Brad Pitt in Peking.

“Die erste Uhr schenkte mir Vater”

Das schafft nur eine Schweizer Uhr! Zum ersten Mal hat Brad Pitt für den Anlass einer Marke die USA verlassen. Ein Interview in Zeiten von Trump über Filme und Zeit.

Peter Hossli (Text) Pascal Mora (Fotos) 23.11.2018

Brad Pitt in Peking.

Etwas stolz ist er schon, Georges Kern, 53, der Chef der Schweizer Uhrenmanufaktur Breitling. « Brad Pitt  hat so etwas noch nie gemacht», sagt er im 5-Sterne-Hotel in Peking, in dem er diese Woche logiert. «Er ist noch nie für den Anlass einer Marke in ein anderes Land gereist.» Zum Stolz gesellt sich leichte Nervosität. «Ich glaube es ja erst, wenn er seine Füsse auf chinesischen Boden gesetzt hat.»

Am nächsten Tag ist er da. Gelassen hockt Brad Pitt am runden Tisch in einem fensterlosen Raum im futuristischen Phoenix Center im Stadtzentrum. Er ist pünktlich gelandet, mit einer Entourage von sechs Personen. Vor der Tür stehen kräftige Wächter. An der Wand hängt eine Zeichnung, auf der Störche tanzen. Das Sakko des Smokings hängt an Pitts Stuhl, die Fliege liegt gelockert am Hals. Neben ihm sitzen Modefotograf Peter Lindbergh, 74, und Schauspieler Daniel Wu, 44. Zu dritt empfangen die Breitling-Markenbotschafter Journalisten. Die Fragen richten sich durchwegs an Brad Pitt.

Mister Pitt, Sie werben in Peking für die Uhren von Breitling. Wie konnte Konzernchef Georges Kern Sie überzeugen, Markenbotschafter zu sein?
Ich liebe Uhren. Sie strahlen etwas sehr Männliches aus. Meine erste Uhr hat mir mein Vater geschenkt. Die Geschichte der analogen Uhr ist jahrhundertealt, gleichwohl hat sie nie ihre Wirkung und ihren Zweck verloren.

Wie erklären Sie die Zeitlosigkeit?
Uhrmacher haben ihr Handwerk ständig wieder neu erfunden. Es sind grossartige Menschen.

Wie oft tragen Sie eine Uhr?
Eigentlich täglich. Ich gehe selten ohne Uhr aus dem Haus, obwohl das Telefon mir die genaue Zeit anzeigt. Eine mechanische Uhr aber gibt mir viel mehr als Zeit. Man spürt ihre Wichtigkeit, sie strahlt Eleganz aus.

Was tun Sie, wenn Sie jeden Tag drei Stunden mehr Zeit hätten?
Ich würde versuchen, etwas Kreatives zu erschaffen.

Modefotograf Peter Lindbergh, der die Breitling-Kampagne fotografiert hat, ergreift das Wort: «Ich würde es niemandem erzählen und die zusätzliche Zeit ganz einfach für mich nutzen. Vermutlich würde ich schlafen.»

Breitling-Chef Georges Kern, Modofotograf Peter Lindbergh, die Schauspieler Brad Pitt und Daniel Wu (v.l.n.r).

Herr Pitt, Sie sind bekannt für Ihre Vorliebe für Architektur. Welches ist Ihr Lieblingsgebäude?
Pitt schaut Daniel Wu an: Das müssten Sie Daniel fragen, er ist ausgebildeter Architekt. Ich bin nur Fan, ein Tourist, der sich gern schöne Häuser anschaut.

Es muss doch ein Gebäude auf der Welt geben, das Sie besonders schätzen.
Würde ich ein einziges Gebäude nennen, wären ja alle anderen guten Bauten weniger wert.

