Ist der Lügner eine Marionette?

In Amerika wird der Ruf nach einem Sonderermittler in der Russen-Connection laut. Er könnte die Regierung von Donald Trump über Monate blockieren.

Von Peter Hossli

Nun ist es aktenkundig: Der amerikanische Präsident lügt. Mehrfach behauptete Donald Trump (70) via Twitter, sein Telefon sei 2016 abgehört worden. Auf Befehl des damaligen Präsidenten Barack Obama (55).

Dafür gibt es keinerlei Hinweise, sagte am Montag FBI-Direktor James Comey (56). Obama dementiert den Vorwurf. Eine erforderliche richterliche Bewilligung gibt es auch nicht.

Dass Trump bei Fakten flunkert, ist nicht neu (siehe Box). Zudem ist ein Tweet keine eidesstattliche Erklärung.

Weit gefährlicher für den Präsidenten ist aber die Ermittlung, die Bundespolizist Comey ebenfalls am Montag bestätigte: Das FBI will wissen, ob Trump sein Amt russischen Agenten verdankt. Ob Russland sich in die Wahlen einmischte. Ob Gesetze verletzt wurden.

Ist Trump nicht nur ein Lügner, sondern wie Pinocchio zusätzlich eine Marionette?

Offenbar gibt es dafür hinreichende Hinweise. Denn das FBI spricht fast nie über laufende Ermittlungen. «Das tun wir nur unter speziellen Umständen», sagt Comey. «Jetzt gibt es solche Umstände.» Nämlich die Einmischung eines fremden Staates in den demokratischen Prozess in den USA.

Bekannt ist: Der russische Präsident Wladimir Putin (64) verachtet Trumps einstige Gegnerin Hillary Clinton (69). Deren Wahlkampfcomputer wurden von Russen gehackt. Ermittelt wird, ob diese Hacker Kontakt hatten zu Trumps Team.

Wie einst beim Watergate-Skandal in den 70er-Jahren rücken zwei Fragen ins Zentrum: Was wusste der Präsident? Und wann wusste er es?

Die Hoheit über die Ermittlungen liegt beim FBI. Dieses untersteht dem Justizministerium. Direkt kann sich Trump nicht einmischen. Aber er versucht, die Untersuchung zu beeinflussen. Das begann schon vor dem Auftritt Comeys: Was da bekannt werde, sei alles «Fake News», twitterte er, also erfunden. Damit untergräbt er die Glaubwürdigkeit des FBI.

Im Gespräch ist nun ein unabhängiger Sonderermittler: Wie einst Ken Starr (70), der Ende der 90er-Jahre die Affäre von Bill Clinton (70) mit Praktikantin Monica Lewinsky (43) untersuchte.

Ein solcher Ermittler hätte freie Hand. Könnte alle Berater Trumps, selbst den Präsidenten zu eidesstattlichen Aussagen zwingen. Das würde die Regierung monatelang blockieren.

Und das zu einem Zeitpunkt, wohlgemerkt, wo noch immer Hunderte von wichtigen Posten unbesetzt sind. Statt zu regieren, müsste sich Trump mit Anwälten herumschlagen.

Gefährdet wären Lieblingsprojekte seiner Republikaner, vor allem die Steuersenkungen, die Trump Firmen und reichsten Amerikaner versprach. Offenbar steigt die Angst, dass er das nicht mehr hinkriegt: Prompt schloss die New Yorker Börse gestern mit ihrem grössten Tagesverlust seit Trumps Wahlsieg.

Es ist ein Rennen mit der Zeit. Bis zu den Kongresswahlen im November 2018 muss Trump die Steuern senken. Schafft er das nicht, lässt ihn seine Partei im Regen stehen. Dann spielt es keine Rolle mehr, ob er nun eine Marionette der Russen ist – oder nur ein Lügner.

Der Flunker-Präsident

Eine Lüge brachte Donald Trump (70) 2011 auf das politische Parkett: Er zweifle, US-Präsident Barack Obama (55) sei in den USA zur Welt gekommen. Dessen Geburtsurkunde sei eine Fälschung, er dürfe gar nicht US-Präsident sein.

Während des Wahlkampfs sagte Trump, der Vater seines Widersachers Ted Cruz (46) sei in die Ermordung von John F. Kennedy (1917–1963) involviert gewesen. Es war eine Lüge.

Wie seine Aussage, nach 9/11 hätten Tausende von Muslimen in New Jersey den Angriff auf New York gefeiert.

Während des Wahlkampfs sagte Trump, er sei von Beginn weg gegen den Irak-Krieg von 2003 gewesen. Dabei hatte er ihn zu Beginn unterstützt.

Trump bezeichnete Hillary Clinton (69) und Obama als «Gründer» der Terrorbande «Islamischer Staat» – eine reine Lüge.

Gelogen ist, dass Deutschland seine Zuwendungen an die Nato nicht ordnungsgemäss bezahlt hat.

Im Wahlkampf sagte Trump, die Arbeitslosigkeit könne «42 Prozent betragen». Dabei lag sie  damals bei fünf Prozent.

Es gebe in den USA so viele Morde wie seit 47 Jahren nicht mehr, so der Präsident. Dabei ist die Anzahl der Tötungsdelikte seit den 90er-Jahren dramatisch gesunken.

Drei Millionen Menschen hätten bei den Wahlen im November 2016 illegal abgestimmt. Es gibt keinerlei Hinweise darauf.

Trump behauptet, er hätte den grössten Vorsprung bei den Elektorenstimmen seit der Wahl von Ronald Reagan (1911–2004) im Jahr 1981. Dabei hatten alle Präsidenten ausser George W. Bush (70) im Jahr 2000 einen grösseren Vorsprung bei den Elektoren als Trump.

Nach seiner Amtseinführung am 20. Januar 2017 sagte Trump, nie hätten mehr Personen eine Amtseinführung verfolgt. Auch das: eine Lüge.