Vorgeführt!

Von Peter Hossli

Lachen ist gesund – stoisch trägt Johann Schneider-Ammann (64) diese Botschaft im Fernsehen vor. Gequält liest er vom Teleprompter ab. Spricht gestelzt, scheinbar entrückt von allem, was er erzählt. «Ungewollt urkomisch», wertet die «Washington Post».

Nicht nur das Watergate-Blatt witzelte letzte Woche über die Ansprache des Bundespräsidenten zum Tag der Kranken, sondern die ganze Welt.

In den Unterhosen steht die Schweiz nach diesem Auftritt da.

Versagt habe Schneider-Ammanns Kommunikationsteam, urteilen unisono ehemalige Bundesratsberater im Gespräch mit SonntagsBlick. «Sie holen aus ihm nicht das heraus, was er kann», sagt einer. «Ist man bei ­einer solchen Aufzeichnung dabei, muss man sofort reingrätschen – und sie stoppen.»

Nur: Noé Blancpain (35), Informationschef von Schneider-Ammann, fehlt beim einstündigen Dreh in Bern. Und er schaut sich die Rede nicht einmal an, bevor sie ausgestrahlt wird. Mehr als ein Versäumnis, das ist echtes Versagen. Dazu äussern will sich Blancpain nicht.

Den Berner Bundesrat «von allem Bösen schützen» wolle sein Team, kritisieren andere. Historiker Blancpain wird als «anständig, klug – aber viel zu ängstlich» beschrieben. «Ängstliche Leute sind immer schlechte Berater.» Ein Ex-Sprecher sieht Handlungsbedarf: «Passierte mir das, wäre ich sofort gegangen.»

Zumal die missglückte Kranken-Rede nur eine Episode einer Serie kommunikativer Pannen ist:

• Zwei Reporter begleiteten den Bundesrat im November im Bundesratsjet nach Brüssel. In die Stadt, in der das zentrale Dossier der Schweizer Aussenpolitik behandelt wird. Inhaltlich gab die Reise nichts her. Statt über Fortschritte mit der EU zu berichten, beschrieben die Journalisten den Jet. «So etwas darf nicht passieren», sagt ein Ex-Bundesrats­sprecher. «Fliegen Journalisten mit, muss ein Bundesrat etwas Substanzielles sagen können.»

• Einen «Salto rückwärts» wollte ein PR-Fachmann schlagen, als er im Januar Schneider-Ammanns Neujahrsansprache beim Basler Hafen sah. Kranen hoben im Bild hinter ihm Container herum. Das sah atemberaubend aus, lenkte aber vom Inhalt ab.

• Von der jüngsten Reise in den Iran blieb wenig mehr hängen als Fotos, die Schneider-Ammann mit dem iranischen Präsidenten und iranischen Soldaten zeigen.

Solche Leerläufe sind bitter für den sensiblen Berner. Er leide still, sagt einer aus seinem Umfeld, rede noch gehemmter.

Liberale Politik
Dabei mag die Wirtschaft den Wirtschaftsminister. Er halte sich zurück, verzichte auf staatliche Eingriffe, kämpfe berserkerhaft für gute Bedingungen. «Das ist liberale Wirtschaftspolitik», sagt ein Verbandsökonom. «Inhaltlich finden wir ihn sehr gut.» Aber: «Er kann kaum vermitteln, dass es keinen Aktionismus braucht.»

Die negative Spirale beginnt im Februar 2014 zu drehen. Es wird publik, dass Schneider-Ammann als Chef der Ammann Group auf der Kanalinsel Jersey Firmengelder angelegt hatte. Das ist zwar legal, stempelt ihn aber zum Steueroptimierer. Wie so oft bei angezählten Bundesräten sollen externe Berater die Wellen glätten. SonntagsBlick begegnet ­einem von ihnen am 7. Februar 2014 im Intercity von Bern nach Zürich. «Und», fragt er, «wie war Schneider-Ammann?» – «Ganz gut, aber woher weisst du, dass ich ihn getroffen habe?» Er lacht. «Wir haben das Interview eingefädelt, für dich und für die NZZ.»

