Von Peter Hossli (Text) und Nathalie Taiana (Fotos)
Tausende Luftballons schwebten von der Decke herab: rote, weisse, blaue und goldene. Auf der Bühne hielt Melania Trump (54) die Hand ihres Mannes Donald (78). Er mit seiner charakteristischen roten Krawatte, sie in einem roten Kleid. Gemeinsam streckten sie ihre Arme nach den sinkenden Ballons aus. Mit dabei: Trumps Familie.
Um 23.06 Uhr endete der Parteitag der Republikaner in Milwaukee im Bundesstaat Wisconsin, mit klassisch amerikanischem Feelgood-Pomp.
Es war eine Nacht mit «Fight, fight, fight»-, «We love Trump»- und «USA, USA, USA»-Sprechchören. Kid Rock (53) rappte einen Trump-Song und nannte Trump «the most patriotic American badass on earth» – übersetzt etwa «das patriotischste amerikanische Arschloch auf Erden».
Der republikanische Präsidentschaftskandidat überraschte mit einer ruhigen und etwas langatmigen Rede. Er löste ein, was er nach dem Attentat auf ihn versprochen hatte: eine zurückhaltende Rede zu halten, mit der er das Land einen wollte. Und das ist ihm gut gelungen.
Um 21.26 Uhr betrat er die Bühne – zur besten Sendezeit an der US-Ostküste und in den Schlüsselstaaten, die er im November gewinnen muss, um ins Weisse Haus einzuziehen.
War das Bühnenbild bei früheren Auftritten noch von unzähligen Flaggen gesäumt, begnügte er sich nun mit vier – als wolle Trump zeigen: Hey, ich kann auch bescheiden.
Mit auf die Bühne brachte er die Uniform von Corey Comperatore, des Feuerwehrmanns, der am 13. Juli beim Attentat auf Trump erschossen worden war.
Schnell kam Trump auf den Punkt: Er wolle das gespaltene Land einen. «Die Spaltung muss überwunden werden, wir müssen zusammenhalten, sonst zerfallen wir.» Sein Versprechen: «Ich werde der Präsident aller Amerikaner sein.»
Dann bedankte er sich für die Anteilnahme, die er seit dem Attentat in Butler, Pennsylvania, erfahren habe. Mit ruhiger Stimme begann er zu erzählen, was geschehen war. «Ihr werdet das nur einmal von mir hören», sagte er. «Es ist zu schmerzhaft für mich.»
Angst habe er nie gehabt, weil Gott an seiner Seite gewesen sei und weil die Besucher der Wahlkampfveranstaltung nicht in Panik geraten seien. «Für den Rest meines Lebens werde ich den Menschen in Butler dankbar sein.» Etwas theatralisch ging er auf die Uniform von Corey Comperatore zu, küsste dessen Helm und bat um einen Moment der Stille.
Das Attentat werde ihn nicht davon abhalten, sich für ein besseres Land einzusetzen. «Ich werde niemals aufhören, für euch, eure Familien und unser Land zu kämpfen.» Er versprach, das Land besser zu machen und zu vereinen.
Fast eine Stunde lang wiederholte er, was während der Woche in Milwaukee immer wieder zu hören war: Unter ihm werde es keine neuen Kriege geben. Dafür werde er die Steuern senken, die Trinkgeldsteuer abschaffen, die Inflation senken, die Grenzen sichern. Sobald er wieder Präsident sei, werde er die illegal im Land lebenden Menschen ausweisen. Die Städte würden wieder sicherer sein. Und Männer hätten im Frauensport nichts zu suchen.
Mit ihm im Weissen Haus hätte Putin niemals die Ukraine angegriffen. Die Hamas hätte Israel nicht überfallen. Und China wäre nicht erstarkt. Russland und China hätten Angst vor ihm. Er werde dafür sorgen, dass der Iran nie Atomwaffen erhalte.
Er zählte auf, was sich Wladimir Putin (71) unter den Präsidenten Bush, Obama und Biden alles genommen habe. «Unter Präsident Trump hat sich Russland nichts genommen.» Etwas kühn meinte er, den Krieg in der Ukraine «mit einem Telefonanruf» beenden zu können.
Einen Krieg aber drohte er anzuzetteln: einen Handelskrieg. Trump will die Produktion aus Mexiko, China und anderen asiatischen Ländern zurück in die USA holen – und droht mit Zöllen zwischen 100 und 200 Prozent auf importierte Autos. Das soll Hunderttausende Arbeitsplätze in der Autoindustrie zurückbringen.
Da ein dritter Weltkrieg drohe, brauche es einen Wechsel an der Spitze der US-Regierung. Man brauche starke Leute, die jetzige Regierung sei schwach. «Vor vier Jahren waren wir eine grossartige Nation, wir werden bald wieder eine grossartige Nation sein.» Trump versprach: «Ich werde den amerikanischen Traum zurückbringen» und mit ihm ein «neues goldenes Zeitalter».
Dabei gehe es ihm nicht um sich selbst, sondern um die hart arbeitenden Menschen in Amerika. Statt gegeneinander zu kämpfen, solle Amerika zusammenstehen und gemeinsam erfolgreich sein. «Gemeinsam werden wir gewinnen.»
Dieser Abend – wie der gesamte Parteitag – zeigte einen anderen Trump. Er wirkte zurückhaltender, nachdenklicher. Als hätte ihn das Attentat in Pennsylvania tatsächlich nicht kaltgelassen.