wie Protestanten leben. Ich mag die protestantische Ethik.

Dann sind Sie in Zürich in der richtigen Stadt.
Hier sieht man, was das bringt. Ihr Schweizer seid ja nicht stärker und nicht grösser als wir. Ihr arbeitet aber härter, ihr seid selbstbewusster, präziser, aufmerksamer – genau das brauchen wir.

Das sagen Sie in Serbien?
Ja, weil ich das will. Politischen Gegnern sage ich: Ich mache diesen Job ehrlich, ich habe nie einen Dollar gestohlen.