Eine Journalistenschule als Geschenk für die Schweiz

Ringiers Journalistenschule wird fünfzig Jahre alt, ihre Absolventen arbeiten heute in fast allen Verlagshäusern. Das fördert die Medien, ganz ohne staatlichen Zustupf, schreibt Peter Hossli.

Eine Redaktorin und drei Redaktoren der «NZZ am Sonntag» haben sie absolviert. Bei der NZZ durchliefen fünf derzeitige Journalisten die Ringier-Journalistenschule, die in einer Villa im aargauischen Zofingen untergebracht ist.

Die «Jouschu», wie die Schule liebevoll genannt wird, hat die Chefredaktionen des Schweizer Fernsehens und des «Tages-Anzeigers» geprägt, von «Facts» und «Cash», «Blick» und «Blue», «Badener Tagblatt» und «Bieler Tagblatt». An der Spitze des Ringier-Konzerns stehen zwei Personen, die in der Zofinger Villa den Journalismus gelernt haben: der Verwaltungsratspräsident Michael Ringier und der CEO Marc Walder.

Seit fünfzig Jahren bildet die Schule Journalisten aus, ohne dafür auch nur einen Franken vom Staat zu erhalten. Wer nach einer Prüfung aufgenommen wird, bekommt ein Gehalt, trifft während der zweijährigen Ausbildung auf rund achtzig Dozenten, lernt alle Sparten des Berufs kennen – und ist nach der Diplomfeier vertraglich nicht an Ringier gebunden.

Die Schule ist ein Geschenk der Verlegerfamilie Ringier. Nicht nur an den Schweizer Journalismus, sondern auch an die Schweiz.

Die bisher rund 400 «Jouschus» – wie die Absolventinnen und Absolventen liebevoll genannt werden – tun und taten, was eine direkte Demokratie braucht: die Bevölkerung mit unabhängigen Informationen versorgen, damit sie entscheiden kann. Denn Journalismus ist eine Dienstleistung – und nicht, wie oft behauptet, die vierte Gewalt im Staat. Die Macht in einer Demokratie liegt bei den Menschen, nicht den Medien.

Die «Jouschu» ist keine Akademie, sie gleicht einer Gewerbeschule. Man lernt in Zofingen weder Kunst noch Wissenschaft, vielmehr ein Handwerk. Die Jungjournalisten verbringen jeweils eine Schulwoche in der Villa, darauf folgen vier Wochen Praxis auf Redaktionen. Mindestens die Hälfte hat keinen Hochschul­abschluss, sondern hat eine Lehre absolviert. Mindestens die Hälfte sind Frauen.

Stets ging die Schule mit der Zeit. Die ersten Artikel wurden auf mechanischen Schreibmaschinen geschrieben. Die Klasse, die Ende Juni 2024 abgeschlossen hat, übte mit künstlicher Intelligenz. Aber die beiden wichtigsten Dinge sind die gleichen wie schon vor fünfzig Jahren: Schreiben und Recherchieren.

Im Journalismus müssen die Fakten stimmen und ein Thema von allen Seiten beleuchtet sein. Und das geht nur durch gründliche Recherche. Das Ergebnis einer Recherche muss verständlich und ansprechend erzählt werden. Und das geht nur durch gutes Schreiben – egal ob für Texte, Videos oder Tiktok-Posts.

Der vielbeschworene Qualitätsjournalismus? Nichts anderes als sorgfältige Recherche und gutes Schreiben. Und das gelingt Menschen, die neugierig bleiben und den Unterschied zwischen Journalismus und Aktivismus verstehen und leben. Wer die Welt verändern oder retten möchte, sollte in die Politik gehen und sich vom Journalismus fernhalten. Wer aber die Welt unvoreingenommen abbilden, der Wahrheit möglichst nahekommen und Missstände aufdecken will, ist im Journalismus richtig.

Die Schule konnte viele solcher Leute ausbilden, weil sie stets unabhängig war. Der Stiftungsrat unter der Leitung von Frank A. Meyer wählt erfahrene Journalisten als Schulleiter – und lässt sie wirken, die Lehrpläne erstellen und bestimmen, wer unterrichtet. Ein liberales Konzept, das seit fünfzig Jahren funktioniert.

Aber ergibt es angesichts der vielzitierten Medienkrise noch Sinn, Journalisten auszubilden? Mehr denn je. Nur guter Journalismus, gemacht von Menschen, rettet die Branche.

Laut und zahlreich sind derweil die Rufe nach öffentlichen Geldern. Ob private Medienhäuser sie beanspruchen sollen, darüber müssen Manager, die Politik und letztlich das Volk entscheiden. Eines gilt es zu bedenken: Subventionen können die Unabhängigkeit einschränken und bequem machen. Bequemlichkeit ist kein Rezept für Exzellenz.

Doch was können Journalisten für die Branche tun? Härter recherchieren, statt einfach ins Internet zu schreiben, was sie online finden. Und ihre Geschichten besser erzählen. «Ich kaufe deinen Kopf, nicht deinen Arsch», sagte einst einer meiner Vorgesetzten. Er meinte: Schau dir die Welt an, sitz nicht nur im Büro.

Mit einer Nine-to-five-Haltung geht das nicht. Journalismus ist ein 24-Stunden-Job, bei dem man sich ein bisschen selbst ausbeutet, Überstunden macht und losrennt, wenn etwas passiert. Der Lohn dafür ist unbezahlbar: Freiheiten, die kein anderer Beruf kennt.

Wird Leistung belohnt, bleiben die Guten der Branche treu, statt in Amtsstuben oder in die PR zu wechseln. Deshalb sollten in den Medien nicht Managerinnen und Verwalter am meisten verdienen, sondern herausragende Reporterinnen und Reporter, einnehmende Gesichter im Fernsehen, betörende Stimmen im Radio.

Zumal sie das tun, was Menschen an Medien mögen und an der «Jouschu» im Zentrum steht: gute Geschichten erzählen.

Peter Hossli, 55, leitet seit 2022 die Ringier-Journalistenschule. Zuvor war er Reporter bei der «NZZ am Sonntag», Produzent und Moderator bei SRF und viele Jahre freischaffender Korrespondent in den USA. Er absolvierte 1991 den Sommerkurs der Journalistenschule.