Ganz vorne

Sie hat Zugang zu Staatschefs wie kaum jemand sonst in der Schweiz: Mirjana Spoljaric Egger leitet das Internationale Komitee vom Roten Kreuz. Sie verrät, wie sie bei Verhandlungen mit «Bad Guys» ihr Gesicht wahrt – und dass sie kein Blut sehen kann.

Peter Hossli (Text) Stefan Falke (Fotos) 15.11.2024

Frau Präsidentin, Sie hatten heute von früh bis spät Sitzungen bei der Uno. Hören Sie eher zu, oder reden Sie mehr?

Mirjana Spoljaric Egger Die Menschen wollen mich hören, daher rede ich viel. Mir geht es darum, die humanitäre Lage der Zivilbevölkerung zu verbessern. Da muss ich reden, da sage ich schon, wie das möglich sein könnte.

Und wann hören Sie zu?

MSE Es gibt Konflikte, wie aktuell in Gaza oder im Sudan, die intensiv und polarisierend sind. Da sind machbare Lösungen gefragt – und ich verbringe viel Zeit damit zuzuhören, um die Situation und die Atmosphäre zu verstehen. Nur dann ist es möglich zu deeskalieren.

Wir sind hier in New York, wo sich die Welt nicht nur bei der Uno trifft. Ist das für Sie ein bisschen wie nach Hause kommen?

MSE Auf jeden Fall. Ich habe viele Jahre hier gelebt, hier geheiratet und unseren Sohn zur Welt gebracht. Mein Mann und ich sind sehr vertraut mit New York.

Sie wechselten von der Uno zum Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) nach Genf. Einfach ist es nicht, von New York in die Schweiz zu ziehen.

MSE Es war nicht das erste Mal. Mir war klar, was auf uns zukommt. Als Diplomatin weiss ich, dass Veränderungen zur Karriere gehören. Ich bin ohne Kinder in die Schweiz zurückgekehrt, dann mit kleinen Kindern und jetzt mit grösseren Kindern. Das verändert vieles. Je nach Alter haben Kinder andere Bedürfnisse und Bindungen.

Neue Präsidenten des IKRK wechseln in der Regel von Bern nach Genf, vom Staatssekretariat des EDA an die Spitze des IKRK. War es für Sie ein Nachteil, von New York dort hinzuziehen?

MSE Es war eher ein Vorteil. Ich hatte vier Jahre davor das EDA verlassen und war zur Uno gewechselt – in eine Führungsposition mit vielen Herausforderungen. Dieser Schritt war grösser als der von der Uno zum IKRK. Ich wusste, mit welchen Herausforderungen die Leitung einer internationalen Organisation verbunden ist, und brachte neue Erfahrungen im Feld mit.

Sie leiteten das Uno-Entwicklungsprogramm.

MSE Auch da hatte ich ständig mit Krisen zu tun. Als ich IKRK-Präsidentin wurde, war der internationale bewaffnete Konflikt zwischen Russland und der Ukraine für mich kein Neuland.

Das IKRK-Präsidium gilt als Krönung einer diplomatischen Laufbahn. War das ein Grund für Sie, es anzustreben?

MSE Soweit ich weiss, kann man sich auf diesen Posten nicht bewerben.

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