Reporter Peter Hossli und Marina Abramović.
“Schmerz ist das Tor zu den Geheimnissen”
Das Kunsthaus Zürich zeigt eine Retrospektive der serbischen Performancekünstlerin Marina Abramović. Wir haben mit ihr in New York über ihren Körper als Leinwand und den Genuss des Alterns gesprochen. Und sie erklärt, weshalb sie morgens ins Klo schaut.
Reporter Peter Hossli und Marina Abramović.
Frau Abramovic, zu welchen Zeiten gehen Sie jeweils auf die Toilette?
Marina Abramović Das erste Mal vor Sonnenaufgang.
Das ist Ihnen wichtig?
MA Was für eine grossartige Frage! Was für ein genialer Anfang! Die «New York Times» hat mich gerade über alles Mögliche befragt, nur nicht über Toiletten. Ich liebe die Toilette. Wenn die Sonne aufgeht, erwacht die Energie. Die Tiere erwachen, die Pflanzen erwachen, du erwachst. Wenn du erst später auf die Toilette gehst, werden die Giftstoffe zusammen mit deiner Energie freigesetzt. Dann bist du müde und ausgelaugt. Deshalb habe ich mir angewöhnt, vor Sonnenaufgang auf die Toilette zu gehen. Danach gehe ich wieder schlafen, aber mein Körper ist sauber.
Nur wenige Menschen sprechen in Interviews über ihren Stuhlgang. Haben Sie damit kein Problem?
MA Warum sollte ich? Die Kultur des Kackens ist sehr interessant. Nehmen Sie die Franzosen. Die parfümieren ihre Toiletten. Sie haben sie so gebaut, dass man die Kacke nicht sieht, wenn man sie runterspült. Sie verschwindet einfach. Wenn man in einer deutschen Toilette kackt, sieht man alles.
Und das finden Sie besser?
MA Die eigene Kacke zu sehen, ist wichtig. Man sieht sofort, was mit dem Körper passiert. Ist sie flüssig oder fest? Dunkel oder hell? Du kannst viel über dich selbst erfahren, wenn du dir anschaust, was in der Toilette liegt.
Viele schämen sich, über ihre Ausscheidungen zu sprechen.
MA Das müssen wir Künstler ändern. Wir sollten nicht nur Kunstwerke schaffen, sondern auch das Wissen über unseren Körper teilen.
Weshalb ist unser Körper von Scham besetzt?
MA Das weiss ich doch nicht, ich bin keine Magierin, die alles weiss. Aber – und das kann ich wirklich von mir behaupten – ich versuche, mit meiner Arbeit sämtliche Tabus zu brechen.
Das gesamte Gespräch können Sie im aktuellen «Interview by Ringier» lesen. Jetzt am Kiosk, oder hier bestellen.