Das Monument
Francis Ford Coppola hat mit «The Godfather» ein grosses Werk geschaffen. Jetzt feiert der Film 50-jähriges Jubiläum und kehrt in die Kinos zurück.
Vor 50 Jahren kam der erste von drei «Godfather»-Filmen in die Kinos. Die Trilogie erzählt vom Aufstieg und Fall einer kriminellen italienischen Familie in Amerika. Es geht um die grossen Themen: Herkunft, Loyalität, Macht, Gier, Liebe – und Essen. Regisseur Francis Ford Coppola, damals 33 Jahre alt, hat ein monumentales Werk geschaffen. Bis heute unerreicht bleiben Schauspiel- und Erzählkunst. Jetzt werden die Filme in restaurierten Fassungen neu lanciert. Was macht «The Godfather» aus?
Die Handlung: Ein Epos, das 1901 beginnt und 1997 endet
«The Godfather» (1972)
1945. Vito ist das Oberhaupt der New Yorker Mafiafamilie Corleone. Sein jüngster Sohn Michael tötet einen rivalisierenden Mafiaboss, zettelt einen Krieg unter fünf Mafiaclans an und flüchtet nach Sizilien. Nach seiner Rückkehr steigt er zum neuen Paten auf.
«The Godfather Part II» (1974)
1958. Michael Corleone dehnt das Imperium nach Nevada, Florida und ins vorrevolutionäre Kuba aus. Seine Ehe scheitert, es gibt Verrat in der Familie. In Rückblenden wird erzählt, wie Vito aus Sizilien nach New York kommt und zum Amerikaner wird.
«The Godfather Part III» (1990)
1979. Der alternde Pate will seine Geschäfte legalisieren und die Unterwelt verlassen. Dazu sucht Michael die Hilfe des Vatikans. Der rücksichtslose Vincent, der uneheliche Sohn seines Bruders, bringt die Pläne durcheinander. Ein Epilog führt ins Jahr 1997.
Die Stars: Regisseur Coppola hat eine ganze Generation von Schauspieltalenten gross gemacht.
Marlon Brando als Vito Corleone
Mit «The Godfather» erlebte der Star der 1950er Jahre ein fulminantes Comeback. Brando gewann einen Oscar – und brillierte danach in «Last Tango in Paris» (1972) und «Apocalypse Now» (1979). Er starb 2004 im Alter von 80 Jahren.
Al Pacino als Michael Corleone
Coppola bemühte sich, dem damals unbekannten Al Pacino die Rolle von Michael zu geben. Das Studio hätte lieber Robert Redford oder Warren Beatty gehabt. Pacino, heute 81, trat in allen drei Filmen auf. «The Godfather» lancierte seine grosse Karriere.
Robert Duvall als Tom Hagen
Duvall hatte Rollen in «Mash» und «THX 1138». Der Durchbruch gelang ihm mit «The Godfather». Weil er und Coppola sich bei der Gage nicht einig waren, spielte er bei Teil 3 nicht mehr mit. Der heute 91-jährige Duvall gilt als exzellenter Charakterdarsteller.
Diane Keaton als Kay Corleone
Keaton verdankt ihren Start in Hollywood «The Godfather». Sie tritt in allen drei Filmen auf, drehte später mit Woody Allen, Warren Beatty und Rob Reiner. Die heute 76-Jährige hat sich auf romantische Komödien spezialisiert und ist selbst Regisseurin geworden.
Robert De Niro als junger Vito
De Niro hoffte vergebens auf eine Rolle im ersten Film, verkörperte aber in Teil 2 den jungen Vito Corleone. Er und Brando erhielten für die gleiche Figur in zwei verschiedenen Filmen einen Oscar. Der 78-jährige De Niro gehört zu den Grossen seines Fachs.
John Cazale als Fredo Corleone
Cazale gab sein Debüt in «The Godfather». Er starb 42-jährig an Krebs und spielte nur in fünf Filmen mit. Alle waren für einen Oscar als bester Film nominiert: «The Conversation», «Dog Day Afternoon», «The Deer Hunter» und die beiden «Godfather»-Filme.
Talia Shire als Connie Corleone
Die Schwester von Regisseur Coppola hatte vor «The Godfather» erst ein paar kleine Rollen. Das Mafia-Epos beflügelte ihre Karriere. Berühmt wurde sie als Adrian, die Ehefrau des Boxers Rocky Balboa in den «Rocky»-Filmen. Shire ist heute 75 Jahre alt.
Sofia Coppola wirkte in allen drei Filmen mit – in jeweils anderen Rollen. Im ersten Teil spielte sie einen Knaben, der getauft wird; im zweiten war sie als Einwanderermädchen zu sehen; in Teil 3 spielt sie die Tochter des Paten. Die heute 50-Jährige ist Regisseurin («Lost in Translation»).
