Von Peter Hossli
Manches Gespräch am WEF beginnt mit einem «Weisst du noch?».
Weisst du noch, als Jassir Arafat und Shimon Peres sich die Hand reichten? Als der von Professor Schwab grandios gelenkte «Geist von Davos» die Südafrikaner Nelson Mandela und Willem de Klerk aussöhnte?
Fortan heisst es wohl: Weisst du noch, als Donald Trump den Geist von Davos aus dem Landwassertal vertrieb? Das WEF zur PR-Show entwertete? Als aus dem Dialog ein Monolog wurde?
Als Trumps Helikopter am Donnerstag beim verschneiten Davoser Strandbad aufsetzte, entzog er dem WEF regelrecht die Luft. Was vorher war, verpuffte, sogar Macron, May, Merkel. Danach kam nur noch: Er. Er war da und liess sich bewundern. Alle reckten den Hals nach seinem sonderbaren blonden Haar, liessen sich blenden von der potenzierten Macht aus Washington.
Als Trump nach 27 Stunden und 30 Minuten davonflog, hinterliess er – wenig. Seine Rede war nicht der Rede wert, sie erntete sogar Buhrufe, weil sie nicht über einen wiedergekäuten Werbespot für Amerika hinausreichte. Er allein habe sein Land zu neuer Frische erweckt und ihm neue wirtschaftliche Kraft eingehaucht. Dabei hat Trump nur ein einziges Gesetz durch den Kongress gebracht: eine Steuerreform, die erst ab diesem Jahr greift.
Der Rede fehlten alle politischen Signale, deretwegen WEF-Besucher nach Davos pilgern. Mit hängenden Köpfen verliessen viele den prall gefüllten Saal im Kongresszentrum. Sie hatten auf etwas gehofft, das den Geist von Davos weitertragen würde. Stattdessen hatte ein Geisterjäger sie heimgesucht.
Drei Wochen zuvor elektrisierte das Weisse Haus mit der Meldung, Trump komme ans WEF. Ein Coup des Gründers Klaus Schwab (79), jubelten hiesige Medien. In der leisen Hoffnung, Trump würde mit ihnen reden, drosselten sie ihre Angriffe auf den US-Präsidenten.
Eine echte Überraschung lieferte der Besuch nicht. WEF und Trump passten perfekt zusammen. Der Narzisst stiess zu einer geschlossenen Gesellschaft, in der sich die meisten vor allem selber anpreisen – das ideale Habitat für Marktschreier, unter denen Trump der Meister ist. Bereits am letzten WEF sagte sein damaliger Gesandter Anthony Scaramucci (54), es sei «gut möglich, dass Trump nächstes Jahr kommt, in Davos würde er sich wohlfühlen».
Vieles und viele setzt die bevorstehende Trump-Reise in Bewegung, mich eingeschlossen. Mein Vorhaben: mit Trump von Washington nach Davos zu fliegen, um die schiere Grösse einer Präsidenten-Reise zu schildern, vielleicht an Bord der Air Force One kritische Fragen zu stellen.
Der ehemalige Sprecher der US-Botschaft in Bern vermittelt den Kontakt ins Weisse Haus. Ja, es ginge, sich während des Trips dem Pressecorps des Präsidenten anzuschliessen. Nötig sei eine Kreditkarte. Schweizer Reporter fliegen kostenlos im Bundesratsjet mit, amerikanische Reporter bezahlen für Leistungen, die ihnen der Staat erbringt. So sichern sie sich ihre Unabhängigkeit.
Da die Davoser US-Delegation ungewöhnlich gross ist, fliegen nur wenige Journalisten in der Air Force One mit. Ich stosse am Flughafen Zürich-Kloten zum 119 Personen umfassenden Tross. Der bewegt sich in die Lenzerheide GR, da es in Davos keine freien Betten mehr gibt. Täglich pendelt das White-House-Press-Corps eine Stunde in die eigens eingerichtete Redaktion im Süden von Davos.
Versehen ist sie mit modernster Übertragungstechnik, Arbeitsplätzen, sogar einem Massageraum. Dreimal täglich werden Speisen aufgetragen. Selten verlassen die Reporter diesen Ort, Details über Trumps Reise erhalten sie direkt vom Weissen Haus; sie warten, bis etwas passiert. Filmaufnahmen liefern Kameramänner, die Trump begleiten.
Vor der Rede werden zuerst die US-Reporter in den Saal gelassen, finden für sie reservierte Plätze. Schweizer Journalisten, die draussen bleiben müssen, ärgert das.
Kritisch verfolgen die Amerikaner jedes Wort. Als der Präsident die Medien als «angriffig, bösartig und falsch» verunglimpft, buhen einige. Danach zerzausen sie die Rede als das, was sie ist: ideenlos, zu kurz, nicht fokussiert, selbstbezogen, fade vorgetragen. Als eigenartig empfinden sie Schwab, der Trump in einem Kurzinterview keine einzige kritische Frage stellt.
So wird der Coup zum Pyrrhussieg. Trump hat Schwabs Lebenswerk in einen aufgedonnerten Zirkus verwandelt. Der süsse Nektar der Macht erweist sich für das WEF als Gift. Will Schwab den Geist von Davos wiederbeleben, sollte er künftig auf Trump verzichten.