Breitling-Chef Georges Kern in Peking.
“Mein Geld wäre weg”
Georges Kern erklärt, warum er mit Breitling ins unternehmerische Risiko gegangen ist – und weshalb Luxus heute nicht exklusiv, sondern inklusiv sein muss.
Breitling-Chef Georges Kern in Peking.
Herr Kern, können Sie mit Stäbchen essen?
Georges Kern: Ja, das schaffe ich problemlos.
Wie wichtig ist es, die chinesische Kultur zu kennen, um in China zu geschäften?
Sehr wichtig. Das heisst aber nicht, dass man alles mitmachen muss. Für Karaoke kann man mich nach so vielen Jahren nicht mehr begeistern.
Was braucht es, um in China erfolgreich zu sein?
Ein umfassendes Verständnis des lokalen Marktes, der sich in den letzten Jahren stark verändert hat. Greater China macht heute die Hälfte des globalen Luxusmarktes aus. Um hier Erfolge zu haben, braucht es die richtigen Produkte, die richtigen Markenbotschafter, Boutiquen an den richtigen Orten und so weiter.
Breitling ist ein schweizerisches Produkt. Wie wichtig ist Swissness für die Chinesen?
Swissness ist essenziell. Die Uhrenindustrie ist die einzige Industrie mit einer klaren nationalen Identität. Schweizer Uhren werden nur in der Schweiz hergestellt und sonst nirgends. Apple produziert in China. Deutsche Autos werden überall hergestellt. Das Schweizer Gütesiegel auf einer Uhr ist einzigartig und ein für unsere Industrie sehr wichtiges Qualitätsmerkmal.
Wie beeinflusst der Handelskrieg zwischen den USA und China Ihr Geschäft?
Beim Kauf von Luxusgütern müssen Sie sich wohlfühlen. Alles, was das psychologische Umfeld trübt, ist nicht gut.
Sie haben Brad Pitt nach China gebracht. Bereits bei IWC haben Sie auf Markenbotschafter gesetzt. Warum tun Sie es wieder?
Mit Markenbotschaftern ist es möglich, schnell eine Botschaft zu transportieren. Langfristig funktioniert das Zusammenspiel aber nur, wenn die Botschafter authentisch sind.
Wäre es nicht sinnvoller, Botschafter nach der Anzahl ihrer Follower auszuwählen?
Es gibt viele Schauspieler, die Millionen von Followern haben, aber wenig Glaubwürdigkeit. Uns interessiert vor allem die Glaubwürdigkeit einer Persönlichkeit. Daniela Ryf hat schon viermal die Ironman-Weltmeisterschaft in Hawaii gewonnen – es gibt keine glaubwürdigere Botschafterin für Triathlon als sie.
Die Breitling-Markenbotschafter treten immer zu dritt auf. Warum nicht allein?
Mit Breitling decken wir heute verschiedene Welten ab: Meer, Land, Luft, die professionelle Welt der Abenteurer. Durch Gruppen oder Teams lassen sich diese Geschichten besser erzählen. Wir glauben an den Teamgeist und das gemeinsame Ziel. Ein Team lässt sich durchmischen, kann gleichzeitig männlich, weiblich, alt und jung sein. Ein Team ist vielfältiger als eine einzelne Persönlichkeit.
Breitling-Chef Georges Kern (rechts) im Gespräch mit Reporter Peter Hossli.
Bei einigen Markenbotschaftern geht es sicher ums Geld …
… keine Frage …
… bei Brad Pitt kann es nicht einzig um Geld gehen. Wie haben Sie ihn überzeugt, für Breitling zu werben?
Ich dachte, Menschen wie Brad haben bestimmt ein phänomenal grosses Ego, der lehnt das sicher ab. Da ich seinen Manager seit 15 Jahren kenne, habe ich es trotzdem versucht. Brad hat sofort zugestimmt, gerade weil es in der Kampagne um den Teamgedanken geht.
Die Geschichte ist wichtiger als das Geld?
Natürlich bezahlen wir ihn anständig. Aber es macht ihm Spass. Erstmals überhaupt reiste er für eine Marke nach Peking und nimmt an einem Event teil. Privat trägt Brad seit zwanzig Jahren Breitling-Uhren.
Kann Pitt Flugzeuge pilotieren?
Ja, er ist Pilot.
John Travolta war Markenbotschafter von Breitling. Er flog eigene Jets. Wie wichtig bleibt bei Breitling die Fliegerei?
Sie ist eine Hauptsäule der Marke. Keine Uhrenmarke hat eine reichere Geschichte in der Fliegerei als wir. Aber Breitling hat viel mehr zu bieten. Ich habe es noch nie erlebt, dass eine Uhrenmanufaktur eine so reiche Geschichte vorzuweisen hat, die noch nicht erzählt wurde. Sean Connery trug Breitling, Miles Davis, Serge Gainsbourg oder Formel-1-Fahrer wie Graham Hill. Wir waren im Segelsport ebenso engagiert wie beim Giro d’Italia. All diese Geschichten werden wir in den kommenden Monaten und Jahren erzählen und dabei die Fliegerei nicht aussen vor lassen.
