Wer schreibt ein solches Papier?

Der Minerva-Bericht lässt einige Fragen offen. Wer ist der Autor? Warum wird der nicht veröffentlicht? Warum kommt er gerade jetzt?

Von Peter Hossli und Daniel Meier

Alle reden über den Minerva-­Bericht, doch gesehen haben ihn nur ganz wenige Leute. Der deutsche Journalist Peter F. Müller hat das Papier erhalten – laut eigenen Angaben aus Geheimdienstkreisen. Selbstverständlich nennt er seine Quellen nicht. Müller gab den Bericht an das ZDF, die «Washington Post» und die SRF-Sendung «Rundschau» weiter. Diese Redaktionen konnten die Unterlagen zumindest teilweise einsehen. Andere Medien erhalten keinen Zugang. Auf Anfrage erklärt Müller, dass man «zu diesem Zeitpunkt keine weiteren Dokumente zugänglich machen» werde. Das hätten die drei ursprünglichen Empfänger so ausgemacht. Sie wollten weitere Geschichten daraus erzählen. Selbst ein beschränkter Einblick, etwa auf die Seite mit den Passagen zur Rolle von alt Bundesrat Kaspar Villiger, wird verwehrt.

Die wenigen Passagen, die in den Medienberichten gezeigt wurden, werfen Fragen auf. Die Sprache entspricht überhaupt nicht dem, was man in einem Geheimdienstpapier erwarten würde. Der Text klingt salopp, schon fast derb, wie der Satz «Evidently, Villiger had kept his mouth shut» («Offenkundig hatte Villiger den Mund gehalten») zeigt. So schreibt kaum jemand, der einen Bericht für den internen Gebrauch verfasst. Eher scheint sich der Autor an ein Publikum zu richten, er will die Leser in den Bann ziehen.

Der Bericht ist in Englisch verfasst, doch er klingt stellenweise etwas holprig, sogar so, als hätte kein Amerikaner, sondern eine deutschsprachige Person ihn geschrieben. Der Titel des gezeigten Papiers – «Minerva A History» – ist nicht ganz korrekt. Es mag spitzfindig tönen, aber es müsste «A History of Minerva» heissen. In einer der wenigen veröffentlichten Stellen sind die Verben ensure und insure verwechselt.

Eine Person, die den Bericht gesehen haben will, spricht von einer «Sprache, die in Groschenromanen zu lesen ist». Zudem seien auffällig viele Ausrufezeichen verwendet worden. Beides sei ungewöhnlich in einem Geheimdienstpapier.

Wer hat den Bericht verfasst? Und wenn er den Medien zugespielt wurde: Was war das Ziel? Wer sich umhört, erfährt ganz unterschiedliche Thesen. Ein Kenner der Geheimdienste sagt, der Autor sei ein früherer Mitarbeiter des deutschen Bundesnachrichtendienstes gewesen. Der habe den Text auf Deutsch verfasst, danach sei er ins Englische übersetzt worden. Stimmt das, lag das Papier nicht in CIA-Archiven, wie kolportiert wird.

Der Publizist Erich Schmidt-Eenboom, der das Papier gelesen hat und in den TV-Berichten auftrat, widerspricht: «Zunächst schrieb ein CIA-Historiker auf der Basis von Akten und Interviews mit Geheimdienstmitarbeitern die Studie ‹Minerva A History›. Es war definitiv kein deutscher Autor.»

Auf Anfrage heisst es bei der US-Botschaft in Bern, man nehme keine Stellung zu Themen, die den Geheimdienst betreffen. Im Raum bleiben offene Fragen, die wohl erst beantwortet werden, wenn der Minerva-Bericht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.