Von Peter Hossli (Text) und Nathalie Taiana (Foto)
Liz Voss (40) hat es eilig. Die Plätze im United Center sind rar und sie will einen guten. Heute spricht Bill Clinton (78) auf dem Parteitag der Demokraten in Chicago. Der Ex-Präsident hat ihr einst die Magie der Politik nähergebracht.
Aus Basel, wo sie seit neun Jahren mit ihrer Familie lebt, ist Voss nach Chicago gereist. «Für mich ist es eine grosse Ehre, hier zu sein.» Sie ist die erste in der Schweiz lebende Person, die als Parteidelegierte die «Demokraten im Ausland» auf einem Parteitag vertritt. Sie leitet das Basler Büro des Vereins und hilft Amerikanern in der Schweiz, sich für die Wahl registrieren zu lassen.
Eine anspruchsvolle Aufgabe. Zwar sind Amerikaner, die im Ausland leben, in den USA steuerpflichtig, aber ein zentrales Wählerregister gibt es nicht. Wer wählen will, muss sich selbst darum kümmern.
Liz Voss hilft ihnen dabei. Geduldig führt sie durch den Wahlprozess, zeigt, wie man Stimmzettel beantragt, wohin man sie zurückschickt. Und zwar Menschen jeder politischen Couleur. «Sie müssen keine Demokraten sein, aber es macht mich glücklich, wenn sie es sind.»
Voss kam in Huntsville, Texas, zur Welt, einer Stadt, die einst für Hinrichtungen auf dem elektrischen Stuhl berüchtigt war. Ihre Kindheit verbrachte sie in einem Kaff mit 400 Einwohnern. Sie zog nach Illinois und heiratete. Als ihr Mann eine Stelle bei einem Logistikunternehmen in Basel bekam, zog das Paar mit der kleinen Tochter in die Schweiz.
Ihre Leidenschaft für Politik setzt sie in Basel fort – als Vorsitzende der «Demokraten im Ausland». Der Verein hat Zweigstellen in 54 Ländern, in der Schweiz gibt es drei: zuständig für Basel, Zürich und die Romandie. Sie treffen sich zum Picknick am Nationalfeiertag, schauen gemeinsam die TV-Duelle und verbringen die Wahlnächte im Pub.
Rund 19 000 US-Bürger leben in der Schweiz, 15’000 davon sind wahlberechtigt. Weltweit gibt es neun Millionen Auslandsamerikaner, sechseinhalb Millionen davon können wählen. Angesichts der oft knappen Wahlergebnisse – vor vier Jahren entschieden 42 921 Stimmen – haben sie einen beachtlichen Einfluss. Umso grösser, wenn sie in einem der umkämpften Swing States wählen dürfen. Voss versucht, sie direkt anzusprechen – und auf Kamala Harris (59) einzustimmen.
Hier in Chicago trägt sie ein politisch neutrales T-Shirt, das für votefromabroad.org wirbt, eine Website, die Informationen für Wähler im Ausland bereitstellt. «Ich versuche, meine eigenen politischen Überzeugungen beiseitezulassen, wenn ich jemandem dabei helfe, sich zur Wahl anzumelden», sagt sie. Denn: «Es ist wichtig, zu wählen, egal, wen man auf dem Wahlzettel ankreuzt.»
In den nächsten Wochen wird sie in der ganzen Schweiz Veranstaltungen zur Wählerregistrierung durchführen. In Basel und Genf schaltet sie Werbung in Trams und Bussen, in Zürich lässt sie Plakate aufhängen.
Wenn sie eine Veranstaltung nur für Demokraten macht, trägt sie ein T-Shirt, das für Harris wirbt. Die Vizepräsidentin sei eine «selbstbewusste Frau», so Voss. Ihr seien die gleichen Themen wichtig: die reproduktiven Rechte von Frauen, der Zugang zu medizinischer Versorgung und die Klimakrise. Und vor allem: strengere Waffengesetze. «Ich habe fünf Neffen und eine Nichte in den USA, und es bricht mir das Herz, dass sie in ihren Schulen nicht so sicher sind wie meine Tochter in ihrer Schule in der Schweiz.»
Ihre Tochter kam im Alter von drei Jahren nach Basel. «Heute spricht sie perfekt Schweizerdeutsch», sagt Voss. «Und sie kritisiert ständig meine Aussprache.» Ihre Familie schätze die Schweiz sehr, die Sicherheit, alles zu Fuss erreichen zu können. Nur etwas freundlicher dürfte es sein: «Wenn ich jemandem auf der Strasse ‹Grüezi› oder ‹Guten Morgen› sage, reagieren viele einfach nicht.»
Vermisst sie in Basel etwas aus den USA? «Mexikanisches Essen», sagt die Texanerin.
Bill Clinton offenbarte ihr die Magie der Politik. Politisiert habe sie der Terroranschlag vom 11. September 2001. «Wie die Bush-Regierung damit umgegangen ist, war sehr enttäuschend», sagt Voss. «Deshalb bin ich wählen gegangen, als ich alt genug war.»