Können Sie selbst fliegen?
Nein, aber dieses Jahr war ich mit dem Breitling Jet Team unterwegs …
… und jetzt werden Sie Pilot?
Ich wollte unbedingt einmal mitfliegen. Bei der Akrobatik habe ich dann völlig die Orientierung verloren und mich entschlossen: Das ist nichts für mich.
Mit Charlize Theron haben Sie eine starke, eigenwillige Frau engagiert. Sie verkörpert das Gegenteil der Frauen, die in alten Breitling-Spots Piloten anhimmelten.
Diese Stereotype aus den 1980er Jahren sind in keiner Weise mehr zeitgemäss. Damit haben wir aufgeräumt. Heute haben wir starke, selbstbewusste Frauen wie die Surferinnen Stephanie Gilmore und Sally Fitzgibbons oder eben die Schauspielerin Charlize Theron. Sie allen stehen auf der gleichen Stufe wie ihre Kollegen.
Das Macho-Image ziemt sich nicht mehr?
Wir haben uns mit dem alten Macho-Image nicht wohlgefühlt und uns entschieden uns davon zu trennen.
Warum werben Sie nicht mit Fussball?
Das machen bereits alle anderen. Breitling will die coole und entspannte Alternative sein. Die anderen Marken werben mit Fussball, Tennis, Formel 1 und Golf. Wir sind aktiv beim Surfen oder Triathlon, den Outdoor-Sportarten und der Fliegerei. Damit heben wir uns ab. Sie glauben nicht, wie viele Formel-1-Teams mit uns zusammenarbeiten wollten. Was ist neu an der Formel 1? Nichts! Daher haben wir uns gegen ein Engagement entschieden.
Sie sind ein erfolgreicher Uhrenverkäufer. Worauf achten Sie bei der Inszenierung?
Zuerst muss die Marke den Kunden ansprechen, danach kommt das Design und erst am Schluss die Technologie. Jemand fährt BMW oder Mercedes. Danach entscheidet die Person sich für ein Modell, zuletzt für die Anzahl Pferdestärken. Beim Kauf einer Uhr verläuft es gleich. Über die Kampagne, Squads, unsere Boutiquen schaffen wir Begehrlichkeit für unsere Marke.
Sie schaffen Exklusivität?
Wir wollen nicht exklusiv sein. Exklusiv heisst abtrennen, wegschieben. Wir wollen Menschen zu uns holen, die sich bei uns wohlfühlen. Ich will inklusiv, nicht exklusiv sein.
Geht das mit Superstars?
Nehmen Sie Daniela Ryf oder Bertrand Piccard. Das sind moderne, zeitgemässe Menschen. Heute spielen Ökologie, Teamwork, Leistung, an die Grenzen gehen und die Komfortzone verlassen eine wesentliche Rolle im Leben unserer Kunden. Werte, die wir mit unseren Markenbotschaftern eindrücklich vermitteln.
Breitling-CEO Georges Kern mit Schauspieler Brad Pitt (rechts) in Peking.
Eine Ihrer neuen Uhren gibt es mit Armband aus rezykliertem Plastik. Warum?
Plastik in den Ozeanen ist ein echtes Drama. Der Plastik aus den Meeren geht direkt in die Nahrungskette. Essen wir Fisch, essen wir Plastik. Mit dieser Uhr wollen wir auf ein grosses globales Problem aufmerksam machen.
Sie lancieren noch in diesem Jahr Zeitmesser, die an die 1940er und 1950er Jahre erinnern. Warum beleben Sie diese Zeit?
Weil Breitling diese Epoche geprägt hat. Schon nächstes Jahr kommen neue, moderne Uhren dazu. Wir werden künftig beide Segmente offerieren: das klassische und das moderne. Der Markt mit Vintage-Uhren von Breitling boomt. Auch ich habe mir erst kürzlich eine gekauft.
Schweizer Uhrenfirmen erleben ein schwieriges Jahr. Was machen sie falsch?
Grundsätzlich sehe ich positiv für die Branche. Die kaufkräftigen Segmente in Indien und China wachsen weiter. Schwankungen gibt es immer. Aber die Schweizer Uhrenindustrie ist gut aufgestellt. Sie treibt die Digitalisierung bei der Vermarktung voran und wird immer professioneller.
Viele Schweizer Uhrenmarken senken die Preise. Warum Breitling nicht?
Wir senken und erhöhen ständig die Preise, vor allem aufgrund von Währungsschwankungen. Derzeit erhöhen wir in Grossbritannien die Preise. Insgesamt ist der Markt transparenter geworden. Die Kunden wissen, was ein Produkt wert ist, ob für eine Marke zu viel verlangt wird.
Sie setzten verstärkt auf eigene Boutiquen und schalten den Zwischenhandel aus?
Wir haben weltweit 75 Boutiquen, diese Zahl möchten wir auf 150 verdoppeln. Die meisten führen unsere Händler.
Sie sind seit Juli 2017 CEO von Breitling. Wie hat sich der Umsatz seither verändert?