Wir? Das sind die Konsulenten, ein Beratungsbüro mit Sitz am Bahnhof Stadelhofen in Zürich, die wahren Strippenzieher der Schweiz. Ihre Dienste kosten rasch 5000 Franken – pro Tag. Wird es brenzlig, sind sie da. Die Konsulenten schlugen Schneider-Ammann Gespräche in der freisinnigen NZZ und im SonntagsBlick vor. Partner Victor Schmid besuchte den Bundesrat im Büro. «Es gab kein Mandat, es floss kein Geld», sagt er heute.

Aber es hatte Wirkung. Die Konsulenten hatten ein Mandat der Ammann Group und rieten, Ruedi Christen ins Abseits zu stellen, den langjährigen Kommunikationschef. «Christen kann es nicht», frotzelte damals ein Konsulent. Erinnern mag sich Schmid nicht. «Ich hatte Vorbehalte», sagt er nur. Fakten sind: Christen ging. Blancpain kam. Schneider-Ammann ist zum Gespött geworden. Christen will sich nicht äussern.

Nach der Steueraffäre wollte sich Schneider-Ammann befreien. Er «ging den Weg des geringsten Widerstands», heisst es, griff auf Mitarbeiter Blancpain zurück. Der einstige FDP-Kommunika­tionschef schrieb nun freisinnigere Reden. Die Partei, nicht der Mann sei fortan im Vordergrund gestanden. «Dabei ist es nicht möglich, Bundesräte parteipolitisch zu beraten», so Schmid. «Um Bundesräte schwirren in Bern zu viele Parteisoldaten herum, sie sind selten gute Berater.»

Andere kritisieren Blancpains jugendliches Alter. «Ein Uner­fahrener hat nicht das gleiche Gewicht, einen Bundesrat zu coachen, wie einer in ähnlichem Alter», heisst es. Die Ausnahme bestätigt die Regel: Schmid war 31, als er bei Bundesrat Flavio Cotti (76) als Informationschef anfing.

Nicht das Alter, «Echtheit ist zentral», sagt ein einflussreicher Schweizer PR-Profi. «Ein Berater kann nur herausholen, was da ist.» Schneider-Ammann brauche jemanden, der ihn verstehe und ihm keine Rezepte aufs Auge drücke. Der Bundespräsident schaffe die Kurve kommunikativ noch, glaubt Berater Schmid, der ihn «hie und da» treffe. «Nötig ist ein Team, das ihm den Raum lässt, sich selbst zu sein.» Und bessere Ideen. Statt am Tag der Kranken Reden zu halten, hätte er ein Gespräch mit Pflegerinnen führen sollen.

Zumal er mutig sein kann. Am WEF im Januar sagte er offen, die EU werde erst nach der Brexit-Abstimmung mit der Schweiz reden. Öffentlich wehrte er sich ­gegen SP-Präsident Christian ­Levrat (45), der ihn «Schneider-en-panne» nannte.

Entspannt wirkt Schneider-Ammann, wenn er nicht im Rampenlicht steht. Dann lacht er, spricht klare, kluge Sätze. Wie in einer Limousine in Brasilia, als er erzählte, er habe als «kleiner Schnoderi» ein YB-Trikot erhalten, sei heute aber Barcelona-Fan. «Die Schweiz und Brasilien werden den Final bestreiten», gab er keck eine Prognose für die Fussball-WM. «Wer nicht daran glaubt, muss nicht nach Brasilien reisen.» Am Kamin in Saanenmöser BE sprach er über «schlaflose Nächte», als die Kinder die Ammann Group übernahmen – und wirkte authentisch und ehrlich.

Personelle Folgen sind in Schneider-Ammanns Team nicht vor­gesehen. Fortan dürfte sich der Informationschef die Reden aber ansehen – bevor sie ausgestrahlt werden.