Wie erreicht man die Jungen?

Die Nachahmer von «Izzy» tun sich schwer. Journalisten sollten den Sorgen der Jugendlichen mehr Beachtung schenken, rät eine Forscherin.

Von Peter Hossli

Im März lancierte der Verlag Tamedia das Storytelling-Format «Venty», das in sozialen Netzwerken «zielgruppengerecht informieren und auf lockere und witzige Art unterhalten» soll. Mit bis anhin überschaubarem Echo. Auf Instagram folgen «Venty» knapp 6000 Personen, während «Izzy» 310000 Follower hat. Einige «Izzy»-Videos verzeichnen auf Youtube über 400000 Abrufe. Mancher «Venty»-Clip erreicht hingegen nur zweistellige Zuschauerzahlen.

«Venty» gehört zu den vielen Versuchen der Schweizer Medienhäuser, einen Jungbrunnen zu finden. Erfolgreich, aber noch defizitär verbindet «Watson» News mit Unterhaltung. Kaum auf Touren kommt der Schweizer Ableger des US-Portals «Vice». Die Betreiber des Jugendfernsehsenders joiz meldeten 2016 nach fünf Jahren Konkurs an. Unlängst lud Ringier eine Gruppe Teenager ins «Blick»-Mediencamp. Die NZZ bemüht sich, klar und schnörkellos zu schreiben und bietet preiswerte Studenten-Abonnemente an. Beim verlagsübergreifenden Projekt «YouNews» liessen im Januar etliche Redaktionen ihre Titel von Jugendlichen gestalten. Drei von diesen moderierten die «Arena» auf SRF.

Es sind nachvollziehbare Bemühungen. Das Publikum alteingesessener Medientitel ist überaltert. Zeitungen oder Zeitschriften werden von der Hälfte der unter 20-Jährigen «selten oder nie» beachtet, ergab die James-Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften von 2018. Diese bildet alle zwei Jahre den Medienumgang von Jugendlichen ab. Abgesehen vom «Guetnacht­gschichtli» – Altersschnitt: 40 Jahre – liegt das Publikum aller SRF-Sendungen im Segment 50 plus, die Tagesschau bei 64,7 Jahren, Meteo bei 67,7 Jahren.

Dabei verbringen Heranwachsende im Alter von 12 bis 19 Jahren ihre Zeit gerne mit Medien, jedoch nicht mit denen ihrer Eltern. Fast alle (99 Prozent) besitzen ein Smartphone. Neun von zehn angeln sich durch soziale Netze, hören online Musik (89 Prozent), schauen Videos (85 Prozent). Aber nur vier von hundert lesen täglich eine Bezahlzeitung.

Jugendliche seien «sehr medienaffin», betont die Schweizer Psychologin Sandra Cortesi, die an der Harvard University in Cambridge Medien erforscht. Ständig würden sie neue Technologien adaptieren, Geräte wie Plattformen. «Um sie zu erreichen, muss ein Verlag in den sozialen Netzwerken mobil mitspielen», betont Cortesi, die das Youth & Media Projekt am ­Berkman Klein Center for Internet&Society leitet. Letzten Herbst veranstaltete die Forscherin mit Tamedia ein «Youth Lab» und ermutigte den Konzern, Jugendlichen zuzuhören, sie zu fragen, was sie von Medien hielten, ob und wie sie News konsumierten. Etliche Erkenntnisse des Jugendlabors seien in die Arbeit der Redaktionen geflossen, heisst es bei Tamedia.

Cortesi begrüsst Jugend-Titel wie «Izzy», «Watson» und «Venty». Damit allein könnten sich traditionelle Medienhäuser Junge aber nicht als künftige Kunden sichern. «Journalisten sollten Jugendlichen mehr Beachtung schenken und sich ihrer Sorgen annehmen», rät sie. Teenager interessierten sich zwar für wirtschaftliche wie politische Themen, aber man erschwere ihnen den Zugang. «Verständlich zu schreiben, reicht nicht. Jugendliche wollen einen Bezug und eine Verknüpfung zu ihrem Alltag.»

Jugendliche hätten in ihren Familien vor allem einen Einfluss darauf, ob diese sich Netflix zulegten und Musik über Spotify hörten. Für Verlage seien sie finanziell nicht relevant, da sie erst mit 25 Jahren erstmals selber für Medien bezahlten. «Dann wählen sie einen Titel, der ihnen positiv und konstruktiv im Umgang mit Jugendlichen aufgefallen ist», sagt Cortesi. Da bestehe ein grosses brachliegendes Potenzial, zumal Schweizer Zeitungen eher negativ über Jugendliche berichteten. «Schafft es eine Zeitung, ab und zu etwas Cooles über Junge zu schreiben, fällt das eine oder andere Abonnement ab.»