Von Peter Hossli
Bis vor Wochenfrist wussten viele Journalisten auf Twitter alles über die Pandemie. Über Nacht wandelten sie sich zu Credit-Suisse-Experten. Drei Nächte später konnten sie Putin und die Sanktionen erklären. Covid und CS? Abgehakt wie eine TV-Serie nach der letzten Folge. Es scheint, als wüssten alle Medienschaffende immer alles. Wir erleben derzeit eine Weiterentwicklung des «Mediathons», wie US-Autor Frank Rich das Phänomen einst beschrieb: pausenlose Marathons in den Medien. Eine einzige Sache gerät zum News-Spektakel, flächendeckend veranstaltet und bis ins kleinste Detail ausgewalzt. Das Publikum kann sich darin verlieren. Ein erster Mediathon gelang dem Nachrichtensender CNN 1991 während des Golfkriegs. Die Schlacht um Kuwait verdrängte die Seifenopern vom Bildschirm, brachte hohe Einschaltquoten und CNN den Durchbruch. Seither lechzen Medien wie Zuschauer nach Storys, die immer weiter drehen, bis sie ihren Reiz verlieren. Die News-Dramen machen süchtig, so Rich: «Die Sucht betrifft nicht nur Konsumenten von Mediathons, sondern jene, die sie erzählen.» Während Kriegen wären aber leise, präzise und verlässliche Töne hilfreicher als laute – obwohl das Kicks und Klicks kostet.