Neue IKRK-Präsidentin: Zu gut für die Schweiz

Die Uno-Diplomatin Mirjana Spoljaric Egger übernimmt im Herbst 2022 das Rote Kreuz. Das EDA verliess sie vor drei Jahren unter Misstönen.

Von Peter Hossli

Mirjana wer? Diese Frage machte am Donnerstag die Runde, als das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) seine künftige Präsidentin vorstellte: Mirjana Spoljaric Egger, 50 Jahre alt. Die bisher wenig bekannte Schweizer Diplomatin schreibt Geschichte. Mit ihr gelangt ab Oktober 2022 erstmals eine Frau an die Spitze der 1863 in Genf gegründeten und dort beheimateten humanitären Organisation.

Ihre Ernennung bricht mit Traditionen. Die letzten drei IKRK-Präsidenten waren zuvor stets als Staatssekretäre beim Bund tätig. Spoljaric Egger aber zieht nicht von Bern nach Genf, sondern von aussen, von der Uno in New York. Das habe mit Berner Personalpolitik zu tun, sagen mehrere Personen aus dem Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA). «Es ist schade, dass Mirjana dem EDA schon früh verloren gegangen ist», sagt etwa Botschafterin Heidi Grau.

Andere reden deutlicher. Das EDA habe es nicht geschafft, die talentierte Diplomatin zu halten. Konflikte mit der damaligen Staatssekretärin Pascale Baeriswyl hätten sie vertrieben. Spoljaric Egger wechselte 2018 zum UNDP, zum Uno-Entwicklungsprogramm. Auf Anfrage teilt das EDA mit, man begrüsse Einsätze ausserhalb der Verwaltung. Spoljaric Egger hätte jederzeit zurückkommen können. Trotz dem einstigen Abgang unter Misstönen twittert jetzt EDA-Vorsteher Ignazio Cassis, die Wahl von Spoljaric Egger sei «eine grosse Anerkennung der Schweizer Diplomatie». Was komisch anmutet, ist das IKRK-Präsidium ohnehin für Personen aus der Schweiz reserviert.

Es ist der prestigereichste Posten in der humanitär-diplomatischen Welt. Die private Organisation mit öffentlichem Auftrag beschäftigt 20100 Personen in 100 Ländern. Aktuell liegt das Budget bei 2,3 Milliarden Franken, mehr als doppelt so viel wie noch 2011.

Mirjana Spoljaric Egger ist verheiratet und Mutter zweier Kinder. Sie studierte in Basel und Genf Philosophie, Wirtschaft und Völkerrecht. Zum EDA stiess sie 2002. An der Schweizer Uno-Mission in New York arbeitete sie mit dem damaligen Botschafter und jetzigen IKRK-Präsidenten Peter Maurer. Um Maurer entstand eine Gruppe aus Diplomaten, die einander vertrauen, die sich fördern und die ihre Aufgabe als bedeutender ansehen als sich selbst.

Dazu gehört Botschafter Jürg Lauber, der in Genf die Schweizer Uno-Mission führt. Er sei «hoch erfreut» über die Wahl von Spoljaric Egger. «Ihr Werdegang passt perfekt zum IKRK.» Sie decke ab, was es brauche: neben Entwicklungsarbeit die Dossiers Frieden und Sicherheit. Im Nahen Osten sammelte sie Erfahrungen im Feld. In New York vergrösserte sie als ranghohe Uno-Mitarbeiterin ihr internationales Netzwerk. Sie verhandelt gut. Zudem kennt sie die Berner Bundesverwaltung. Was hilft, da die Schweiz ein zentrales Geberland ist. Die künftige Präsidentin muss das Budget decken und wohl weitere Mittel für die humanitäre Arbeit besorgen.

Als «scharfsinnige Diplomatin» beschreibt sie Heidi Grau. «Sie kann knallhart sein, wenn es um die Sache geht, und trotzdem ist sie eine mitfühlende Person.» Diese Kombination sei «selten und für das IKRK ideal». Ein anderer EDA-Diplomat nennt sie «zurückhaltend und erfrischend nüchtern». Das Rampenlicht suche sie nicht. «Manchmal braucht es in der humanitären Welt aber auch Pauken und Trompeten, und die habe ich bei Mirjana noch nicht so gehört.» Spoljaric Egger will sich derzeit nicht äussern.