Peking ist berühmt für Architektur. Welche Häuser werden Sie sich bei Ihrem Besuch anschauen?
Ich bin zum ersten Mal in Peking und freue mich sehr auf die Vielfalt der Häuser. Etwa auf den neuen Hauptsitz von China Central Television von Koolhaas und insbesondere auf das Olympiastadion, das Vogelnest der Schweizer Architekten Herzog & de Meuron. Tief beeindruckt bin ich von Räumen nach dem Feng-Shui-Prinzip.

Ist Architektur für Sie so wichtig wie das Kino?
Nicht nur die Architektur, ich verfolge das kreative Schaffen von Menschen in verschiedenen Bereichen. Besonders angetan bin ich von Kunst.

Sie sind längst nicht nur Schauspieler, sondern produzieren über Ihre Produktionsfirma Plan B etliche ernsthafte Filme. Drei davon – «Vice», «Beautiful Boy» und «If Beale Street Could Talk» – werden als aktuelle Anwärter für einen Oscar gehandelt. Was machen Sie besser als andere Produzenten?
Mit zwei Freunden habe ich vor ein paar Jahren eine kleine Firma gegründet, um Geschichten zu erzählen, die uns dreien am Herzen liegen. Das Ganze fühlt sich ein bisschen an wie eine Band, die in der Garage übt.

«Vice» ist ein kritischer Film über die Zeit von US-Präsident George W. Bush und Vizepräsident Dick Cheney. Welche Stoffe suchen Sie?
Es sind Filme, die schwierig zu finanzieren sind. Wir verfolgen stets den gleichen Grundsatz: Gefällt uns ein Projekt, machen wir es. Wir sind selber erstaunt, wie weit wir damit gekommen sind.

Sie sind nicht nur Filmemacher, sondern ein globaler Superstar. Welche Verantwortung haben Sie in dieser Rolle?
Ich empfinde gegenüber mir und meiner Familie eine Verantwortung, wahrhaftig und authentisch zu bleiben. Menschen, die ich liebe, begegne ich ehrlich und aufrichtig.

Sie hatten über 80 Filmrollen. Wie viele Figuren sind ein Teil von Ihnen geworden?
Bei einem Film bin ich zwischen drei und sechs Monaten auf eine Figur fixiert. Jede Mimik, jedes Wort ist enorm wichtig. Kaum ist der Film abgedreht, vergesse ich alles, als ob jemand den Reset-Knopf drücken würde. Damit schaffe ich Raum für den nächsten Film. Es kommt vor, dass mich jemand mit einem Zitat aus einem Film anspricht, an das ich keinerlei Erinnerung habe.

Sie haben eben «Once Upon a Time in Hollywood» abgedreht, erneut mit Regisseur Quentin Tarantino gearbeitet. Warum harmonieren Sie mit ihm?
Wir haben zur gleichen Zeit den Durchbruch geschafft, er mit «Reservoir Dogs», ich mit «Legends of the Fall». Bei einem seiner ersten Drehbücher überhaupt – «True Romance» – erhielt ich eine kleine Rolle. Seither bewegen wir uns in ähnlichen Sphären. Quentin ist ein echtes Original, der dich berühren kann.

Sie betonen, wie wichtig es sei, zu wählen, sich an der Demokratie zu beteiligen. Warum sagen Sie das?
Ist Ihre Frage ein Witz? Sie fragen einen Amerikaner …

… ganz bewusst …
Die Antwort ist kein Geheimnis. Sie steht in leuchtenden Neonfarben da. Wir müssen wählen, um uns neu zu positionieren. Das Urteil über die jetzige Zeit steht noch aus. Um die Zukunft zu sichern, müssen wir wählen.

Hilfesuchend blickt Pitt zu einem Medienberater und fragt, ob er das diplomatisch genug ausgedrückt habe, die versteckte Kritik am US-Präsidenten Trump. Der nickt und sagt: «Danke, das war es.» Pitt greift sich den Kittel, zieht die Fliege straff, eilt über den roten Teppich zur Gala, die Georges Kern mit ihm feiert.