Von Peter Hossli
Ein guter Redner berauscht mit Worten, rhetorischer Finesse und Ideen. Buhrufe hingegen erntete Donald Trump (71) gestern am Weltwirtschaftsforum. Weil der US-Präsident in Davos GR keine Rede hielt. Er trug eine Einkaufsliste vor.
Statt zu überraschen, spulte er runter, was er schon oftmals sagte. Als hätte sein Schreiber alte Reden wiederverwertet. Die Ausnahme: Trump erzählte, er habe in Davos 15 neue Freunde gefunden.
Die Botschaft geriet zum lustlos referierten Werbespot für die USA – und für Trump. Dank mir geht es Amerika wieder grossartig! Kommt und investiert! Es lohnt sich!
Proppenvoll war am Freitagnachmittag der Hauptsaal des Kongresszentrums. Mancher fand keinen Platz. Sicherheitsleute durchsuchten Taschen, zogen Getränke ein. Die Landwehr Fribourg trug etwas länglich einen Marsch vor. Angestrengt versuchte Trump, beim Zuhören nicht angestrengt zu wirken.
Die ersten Buhrufe erntete WEF-Gründer Klaus Schwab (79), als er sich beim Präsidenten anbiederte. «Sie werden halt oft falsch verstanden.»
Sofort war klar: Trump trifft auf ein Publikum, das ihm nicht nur freundlich gesinnt ist, das skeptisch ist gegenüber der aggressiven «America first»-Vision. Trump versuchte es mit Milde und betonte, «America first» bedeute nicht «America alone». Nicht im Alleingang gehe sein Land voran, die USA zögen alle mit. «Nach Jahren des Stillstands» seien sie wieder die Lokomotive. «Wächst Amerika, dann wächst die Welt.»
Der Vater des Wachstums: er. Dank ihm brumme Amerika, dank seiner Steuerreform, dank seiner Wahl ins Weisse Haus, dank seiner Streichung von Regulierungen. Unter seiner Führung seien 2,4 Millionen neue Jobs geschaffen worden, habe die Börse 84 neue Tagesrekorde gebrochen. Dank ihm sei die Arbeitslosigkeit unter Schwarzen noch nie so gering gewesen.
«Amerika ist der Ort, um Geschäfte zu tätigen», so Trump. «Bei uns könnt ihr innovativ sein, kreieren und bauen», bläute er den Managern ein.
Dabei klang er nicht wie ein amerikanischer Präsident, sondern wie ein Marktschreier. Ein Eindruck, den Trump selbst bestärkte. «Ich bin der Cheerleader für unser Land», sagte er. Recken echte Cheerleader athletisch ihre Beine und Arme in die Luft, sonderte er Worthülsen ab. «America is roaring back» – Amerika brüllt zurück. «I believe in America» – Ich glaube an Amerika. «America’s future has never been brighter» – Amerikas Zukunft war nie strahlender.
Nicht lassen konnte er es, gegen Widersacherin Hillary Clinton (70) zu sticheln – und gegen ihre Anhänger am WEF. «Wenn die Person gewählt worden wäre, die viele hier im Saal unterstützt haben, wäre die Börse nach den Wahlen um 50 Prozent abgestürzt, dank mir ist sie um 50 Prozent gestiegen.»
Andere Staatschefs nutzten das WEF, um aussenpolitische Marken zu setzen, über die danach tout Davos und die politische Welt spricht. Trump hingegen wiederholte sich: Die koreanische Halbinsel müsse atomwaffenfrei werden. Iran unterstütze Terroristen. Er habe die Terrorbande Islamischer Staat gebodigt.
Keine Idee, kein Anstoss, nicht mal eine Provokation.
Am WEF gilt der Freihandel seit Jahren als Rezept, um die Probleme der Welt zu lindern. Konträr dazu steht Trumps Vision von Abschottung, Mauern und Zöllen. Er streifte den Konflikt und behalf sich der Rhetorik linker Globalisierungsgegner. «Wir unterstützen freien Handel, solange er fair ist.» Fair für Amerika.
Nach der Rede fragte Schwab den Präsidenten, was ihn am meisten geprägt habe: «Dass ich sehr erfolgreich war als Geschäftsmann.» Amerika gehe es gut, weil erstmals ein Geschäftsmann im Weissen Haus wohne, nicht ein Politiker oder ein General.
Zuletzt verleumdete er die Medien. «Als Geschäftsmann war ich beliebt bei den Medien. Seit ich aber ein Politiker bin, habe ich gemerkt, wie angriffig, bösartig und falsch Journalisten sind.» Nicht nur Reporter buhten, mancher WEF-Teilnehmer war irritiert.
Dabei holte Trump selbst diese Medienschelte aus dem Stehsatz: Er bringt sie bei jedem Auftritt.
Der Applaus am Schluss? Höflich verhalten.