Die Zitate: Coppola und Mario Puzo haben Dialoge geschrieben, die bis heute nachhallen
«I believe in America.»
«Ich glaube an Amerika.» – Die ersten Worte an den Paten von einem Bestatter rollen den Teppich aus: Das ist ein Film über die USA, amerikanische Politik, amerikanische Kriminalität und den amerikanischen Traum.
«I’m gonna make him an offer he can’t refuse.»
«Ich werde ihm ein Angebot machen, das er nicht ausschlagen kann.» – Der Satz fällt in mehreren Varianten in allen drei Filmen. Die Paten Vito und Michael Corleone drücken damit aus: Sie können mit Gewalt oder Geld alles erreichen.
«My father assured him, that either his brain or his signature would be on the contract.»
«Mein Vater garantierte ihm, dass entweder sein Gehirn oder seine Unterschrift auf dem Vertrag sein würde.» – Michael erklärt seiner Freundin Kay, wie skrupellos seine Familie vorgeht.
«Don’t ask me about my business, Kay.»
«Frag mich niemals nach meinen Geschäften, Kay.» – Michael weist seine Frau in die Schranken und stellt die sizilianische Hierarchie zwischen den Geschlechtern klar.
«He never asks a second favor when he’s been refused the first, understood?»
«Er bittet nie um einen zweiten Gefallen, wenn ihm der erste verweigert wurde, verstanden?» – Tom Hagen, Anwalt der Corleones, verdeutlicht, dass es einen Befehl des Paten zu befolgen gilt.
«A man who doesn’t spend time with his family can never be a real man.»
«Ein Mann, der keine Zeit mit seiner Familie verbringt, kann nie ein richtiger Mann sein.» – Vito betont die Essenz des Lebens: die Familie. Er schaut dabei seinen Sohn an, der Ehebruch begeht.
«He taught me: ‹Keep your friends close, but your enemies closer›.»
«Er lehrte mich: ‹Sei deinen Freunden nah, deinen Feinden aber näher›.» Michael erklärt einem Mafioso einen Grundsatz seines Vaters: Wirf ein Augenmerk auf deine Widersacher.
«Just when I thought I was out, they pull me back in!»
«Gerade als ich dachte, ich wäre draussen, ziehen sie mich wieder rein.» – Michael schafft es trotz Bemühungen nicht, dem zu entkommen, was er ist: ein Gangster.
Loyalität und Verrat: Wer sagt die Wahrheit? Wer lügt? Wer ist loyal? Wer betrügt? Und wie sieht die Rache aus?
Omertà
Luca Brasi ist Vitos persönlicher Vollstrecker, bedingungslos loyal und bereit, alle zu beseitigen, die sich gegen die Familie stellen. Er hat sich der Schweigepflicht der Mafia verschrieben, der Omertà.
Das Allerliebste verlieren
Michael heiratet im Exil in Sizilien Apollonia. Nach der Hochzeit wird sie von einer Autobombe getötet, die für Michael bestimmt war. Arrangiert hatte den Anschlag sein Leibwächter, der ihn an die Feinde der Corleones in New York verraten hatte.
Gewalt löst ein Domino aus
Connie Corleone wird von ihrem Ehemann Carlo geschlagen. Ihr Bruder Sonny verprügelt Carlo. Aus Rache verrät Carlo Sonny, dieser stirbt. Worauf Michael seinen Schwager Carlo erdrosseln lässt. Am selben Tag war er noch der Taufpate von Carlos Sohn.
Verrat innerhalb der Mafia
Der alternde Mafioso Osvaldo Altobello will sich an den Geschäften von Michael beteiligen. Als dieser ihn zurückweist, setzt er einen Killer auf ihn an. Connie bemerkt den Betrug und vergiftet Altobello mit einer Schachtel Cannoli. Er stirbt im Opernhaus.
Rache für den Elternmord
1901 werden in Sizilien die Eltern und der Bruder des neunjährigen Vito getötet. Sein Vater hatte den örtlichen Mafiaboss Don Ciccio beleidigt. Vito flüchtet in die USA. Als erwachsener Mann reist er zurück nach Sizilien und schlitzt Ciccio mit dem Messer auf.
Verrat des Bruders
Michael gibt seinem Bruder Fredo den «bacio della morte», den Todeskuss, weil dieser ihn verraten hat. «Ich weiss, dass du es warst, Fredo!», brüllt Michael. «Du hast mir das Herz gebrochen.» Danach lässt Michael ihn beim Fischen auf dem See erschiessen.
