So will Mader seinen Abgang vergolden

Beim Schweizerischen Roten Kreuz rumort es seit Monaten. Der geschasste Direktor verspricht Frieden – wenn er entschädigt wird.

Von Peter Hossli

Markus Mader (59) schickte die Mail am 24. März 2023 um 13.47 Uhr los, an einem Freitag. Der abberufene Direktor des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK) wandte sich an SRK-Präsidentin Barbara Schmid-Federer (57). Mit der Anrede «Guten Tag Barbara» unterbreitete er ihr einen Vorschlag, wie das SRK seine Absetzung finanziell abwickeln solle.

Nur 14 Minuten später leitete die ehemalige CVP-Nationalrätin das Mail an den Anwalt des SRK weiter. Sofort begann dieser zu rechnen. Er sah in Maders Antrag einen «goldenen Fallschirm» im Umfang von «einer Million Franken», bezahlt von Spenden- und Steuergeldern.

Die Forderung war nicht das Einzige, was dem Anwalt auffiel. Mader verknüpfte sie: Nehme das SRK seinen Vorschlag an, könne das dazu beitragen, das «sofort Ruhe» einkehre. Diese neuste Wendung rund um das SRK geht aus Dutzenden von Mails, Arbeitsverträgen und Protokollen hervor, die Blick vorliegen.

Ruhe ist, was das SRK braucht. Seit Monaten rumort es beim mit einer halben Million Mitgliedern grössten humanitären Hilfswerk der Schweiz. Was ist geschehen? Ein Teil des Rotkreuzrats – das Aufsichtsorgan – hatte dem seit 2008 amtierenden Direktor Mader letztes Jahr das Misstrauen ausgesprochen. Am Vormittag des 15. Dezember entschied der Rat gegen ihn. Sechs von zehn Mitgliedern waren für, vier gegen Maders sofortige Abberufung. Dies geht aus einem mehrseitigen Protokoll hervor.

Unmittelbar nach der Abstimmung verliessen laut Protokoll die vier Unterlegenen den Raum und informierten mehr als 50 Personen per Mail über die Sitzung, darunter Mader. Später traten sie aus dem Rotkreuzrat zurück. Rückwirkend liess sich der SRK-Direktor am Morgen jenes Tages krankschreiben.

Seither zanken sich Präsidentin und Ex-Direktor um die Modalitäten der Trennung. An verschiedene Medien sind Interna gelangt, wobei die Gründe für Maders Abgang verworren bleiben.

Gelitten hat der Ruf der angesehenen Organisation. Das SRK wurde 1866 in Bern gegründet, ist heute zuständig für den Blutspendedienst der Schweiz, Suche und Rettung an Land und zu Wasser, Katastrophenhilfe sowie Unterstützung von Menschen in Not im In- und Ausland. Laut Geschäftsstelle setzte das SRK 2021 rund 565 Millionen Franken um. Davon waren 98 Millionen Franken private Spenden, Erbschaften und Legate. 157 Millionen Franken steuerte die öffentliche Hand bei. Hinzu kommen eigene Leistungen im Umfang von 277 Millionen sowie Beiträge von 31 Millionen Franken. Die Organisation beschäftigt rund 5300 Angestellte – und 50 000 Freiwillige.

Sie erleben einen Streit auf höchster Ebene. Es geht um Geld, und es geht um Befindlichkeiten. So stört sich das SRK daran, dass Mader gegenüber Dritten nach wie vor als SRK-Direktor auftritt. Dabei habe ihn der Rotkreuzrat von diesem Posten rechtskräftig abberufen. Da Mader krank sei, konnte die Kündigung noch nicht ausgesprochen werden. Maders Anwalt entgegnet, sein Mandant sei zwar freigestellt, aber nicht entlassen. Somit sei er «nach wie vor Direktor des Schweizerischen Roten Kreuzes».

Die Trennung von Mader sei «unvermeidlich», schrieb ein Rotkreuzratsmitglied bereits im November letzten Jahres. Differenzen bestehen bezüglich der Abfindung. Aktuell verdient Mader rund eine Viertelmillion Franken pro Jahr, dazu eine Spesenpauschale von 12 000 Franken. Er verlangt bis Ende September 2023 den vollen Lohn, während er krankgeschrieben bleibt. Zwei Jahre lang möchte er beim SRK mit einem Pensum von 80 Prozent eine beratende Funktion übernehmen, honoriert zu den aktuellen Konditionen. Für die verbleibenden drei Jahre bis zur ordentlichen Pensionierung müsse das SRK ihm den gesamten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeitrag in die Pensionskasse einzahlen. Zudem verlangt er 10 000 Franken für seine Anwaltskosten.