Sagen wirs mal so: Ich freue mich sehr für alle bei Breitling, dass wir das Jahr 2018 so erfolgreich abschliessen können.
Sie brauchen Messen wie die Baselworld nicht mehr?
Wir haben bis 2019 zugesagt, danach schauen wir weiter. Viele Uhrenmarken verlassen die Messen und fragen sich, ob sie überhaupt noch sinnvoll sind. Ab 2020 muss sich in Basel radikal etwas ändern. Um Uhren zu verkaufen, braucht es keine Messen mehr.
Sie sind von Schaffhausen über Genf nach Grenchen umgezogen, von IWC über Richemont zu Breitling. Warum eigentlich?
Weil ich die Möglichkeit erhielt, mich sowohl als CEO mit langjähriger Erfahrung wie als Unternehmer mit einer Beteiligung am Unternehmen einbringen zu können.
Warum haben Sie so viele Weggefährten zu Breitling geholt?
Kaum ist bekannt geworden, dass ich zu Breitling gehe, haben sich zwanzig Personen bei mir gemeldet, die ich alle kannte. Die Headhunter waren nicht erfreut, da ich sie nicht engagieren konnte. Hinzu kamen junge Uni-Absolventen, die lieber für eine kleinere Firma arbeiten wollen als für einen Konzern. Wir sind wie ein grosses Startup.
Breitling CEO Georges Kern und sein Markenbotschafter, Schauspieler Daniel Wu
Der Umsatz von Breitling liegt bei rund 500 Millionen Franken.
Wenn Sie das sagen, wirds wohl stimmen.
Sie sind nicht nur der Chef, Ihnen gehören angeblich 5 Prozent an Breitling. Was ändert sich, wenn man Besitzer ist?
Das Risiko! Ich habe eigenes Geld investiert und nicht einfach nur Optionen erhalten. Journalisten fragen mich manchmal, ob ich keine Angst habe, bei einem schlechten Geschäftsgang entlassen zu werden. Die Entlassung wäre mein kleinstes Problem.
Was wäre das grösste?
Dann wäre mein Geld weg.
Es ist gefährlich, Besitzer zu sein?
Nicht nur. Läuft es gut, profitiere ich natürlich. Vor Breitling habe ich verschiedene Angebote ausgeschlagen, weil die Marke nie die richtige Grösse hatte, um etwas bewegen zu können. Es macht mehr Spass, Trainer bei Real Madrid zu sein als bei einem kleineren Verein.
Breitling gehört mehrheitlich der britischen Private-Equity-Firma CVC. Solche Firmen haben einen Horizont von nicht mehr als fünf Jahren. Wie lange ist Ihrer?
Mein Horizont ist an die Investition gebunden. Falls ein neuer Käufer kommen sollte, werde ich aber weiter für Breitling tätig sein. Ein Investor kauft ja nicht nur die Marke, sondern auch das Management. CVC war 15 Jahre bei der Formel 1 dabei.
Sie fahren mit dem Zug zur Arbeit. Zum Uhren-Boss passt eher die Limousine.
Ich schätze das Zugfahren sehr. Viele meiner Mitarbeitenden wohnen in der Region Zürich, gemeinsam fahren wir nach Grenchen, meist sind wir zwischen 10 und 15 Personen. Im Zug haben wir schon etliche Probleme besprochen und Lösungen gefunden. Unlängst luden mich die SBB ein, in der Lokomotive mitzufahren. Vielleicht schaffe ich es ja mal.
Segnen Sie jede Uhr ab?
Ja, in jedem Detail.
Dann sind Sie ein Mikromanager?
Darum geht es nicht, es geht um die Linie einer Marke, um den Stil, der die Marke definiert. Deshalb segne ich nicht nur die Uhren ab, sondern jeden Katalog, jede Kampagne, die Texte, alles.
Wann sind Sie mit einer Uhr zufrieden?
Nach einem hochkomplexen Prozess, der etliche Meilensteine umfasst. Es beginnt mit der Designskizze, es gibt Renderings, 3D-Drucke, dann kommen erste Prototypen, wir ändern Dinge. Unlängst habe ich erstmals zwanzig Sammler und Journalisten eingeladen, welche die Marke gut kennen. Sie gaben mir wertvolles Feedback.
Und darauf hören Sie?
Ja, klar. Ich bin kein Dogmatiker. Natürlich habe ich Vorstellungen, aber ich bin nicht borniert, ich bin effizient.
Was prägt Ihren Geschmack?
Meinen Mitarbeitenden sage ich, sie sollen mit offenen Augen durch die Welt gehen, sich die Automobilindustrie anschauen, die Kunst, die Architektur, was in China läuft. Mich interessiert, was Apple macht, wie die grossen Einkaufszentren in Dubai aussehen. In kleinen Boutiquen finde ich Trends. Statt ständig auf den Bildschirm zu schauen, blicke ich auf die Welt.
Was treibt Sie an?
Ich möchte nichts bereuen im Leben. Es ist wichtig, dass man das macht, was man wirklich machen will, dass man Spass hat. Ich habe das grosse Glück, vieles machen zu können, das mir gefällt.