Eine intime Lüge
Kay hat mit Michael einen Sohn und eine Tochter. Sie wird wieder schwanger und treibt ab, weil sie das Kind vor einem Leben in der Mafia bewahren will. Sie gibt vor, eine Fehlgeburt gehabt zu haben. Erst im Streit sagt sie Michael die Wahrheit. Er schlägt sie.
Inzest
Mary ist Michaels Tochter. Sie himmelt ihren Cousin Vincent an, den aufstrebenden Mann der Corleones. Der Pate befiehlt ihm, die inzestuöse Beziehung zu verhindern. Doch er lässt sich trotzdem auf Mary ein. Die verbotene Liebe führt zu Marys Tod.
Die Frauen: Die Mafia ist eine männliche Welt. Platz finden bei den Corleones nur wenige weibliche Archetypen: die Mutter, die Ehefrau, die Tochter und die Schwester
Carmela «Mama» Corleone ist die ergebene Ehefrau von Vito und die Mutter dreier Söhne sowie einer Tochter. Sie adoptiert das Waisenkind Tom Hagen. Schauspielerin: Morgana King.
Constanzia «Connie» Corleone ist die einzige Tochter des ersten Paten Vito. Dass ihr Bruder ihren Ehemann töten lässt, treibt zuerst einen Keil zwischen die Geschwister. Später wird Connie zur treuen Gefährtin des Paten Michael. Schauspielerin: Talia Shire.
Apollonia Vitelli ist die erste Ehefrau Michaels. Die beiden lernen sich auf Sizilien kennen, nähern sich zaghaft an und feiern eine sizilianische Hochzeit. Kurz darauf wird sie ermordet. Die Erinnerung an Apollonia begleitet Michael bis zu seinem Tod. Schauspielerin: Simonetta Stefanelli.
Kay Corleone, geborene Adams, ist die zweite Ehefrau des Paten Michael. Als Nichtitalienerin bleibt sie stets eine Aussenseiterin. Die Ehe zerbricht letztlich an der gewaltsamen Welt der Mafia. Schauspielerin: Diane Keaton.
Mary Corleone ist die Tochter von Michael und Kay. Sie geht eine Beziehung mit ihrem Cousin Vincent ein. Rivalisierende Mafiosi wollen ihren Vater töten, stattdessen stirbt sie – was ihre Eltern in tiefer Trauer verbindet. Schauspielerin: Sofia Coppola.
Essen und Trinken: Eine Huldigung der italienischen Küche
Friedensgespräch am Holztisch
«Ich will, dass du mir vergibst», sagt Michael zur von ihm entfremdeten Ehefrau. «Für was?», fragt Kay. «Alles!» Bei einem sizilianischen Mittagessen mit grilliertem Gemüse, Brot, Käse und Oliven besprechen der Pate und seine Frau ihre zerrüttete Beziehung.
Cannoli sicherstellen
Unter dem Vorwand, Cannoli zu kaufen, lockt der Mafioso Clemenza einen Verräter in ein Auto. Er lässt ihn im stehenden Wagen erschiessen. Nach der Tat sagt Clemenza zum Schützen: «Leave the gun, take the cannoli.» – «Lass die Knarre, nimm die Cannoli mit.»
Herzinfarkt zwischen Tomaten
Die Tomate ist zentral für die italienische Küche. Vito erleidet beim Spiel mit seinem Enkel zwischen Tomatenpflanzen einen Herzinfarkt und stirbt. Zuvor trinkt er Rotwein und schält eine Orange, die das Unheil ankündet.
Tod bei Scaloppine al Marsala
Michael isst mit einem korrupten Polizisten und einem rivalisierenden Mafioso in der Bronx Kalbfleisch («das beste der Stadt»). Noch bevor sie fertig gegessen haben, erschiesst er beide – und löst einen Bandenkrieg aus.
Spaghetti mit Fleischklösschen
Clemenza zeigt Michael, wie man eine Tomatensauce richtig zubereitet. Wein und Zucker seien das Geheimnis. Regisseur Coppola erklärte später, wer seinen Film nicht möge, lerne wenigstens, eine gute Sauce mit Fleischklösschen zu kochen.
Verbotene Erotik mit Gnocchi
Der aufstrebende Mafioso Vincent bereitet für seine Kumpane frische Gnocchi zu. Seine Cousine Mary besucht ihn in der Küche. Während sie zusammen Teig kneten, berühren sich ihre Hände.
Festessen
Die «Godfather»-Filme folgen einer Familie, die gern gut isst, trinkt und feiert. Zentrale Schauplätze der Trilogie sind Hochzeiten, gemeinsame Essen an grossen Tischen, Restaurants, Küchen und Bars.