In einer früheren Forderung wollte er zwei Jahresgehälter ohne Gegenleistung sowie die Vermittlung von Aufträgen durch das SRK für eine selbständige Tätigkeit. Davon sei Mader nie abgerückt, erläutert der SRK-Anwalt per Mail, da er das neue Angebot an eine Bedingung knüpfe: an die Wahl von Manuel Bessler (64) zum neuen Präsidenten Internationales SRK. Da er nicht gewählt wurde, sei das zurückhaltendere Angebot hinfällig.

Geht es nach Mader, sollten Spenderinnen und Öffentlichkeit nichts erfahren. Mader schlägt eine Medienmitteilung mit folgendem Satz vor: «Das SRK und SRK-Direktor Markus Mader haben sich auf eine einvernehmliche Lösung mit der Weiterbeschäftigung von Markus Mader geeinigt.» Man soll einzig über seine künftige Tätigkeit als Berater informieren. «Über die weiteren Punkte dieser Vereinbarung herrscht Stillschweigen.»

Heikel scheint eine Prophezeiung Maders: «Aus meiner Sicht wird diese einvernehmliche Lösung dazu beitragen, dass sofort Ruhe bei den Mitarbeitenden der GS SRK und auch bei einem Grossteil der Rotkreuz-Organisationen eintreten kann.» Seit Mitte Dezember gebe es «nur Verlierende im SRK». Das müsse ein «rasches Ende» haben.

Es sei entlarvend, dass Mader die «einvernehmliche Lösung» mit dem Eintreten von Ruhe verknüpfe, schreibt der SRK-Anwalt in einem Mail an dessen Anwalt. «Diese Aussage ist nicht anders zu verstehen, als dass Ihr Klient hinter den Unruhen steht und diese schürt, aber bereit wäre, für Ruhe zu sorgen, falls man seinen finanziellen Forderungen nachkommt.»

Das SRK schlägt anstelle des geforderten «Gesamtpakets» vor, das Arbeitsverhältnis mit Mader auf Ende September 2023 aufzulösen. Bis dann werde er den vereinbarten Lohn sowie die Spesen pro rata temporis erhalten. Das SRK werde ihm ein «wohlwollendes Arbeitszeugnis» ausstellen sowie eine Dienstalteranerkennung von 2000 Franken auszahlen. Bei der Kommunikation werde man sich absprechen.

Dieses Angebot sei «nicht förderlich» für die Genesung seines Mandanten, schreibt Maders Anwalt. Er spricht von einer«Minimallösung». Sie habe seinen «Mandanten erschüttert angesichts der darin zum Ausdruck kommenden mangelnden Wertschätzung durch das SRK». Mader befinde sich im 60. Lebensjahr, habe 25 Jahre für das SRK gearbeitet und werde wohl Mühe haben, eine gleichwertige Stelle zu finden.

Auf Anfrage sagt Mader zu Blick: «Es gibt keinen Fallschirm, die genannten Zahlen sind falsch. Ich stelle dem SRK weiterhin meine Arbeitskraft und Erfahrung zur Verfügung und werde dafür entschädigt. Zudem ist der genannte Vorschlag abgeleitet von einem konkreten Angebot des SRK.» Mails zeigen, dass ein Rotkreuzrats-Mitglied im November 2022 mit einem HR-Spezialisten über mögliche Abgangsmodalitäten für Mader diskutiert hatte. Dieses Angebot hatte Präsidentin Schmid-Federer ihm aber nie unterbreite.

Er sei «sehr interessiert» an einer einvernehmlichen Lösung, sagt Mader. «Viele Menschen innerhalb des SRK sind sehr aufgewühlt wegen meiner Absetzung. Bei einer Einigung mit mir würden sich diese Gefühle legen.»

Auf Anfrage wollte sich SRK-Präsidentin Schmid-Federer nicht äussern. Sie verweist an den Anwalt der Organisation, Jürg Wernli. Er sagt: «Wir kommentieren ein laufendes Verfahren nicht, sind aber an einer Lösung interessiert.»