Tabitha Isner (43) aus Montgomery im US-Bundesstaat Alabama zeigt ihre Begeisterung am Parteikonvent der Demokraten in Chicago. «Über uns lag ein Gefühl der Düsternis, eine echte Bedrohung schien im Anmarsch», sagt Isner. «Wir hofften auf einen Helden, der uns retten würde. Kamala ist diese Heldin.»
Kamala Harris begeistert – aber warum eigentlich?
Noch vor kurzem galt Kamala Harris bei den Demokraten als unbeliebt. Jetzt begeistert sie. Wie ist das zu erklären? Eine Umfrage in Chicago zeigt: Es ist das Versprechen auf einen Triumph gegen Trump, das Begeisterung auslöst. Um Inhalte geht es nicht.
Tabitha Isner (43) aus Montgomery im US-Bundesstaat Alabama zeigt ihre Begeisterung am Parteikonvent der Demokraten in Chicago. «Über uns lag ein Gefühl der Düsternis, eine echte Bedrohung schien im Anmarsch», sagt Isner. «Wir hofften auf einen Helden, der uns retten würde. Kamala ist diese Heldin.»
Begeisterung. Das ist das Motto der Demokraten auf ihrem Parteitag in Chicago. Alle sagen, sie seien begeistert. Überall ist Begeisterung zu spüren.
Aber wofür eigentlich? Begeistert Kamala Harris (59), die Präsidentschaftskandidatin, die noch vor sechs Wochen in ihrer Partei als unbeliebt galt? Und wenn ja: Wie macht sie das?
Blick hat sich in Chicago umgehört und bei Menschen nachgefragt, die am Parteitag teilnehmen. «Wir sind begeistert von der Möglichkeit zu gewinnen», sagt Sally Kerans, eine Abgeordnete aus Massachusetts. Sie eilt aus dem Marriott-Hotel in der Innenstadt von Chicago und steigt in ein Auto, das sie zum Parteitagsgelände bringt. Den Namen Harris erwähnt sie nicht.
Ja, es sei «nicht unbedingt Harris, die begeistert», sagt Tabitha Isner (43) aus Montgomery im US-Bundesstaat Alabama. Sie ist Vizepräsidentin der Demokraten in Alabama, trägt ein Sternenbanner auf dem Hut, und die Begeisterung steht ihr ins Gesicht geschrieben. «Es liegt nicht an ihr. Was passiert, ist grösser als sie. Über uns lag ein Gefühl der Düsternis, eine echte Bedrohung schien im Anmarsch», sagt Isner. «Wir hofften auf einen Helden, der uns retten würde. Kamala ist diese Heldin.»
Inhaltlich habe sich mit Harris wenig geändert, betont Isner. «Aber jetzt liegt ein magischer Geist in der Luft. Feenstaub ist auf unsere Partei gefallen.»
Vor sechs Wochen rieten viele Demokraten Biden noch, seine Vizepräsidentin auszutauschen. Jetzt spricht die Partei von einer Begeisterung für die Vizepräsidentin. Ihre Umfragewerte untermauern das: National hat sie Trump überholt und in wichtigen Schlüsselstaaten den Abstand auf ein statistisches Patt reduziert.
Gerade weil sie begeistert, sagen die Experten. Aber womit?
Der Anwalt Jordan Acker (39) aus Michigan in Downtown Chicago. Er ist begeistert von Kamala Harris. «Der Hauptgrund ist, Trump zu schlagen.»
Konkrete Antworten sind in Chicago nicht leicht zu finden. Meist hört man von den Demokraten Standardphrasen, wie sie Politikberaterinnen in den Nachrichtensendern von sich geben. Harris kämpfe für die Armen, für die Kinder, für die Rechte der Frauen. Die ersten Tage des Parteikonvents waren frei von Ideen. Es geht nicht um ein Programm, sondern um Trump, auf den sich alle einschiessen.
«Grossartig» sei die Stimmung um Kamala Harris, betont Jordan Acker (39), ein Anwalt aus Michigan, der als Ersatzdelegierter in Chicago weilt und mit Freunden am Strassenrand auf ein Uber wartet. «Ich bin begeistert von ihr.» Und warum? «Der Hauptgrund ist, Trump zu schlagen.»
Es geht um ihn, nicht um sie.
D’Seanté Parks (34), Politikberaterin aus Louisiana, will mit ihrer Organisation «1000 More» Inhalte in die politische Debatte bringen will.
Politik ist eine Disziplin des Gewinnens, und Amerika liebt Gewinner besonders. «In den USA wird über Politik wie über Sport gesprochen», sagt D’Seanté Parks (34), eine Politikberaterin aus Louisiana, die mit ihrer Organisation «1000 More» Inhalte in die politische Debatte bringen will. «Es geht um Pferderennen, nicht um die wirklichen Bedürfnisse der Menschen.»
Amerikanische Politikerinnen und Politiker seien hauptsächlich damit beschäftigt, gewählt und wiedergewählt zu werden. Da bleibe kaum Zeit, sich um die Wähler zu kümmern. Und das auf allen Ebenen des Staates. Lokale Medien verschwinden, und mit ihnen die Informationen über die Amtsträger. Die nationalen Medien buhlen um Einschaltquoten, und die lassen sich am einfachsten mit Geschichten über Sieg und Niederlage erzielen. «Aber nur weil jemand eine Wahl gewinnt, heisst das noch lange nicht, dass das gut für die Menschen ist», sagt D’Seanté Parks.
Ein Blick in die jüngere US-Geschichte unterstreicht ihre These: Gute Kandidaten waren nicht immer gute Politiker, und schlechte Wahlkämpferinnen durften nicht zeigen, was sie wirklich können. Barack Obama (63) begeisterte 2008 mit Wohlfühlrhetorik im Wahlkampf, konnte aber als Präsident nicht überzeugen. Hillary Clinton (76) gilt als eine der fähigsten US-Politikerinnen der Neuzeit, begeisterte aber im Wahlkampf nicht.
Reporter Peter Hossli im Gespräch mit dem Texaner John Hatch (60) auf dem Parteikonvent der Demokraten in Chicago. Er leitet die Partei in San Antonio, Texas. Seit Harris als Kandidatin feststeht, ist er begeistert. Warum? «Uns war klar: Es darf keinen Kampf zwischen Biden und Trum
John Hatch (60) schlendert mit Cowboyhut ins United Center von Chicago. Der Texaner ist aus San Antonio angereist, wo er die Demokratische Partei anführt. «Alle wollen Kamala zum Sieg verhelfen. Wir sind ekstatisch.»
Und wie erklärt er das? Harris erwähnt er nicht. «Uns war klar: Es darf keinen Kampf zwischen Biden und Trump geben.» Als wollte er mit einer Box-Metapher sagen: Weil der noch ältere Kämpfer gegen den alten Kämpfer kaum eine Chance hatte, braucht es eine jüngere Kämpferin.
Die Aussicht auf einen Sieg macht den Demokraten Appetit auf mehr: «Kamala kann gewinnen, wir können den Senat halten und das Repräsentantenhaus zurückerobern», sagt Hatch. Es wäre ein K.-o.-Sieg: «Dann können wir endlich anfangen zu arbeiten.»
Nicht Harris begeistert, sondern die Aussicht auf mehr Macht. Das ist Politik.