Liebe geht durch den Magen
Bevor Michael Corleone seine künftige Frau Kay der Familie vorstellt, serviert er ihr Wein aus einem Plastikkrug und ein Gericht, das seine Mutter zubereitet hat. «Magst du die Lasagne?», fragt er.
Orangen kündigen Unheil an
Sind Orangen zu sehen, passiert kurz darauf Schlimmes: die Enthauptung eines Pferdes, ein Ehebruch, der Mordanschlag auf den Paten, ein tödlicher Herzinfarkt.
Die Wirkung: Die «Godfather»-Trilogie hat sich auf das Filmschaffen und die Gesellschaft ausgewirkt
Schauspielkunst
Lee Strasberg (r.) in einer seiner seltenen Rollen. Der Schauspiellehrer unterrichtete die «Godfather»-Stars Al Pacino, Robert De Niro, Marlon Brando, Eli Wallach.
Mafiafilme
«The Godfather» war ein kommerzieller Erfolg und belebte das Genre des Mafiafilms. Würdige Nachfolger: «Goodfellas», «Donnie Brasco» (Bild), «The Irishman».
Gerichtsberichterstattung
Die Trilogie hat die gewalttätige Mafia in mancher Hinsicht glorifiziert. Journalistinnen und Journalisten berichten über das organisierte Verbrechen bis heute mit Bezügen zu «The Godfather».
Die italienische Einwanderung
Bis zu «The Godfather» wurde die Bedeutung der Italiener in Amerika von Hollywood kaum abgebildet. Coppolas Filme gaben der italienischen Einwanderung ein Gesicht. Sie zelebrieren die reiche italienisch-amerikanische Kultur.
Italienische Stereotype
Ob Geschäftsleuten wie Lee Iacocca, Entertainern wie Frank Sinatra oder Politikerinnen wie Geraldine Ferraro – seit «The Godfather» hängt erfolgreichen Italo-Amerikanern schnell das Mafia-Label an.
Mafiamethoden
Ein Hollywoodproduzent erwacht mit einem abgetrennten Pferdekopf im blutüberströmten Bett. Seit dieser Szene gilt «sonst lege ich dir einen Pferdekopf ins Bett» als geflügeltes Wort für eine Warnung.
Vertrauensanwalt
Tom Hagen ist der mächtige Mann im Hintergrund, der alles für die Familie Corleone regelt. «Er ist mein Tom Hagen» ist zum Synonym für eine Person geworden, der man blind vertrauen kann.
Sizilien
Die Trilogie hat das sizilianische Städtchen Corleone und die Hauptstadt Palermo geprägt. Man profitiert vom Tourismus, mag aber das Mafia-Stereotyp nicht. In Corleone gibt es ein Museum, das die Gewalt der echten Mafia zeigt.
Schauplätze: Die Corleones sind aktiv in Italien, den USA, im Vatikan und auf Kuba
Corleone
Die Heimatstadt der Familie ist Corleone, in den Bergen südöstlich von Palermo gelegen. Vito verliert dort seine Eltern und seinen Bruder Paolo.
Ellis Island
Als Neunjähriger reist Vito Andolini in die USA. Auf der Einwandererinsel Ellis Island wird sein Name zu Corleone geändert. Er hat Pocken und muss in Quarantäne.
New York
Vito lässt sich in Hell’s Kitchen auf der Westseite Manhattans nieder. Hier heiratet er Carmela, beginnt mit Olivenöl zu handeln und trifft den Gefolgsmann Clemenza.
Beverly Hills
In der palastartigen Villa in der Nähe von Hollywood lebt der Filmproduzent Jack Woltz. Er soll dem Patenkind von Vito Corleone eine Filmrolle geben.
Nevada
Die Familie Corleone expandiert von New York nach Nevada. Sie feiert Feste am Lake Tahoe und betreibt Kasinos in Las Vegas.
Miami
Michael Corleone trifft in Florida den Gangster Hyman Roth, mit dem er seine Geschäfte von Miami aus in die Karibik ausbauen möchte.
Havanna
Während im Hintergrund die kubanische Revolution beginnt, versucht der Pate in Kuba Fuss zu fassen. Coppola drehte in der Dominikanischen Republik.
Vatikanstadt
Im dritten Teil der Trilogie will der Pate seine Geschäfte legalisieren und versucht, das Geld über den Vatikan zu waschen. Er trifft in Rom auf Kirchenvertreter.
Palermo
Coppola drehte die Schlussszene von «The Godfather Part III» in und um das damals geschlossene Teatro Massimo auf der Piazza Verdi in Siziliens Hauptstadt.